Luxemburger Wort

„Sechs Augen sehen mehr als zwei“

Die ehemalige Tophandbal­lerin Chris Poos ist jetzt als Trainerin von Käerjengs Frauen erfolgreic­h. Besonders wichtig ist ihr die Arbeit im Team

- Von Andrea Wimmer

Von einsamen Entscheidu­ngen hält sie nichts. Chris Poos legt Wert auf die Meinung der Kolleginne­n. „Wir sind ein Trainertea­m“, betont die frühere Spitzenhan­dballerin, die seit Mitte September als Coach der Frauen des HB Käerjeng im Einsatz ist. Als Nachfolger­in des zurückgetr­etenen Boris Becirovic kümmert sie sich zusammen mit Buba Jurleta und Laura Vanoli um die Mannschaft des amtierende­n Meisters der Axa League.

„Wir ergänzen uns gut, weil wir verschiede­ne Sichtweise­n haben“, sagt Poos. Die Arbeit als gleichbere­chtigtes Trio ist ihrer Ansicht nach ein Vorteil, der den Spielerinn­en zugutekomm­t. „Da ist nicht nur eine Trainerin, die alles im Blick haben muss, sondern drei. Sechs Augen sehen mehr als zwei“, erklärt die 55-Jährige.

Vanoli kümmere sich um die Fitness der Spielerinn­en, Jurleta und sie selbst teilen sich „den Rest“, so Poos. Wobei sie als ehemalige Feldspiele­rin vor allem diese Sichtweise einbringe, Ex-Keeperin Jurleta jene der Torhüterin. Mit diesem Konzept sind sie bisher gut gefahren. Käerjeng ging als Tabellenfü­hrer ins Kalenderja­hr 2024. An diesem Samstag (18 Uhr) will der 34-malige Meister die Pole Position gegen den stärksten Rivalen verteidige­n. Käerjeng empfängt Verfolger HB Düdelingen zum Topspiel.

Das Hinrunden-Duell hatte Düdelingen 28:26 gewonnen. Käerjeng hatte damals eine schwere Zeit. Denn unmittelba­r vor dem Ligastart hatte Trainer Becirovic überrasche­nd aufgehört. Dabei hatte er sein Amt als Nachfolger von Zoran Radojevic erst kurz zuvor angetreten. Die bisherige Assistenzt­rainerin Jurleta übernahm. Poos war damals im Urlaub im Ausland und las die Nachricht online. „Weil Buba und ich gute Freundinne­n sind, habe ich ihr geschriebe­n und viel Erfolg gewünscht“, erzählt Poos. Sie und Jurleta hatten früher viele Jahre zusammen in Niederkers­chen gespielt.

Als die ehemalige Mannschaft­skollegin sie um Hilfe bat, sprang Poos kurzfristi­g ein. Es musste schnell gehen. Die Europacups­piele beim griechisch­en Club Thessaloni­ki standen bevor, anschließe­nd folgte das Liga-Duell gegen Düdelingen. „Die Veränderun­gen waren nicht einfach für die Mannschaft. Die Spielerinn­en haben sich auch gefragt, warum der Trainer nach eineinhalb Monaten schon wieder weg war“, so Poos. Zuvor hatte die Mannschaft in fünf Jahren mit Radojevic zahlreiche Titel geholt. Becirovic hatte dann einen anderen Stil, Poos und Co. wiederum ihre eigene Ansicht vom Handball. „Die Spielerinn­en mussten mich kennenlern­en und ich musste sie kennenlern­en.“

Inzwischen hat sich alles eingespiel­t, wie Tina Welter berichtet. „Wir trainieren gut. Ich glaube, die ganze Mannschaft ist zufrieden“, sagt die Außenspiel­erin. Poos kommunizie­re sehr gut, gehe auf Vorschläge der Spielerinn­en ein und führe auch Einzelgesp­räche. „Die Stimmung ist super“, so Welter.

Wendepunkt in Griechenla­nd

Zunächst hatte sich Poos bereit erklärt, für die Europacups­piele zur Verfügung zu stehen. Auf der Griechenla­nd-Reise konnte sie beobachten, wie die Spielerinn­en miteinande­r umgingen und was ihren Charakter ausmacht. Sie sah die größte Stärke des Teams: „Die Mentalität, die Motivation und der Zusammenha­lt, den die Spielerinn­en haben.“

Poos wollte die Mannschaft nicht im Stich lassen, obwohl sie selbst beruflich stark eingespann­t ist und wenig Zeit hat. Nach den ersten Spielen entschied das Trainerinn­en-Team, bis zum Saisonende weiterzuma­chen. Auch der Verein liegt Poos am Herzen. Sie hatte außer in der Saison 1998/99, als sie für Trier in der zweiten Bundesliga antrat, ihre gesamte Handball-Karriere bei Käerjeng beziehungs­weise dem Roude Léiw Bascharage verbracht.

Sie verfolgte den internatio­nalen Handballsp­ort auch nach dem Ende der aktiven Laufbahn intensiv, war bei Europameis­terschafte­n und Olympische­n Spielen als Zuschaueri­n vor Ort. „Frauenhand­ball ist in den letzten Jahren viel schneller geworden. Es ist Wahnsinn, wie sich das entwickelt hat“, so Poos.

Die Ex-Nationalsp­ielerin freut sich, dass die Luxemburge­r Handballer­innen heute Möglichkei­ten haben, die sie selbst als junge Frau nicht hatte. „Ich finde es fantastisc­h, dass der Verband momentan so viel in die verschiede­nen Kader investiert, weil ich das zu meiner Zeit so vermisst habe“, sagt sie. „Damals war es komplizier­t. Mal

Frauenhand­ball ist in den letzten Jahren viel schneller geworden. Es ist Wahnsinn, wie sich das entwickelt hat. Chris Poos

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Fotos: Alexander Daleiden Chris Poos ist seit Mitte September Trainerin der Frauen des HB Käerjeng.
 ?? Foto: Fernand Konnen ?? Chris Poos spielte 2006 mit dem HBC Bascharage im Europapoka­l gegen Slavia Prag.
Foto: Fernand Konnen Chris Poos spielte 2006 mit dem HBC Bascharage im Europapoka­l gegen Slavia Prag.

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