Luxemburger Wort

Schüsse in Remich: „Ich hatte keine andere Wahl“

Die Staatsanwa­ltschaft fordert zwölf Jahre Haft gegen den Angeklagte­n. Aldo I. spricht von Notwehr. Am Rande des Prozesses kam es zu einer Festnahme

- Von Maximilian Richard

Im gebrochene­n Englisch ergreift Aldo I. am Donnerstag das letzte Wort: „Ja, ich habe auf den Typen geschossen. Aber ich hatte keine andere Wahl.“Er sei bereit, den Preis für seine Taten zu bezahlen. Er habe sein Opfer aber nie töten wollen, sondern sich nur verteidigt. Aldo I. muss sich wegen versuchten Totschlags verantwort­en. Der damals 30-Jährige hatte am 24. November 2020 nach einem Streit in einer Bar in Remich mit einer Pistole einen anderen Mann angeschoss­en. Eine Kugel traf ihn am linken Bein, eine weitere durchschlu­g den Schuh und verfehlte nur knapp den rechten Fuß.

Der Prozess war im November nach vier Verhandlun­gstagen ausgesetzt worden, da der Anwalt von Aldo I. zusätzlich­e Zeit beantragt hatte, um alle sichergest­ellten Bilder der Überwachun­gskameras vom Abend des 24. November 2022 einsehen zu können.

Wie schon im November bewacht an den letzten beiden Verhandlun­gstagen ein Hochsicher­heitsaufge­bot den Albaner vor Gericht. Aldo I. gilt als eine nicht unbedeuten­de Figur eines internatio­nalen Drogenring­s. Im Ausland ist er unter anderem wegen mehrerer Gewalttate­n vorbestraf­t – in Italien etwa wegen Entführung mit einhergehe­nder Folter. In einer von Aldo I. gemieteten Wohnung in Brüssel stellten Ermittler zwei Sturmgeweh­re und einen Revolver sicher. In seiner Heimat in Albanien soll er im Juli 2021 zwei Personen niedergesc­hossen haben.

„Ich verstecke mich nicht vor der Justiz“

Nach der Tat in Remich flieht Aldo I. Eine langwierig­e Fahndung nach dem Schützen führt schließlic­h im Dezember 2021 zum Erfolg. Nachdem Aldo. I zehn Monate lang zu den meistgesuc­hten Verbrecher­n Europas zählt, nehmen ihn Ermittler in Brüssel fest. „Ich verstecke mich nicht vor der Jus

Festnahme am Mittwoch

Noch vor Sitzungsbe­ginn wurde LW-Informatio­nen nach am Mittwoch ein mutmaßlich­er Komplize von Aldo I. im Umfeld der Cité judicaire festgenomm­en. Die albanische­n Behörden fahndeten im Zuge einer Schießerei in Albanien nach dem Mann. Er soll Aldo I. begleitet haben, als dieser im Juli 2021 zwei Personen in Tirana niederscho­ss. Der 27-Jährige wurde mit internatio­nalem Haftbefehl gesucht, da er in Albanien noch eine Haftstrafe offen hat. Ob diese im Zusammenha­ng mit der Schießerei steht, ist nicht bekannt.

Der Mann soll nun nach Albanien ausgeliefe­rt werden. Bis dahin ist er im Untersuchu­ngsgefängn­is in Sassenheim untergebra­cht. Offenbar wollte der Mann aber den Prozess gegen Aldo I. verfolgen. Er soll sich in Begleitung eines weiteren Mannes befunden haben, der dem Prozess beiwohnte.

Bereits beim Prozessauf­takt im November hatten drei Männer, die dem Prozess als Zuschauer beiwohnten, die Aufmerksam­keit der Sicherheit­skräfte auf sich gezogen. Im Gerichtssa­al begrüßten sie den ebenfalls anwesenden Bruder von Aldo I., der zusammen mit der Mutter den Prozess verfolgte. Nach einiger Zeit verließen die unbekannte­n Männer den Saal wieder. Die Brüder Andis G. und Aldo I. waren 2016 im italienisc­hen Askoli wegen Handels mit Kokain und Marihuana verhaftet worden. m.r. tiz“, beteuert der Angeklagte am Mittwoch. Der Angeklagte wirft den Strafermit­tlungsbehö­rden vor, nicht ausreichen­d ermittelt zu haben. Er sei in einen Hinterhalt geraten und mit einem Messer verletzt worden. „Ich halte es für merkwürdig, dass die Person, die auf mich eingestoch­en hat, nicht mit mir hier ist.“

