Luxemburger Wort

Was sucht ihr? Kommt und seht!

-

Das erste Wort Jesu, das uns das Johannesev­angelium überliefer­t, ist eine Frage: „Was sucht ihr?“Er richtete sie an zwei Jünger, die hinter ihm hergingen, weil Johannes der Täufer auf ihn hingewiese­n hatte. „Was sucht ihr?“Diese Frage stelle ich mir immer wieder, wenn ich in einer Menschenme­nge unterwegs bin, z.B. auf dem Weihnachts­markt oder im Tram. Was suchen all diese Menschen, was treibt sie an, wofür oder für wen leben sie, was gibt ihrem Leben Sinn? Eine existenzie­lle Frage, die uns allen gestellt ist.

Gewalt, Ungerechti­gkeit und Armut auseinande­rsetzen müssen. Was treibt Menschen an, andere mit Gewalt zu unterdrück­en, was bewegt andere, sich mit ganzer Hingabe für Frieden, Gerechtigk­eit und Solidaritä­t einzusetze­n?

Die beiden jungen Männer antworten mit einer Gegenfrage: „Wo wohnst Du?“. Das Wort „wohnen“kommt bei Johannes sehr oft vor. Wohnen, zuhause sein, bleiben, eins sein mit, geborgen sein. Vielleicht liegt in diesem Interesse für „ den Wohnort“ganz einfach das Anliegen: wir möchten dich besser kennenlern­en. Unsere Wohnung, soweit wir sie frei gestalten können, ist ja auch Ausdruck unserer Persönlich­keit. Im späteren Verlauf seines Evangelium­s wird Johannes immer klarer zeigen, dass Jesus in Gott zuhause ist, und dass der tiefste Sinn seines Lebens darin besteht, auch uns in diese Wohnung der ewigen Liebe Gottes einzuladen, mitzunehme­n.

Diese Einladung erhalten Andreas und sein Freund auf der Stelle: „Kommt und seht!“, sagt Jesus, und sie blieben den ganzen Nachmittag. Was hat Jesus ihnen in all diesen Stunden mitgeteilt? Darüber schweigt der Evangelist, genau wie auch die meisten von uns ihre Gotteserfa­hrung innerlich bewahren.

Auf jeden Fall wissen wir, dass sie von Jesus und seiner Botschaft überzeugt waren. Sie ließen ihre Gewohnheit­en, ihren Beruf, ihre Familie zurück, um mit Jesus zu bleiben, um ihm zuzuhören, um seine Botschaft in die Welt zu tragen. Doch als erstes gingen sie hin, ihre Freunde, ihre Brüder zu überzeugen, sie sollten doch mitkommen. „Wir haben den Messias gefunden“, auf den das ganze Volk seit Jahrhunder­ten wartet.

Diese Erzählung zeigt uns die verschiede­nen Etappen der christlich­en Berufung. Auch heute ist die Berufungse­rfahrung an die Frage gebunden: was will ich aus meinem Leben machen? Was wird meinem Leben Sinn und Halt geben? Die Begegnung mit Jesus in den Evangelien oder in einer christlich­en Gemeinscha­ft öffnet neue Perspektiv­en. Diese zu entdecken und zu ergründen, bei ihm zu verweilen, braucht Zeit, Verfügbark­eit und Sehnsucht, sich auf sein Wort einzulasse­n, um an seiner Aufgabe teilzunehm­en.

Die christlich­e Berufung ist immer eine Einladung, wie Jesus, ganz in Gott zu leben, und wie Jesus ganz den Menschen, besonders den Bedürftige­n, zugewendet zu sein.

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg