Öffentliche Aufträge als Anti-Krisen-Instrument
Bei öffentlichen Ausschreibungen zählt vor allem eines: der niedrigste Preis. Dennoch bewerben sich viele Handwerksbetriebe
Mit öffentlichen Ausschreibungen wollen Auftraggeber erreichen, dass zum günstigsten Preis gebaut wird. Angesichts dieser Herausforderung hat die Handwerkskammer eine umfassende Umfrage durchgeführt, um Meinungen und Perspektiven der Handwerksbetriebe hinsichtlich ihrer Beteiligung an öffentlichen Aufträgen zu erfassen.
Die Ergebnisse der Umfrage zeigen, dass 34 Prozent der befragten Unternehmen in den letzten fünf Jahren an öffentlichen Aufträgen teilgenommen haben, was eine bemerkenswerte Beteiligung des Handwerkssektors an diesen Arten von Aufträgen unterstreicht.
Dieser Anteil ist am höchsten für Aufträge aus dem Baugewerbe (41 Prozent), bei Gebäudereinigung (37 Prozent) und aus der Kommunikationsbranche (35 Prozent). Es sei wenig überraschend, so die Handwerkskammer, dass die Beteiligung mit der Unternehmensgröße zunimmt, was auf potenzielle Hindernisse für kleine Unternehmen hinweist.
Hindernis für die Teilnahme
Auf die Frage nach den Hindernissen gaben 42 Prozent der Unternehmen an, dass die Gewinnspanne aufgrund des starken Wettbewerbs sehr niedrig sei, was auf ein äußerst wettbewerbsintensives Marktumfeld hindeutet.
Darüber hinaus rechnen 43 Prozent der Unternehmen, die bereits an öffentlichen Ausschreibungen teilgenommen haben, mit einem Rückgang der Rentabilität, während 49 Prozent hier eine Stabilisierung in den nächsten fünf Jahren erwarten. Nur acht Prozent der Befragten sind optimistisch und sehen eine Verbesserung voraus.
Diese Vorsicht wird nach Ansicht der Handwerkskammer wahrscheinlich durch die aktuelle Wirtschaftslage beeinflusst. Hier ist bekanntlich ein deutlicher Rückgang der privaten Nachfrage zu verzeichnen. Infolgedessen versuchen immer mehr Unternehmen, ihren Umsatzrückgang durch eine verstärkte Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen zu kompensieren, was wiederum den Wettbewerb in diesem Bereich erhöht – ein kleiner Teufelskreis.
Hier seien nun Regierung und die Gemeinden gefragt, Investitions
Eine antizyklische Politik wäre eine Win-Win-Lösung für die öffentliche Hand und die Unternehmen in der aktuellen Krise des Bausektors. Tom Wirion Generaldirektor der Handwerkskammer
projekte, sei es im Neubau oder in der Renovierung, vorausschauend zu planen. So könne man zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.
„Eine antizyklische Politik, die geplante öffentliche Investitionen nach vorne verschiebt, wäre eine Win-Win-Lösung für die öffentliche Hand und die Unternehmen in der aktuellen Krise des Bausektors“, sagt dazu Tom Wirion, Generaldirektor der Handwerkskammer.
Während der Ausführungsphase der Arbeiten wurde die verspätete Validierung der Aufmaße als Hauptschwierigkeit herausgestellt, von der 45 Prozent der Unternehmen betroffen sind. Auch verspätete Zahlungen stellen ein erhebliches Problem dar. Diese Verzögerungen weisen darauf hin, dass die Verwaltungs- und Finanzprozesse im Rahmen der betreffenden Projekte verbessert werden müssen. Weitere Herausforderungen wurden im Zusammenhang mit dem Projektmanagement (Verzögerungen), der zögerlichen Entscheidungsfindung seitens öffentlicher Auftraggeber und der elektronischen Rechnungsstellung genannt.
Im Bausektor lassen sich aber 38 Prozent der Unternehmen nicht davon abschrecken, an Vergaben teilzunehmen. Überraschenderweise nimmt diese Quote mit der Größe der Unternehmen nicht signifikant ab und liegt bei 36 Prozent für Kleinstunternehmen – trotz Komplexität der Verfahren, die sich insbesondere in der Vielzahl der einzureichenden Dokumente niederschlägt.
Die Handwerkskammer schlägt mehrere Ansätze vor, damit die Behörden in vollem Umfang vom handwerklichen Know-how profitieren können, darunter die Beibehaltung der staatlichen und kommunalen Investitionsbudgets auf einem hohen Niveau, eine zeitliche Vorverlegung von Instandhaltungsund (energetischen) Renovierungsprojekten, eine Ausschreibung durch getrennte Gewerke anstelle von Ausschreibungen durch (Teil)Generalunternehmer und auch eine Verringerung der Größe der Lose sowie eine Verkürzung der Fristen für die Zahlung und eine Vereinfachung und Digitalisierung der notwendigen Verfahren.