Beweise für einen solchen Hinterhalt haben die Strafverfo­lgungsbehö­rden nicht gefunden, wie die Vertreteri­n der Staatsanwa­ltschaft betont. Weder Zeugenauss­agen noch die Auswertung der Kameras oder eine gutachterl­iche Untersuchu­ng einer Narbe am Bein von Aldo I. würden auf einen solchen Tathergang hindeuten, wie die Vertreteri­n der Staatsanwa­ltschaft betont. Die Strafverfo­lgungsbehö­rden gehen davon aus, dass der Auslöser der bewaffnete­n Auseinande­rsetzung eine Nichtigkei­t war. Das Opfer habe sich gemeinsam mit seinem Cousin an Begleiteri­nnen von Aldo I. herangemac­ht.

Zwölf Jahre Haft gefordert

Zu einem gewissen Zeitpunkt verlassen alle Beteiligte­n getrennt das Lokal. Aldo I. kehrt zurück und wird wenig später von einem Mann am Fenster der Bar, nach draußen gerufen. Gegen 22.30 Uhr verlässt dieser das Lokal in Richtung Esplanade. Kurz darauf fällt den Ermittlung­en zufolge ein erster Schuss, der in den Himmel gerichtet ist. Aldo I. begibt sich daraufhin durch eine kleine Gasse zur Kreuzung mit der Bar und der Grenzbrück­e. Dort trifft er auf das Opfer. Aus wenigen Metern Entfernung soll er drei Schüsse auf den Mann abgefeuert haben. Die Kugeln schlagen auch in die Fassade der Bar ein, nur wenige Zentimeter von den Fenstern entfernt.

Wie die Vertreteri­n der Staatsanwa­ltschaft betonte, habe Aldo I. nicht verhältnis­mäßig gehandelt. Er habe den Tod seines Opfers durch den Schusswaff­engebrauch billigend in Kauf genommen. Es sei eher dem Zufall zu verdanken, dass es nicht zu schwereren Verletzung­en gekommen sei. Schließlic­h habe der Mann in einer Stresssitu­ation geschossen und unter Alkoholund Drogeneinf­luss gestanden. Sie forderte eine Freiheitss­trafe von zwölf Jahren.

Verteidigu­ng spricht von Notwehr

Der Anwalt des Angeklagte­n betonte hingegen, dass sein Mandant ein erfahrener Schütze sei. Er habe nie die Absicht gehabt, das Opfer zu töten, sondern habe nur einen Angriff abwehren wollen. Sein Mandant sei von mehreren Personen angegriffe­n worden. Er habe in Notwehr gehandelt und sei freizuspre­chen.

Ein Tötungsvor­satz habe nicht vorgelegen. Von einem Totschlagv­ersuch könne deshalb keine Rede sein, sondern nur von Körperverl­etzung. Ein Strafbesta­nd, der mit einer Maximalstr­afe von zwei Jahren, statt einer Minimalstr­afe von zehn Jahren einhergeht. Wegen Verstoßes gegen das Waffengese­tz müsse Aldo I. aber verurteilt werden, so der Anwalt.

Für die ebenfalls angeklagte Eftjona B. forderte die Anklage derweil wegen Waffengese­tzverstöße­n eine Haftstrafe von sechs Monaten und eine Geldstrafe von 5.000 Euro. Aus ihrer Hand soll die Pistole stammen, mit der Aldo I. im November 2020 schoss. An einer Patronenhü­lse waren DNS-Spuren der Frau sichergest­ellt worden. Die in Deutschlan­d wegen Drogenhand­els vorbestraf­te Angeklagte habe Aldo I. die Waffe wenige Tage vor der Tat aus Belgien nach Luxemburg gebracht, so die Vertreteri­n der Staatsanwa­ltschaft.

Die Verteidige­rin der Frau forderte unterdesse­n einen Freispruch. Die DNS der Frau sei auf die Patronenhü­lse gelangt, als Aldo I. einige Tage zuvor bei der Angeklagte­n und ihrem Ehemann übernachte­t habe.

Das Urteil ergeht am 22. Februar.

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Fotos: Fern Morbach An der Kreuzung zur Grenzbrück­e fielen im November 2020 Schüsse.
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Zwei Kugeln schlugen in die Fassade der Bar ein, nur wenige Zentimeter von den Fenstern entfernt.

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