„Wir haben sicher Fehler gemacht“
Déi Gréng-Präsidentin Djuna Bernard hat ihr Mandat verloren. Doch sie will weiter Politik machen – und bezieht Stellung in der Causa Frank Engel
Man konnte sie spüren, die Frustration, die zwei Tage nach der Chamberwahl vom 8. Oktober noch vorhanden war. Die auch nach zwei Nächten nicht verflogen war, sondern sich in einem emotionalen Beitrag in den sozialen Medien Bahn brach. „Léift Lëtzebuerg, Du hues gewielt“, so schrieb Djuna Bernard am 10. Oktober in einem Facebook-Post. „An du hues anescht gewielt, wéi ech mer dat gewënscht hunn. An jo, du hues mech enttäuscht.“
Knapp 100 Tage sind seit der Wahl vergangen, bei der Déi Gréng herbe Verluste einfuhr. Und die zu einem Karriereknick für die heute 31-jährige Bernard führte. Mit nur 26 Jahren war sie 2018 in die Chamber eingezogen, als junge und vielversprechende Hoffnungsträgerin ihrer Partei. Eine Vollblut-Politikerin, die kurz darauf den Parteivorsitz übernahm.
Aus ihrem Hobby, der Politik, wurde ein Beruf; zu 100 Prozent konnte sich Bernard auf die Arbeit in Kammer und Partei konzentrieren. Dann der jähe Einschnitt: Nach nur einer Legislaturperiode hieß es im vergangenen Herbst Abschied nehmen aus dem Parlament.
Einige der nicht wiedergewählten Abgeordneten haben der Politik den Rücken gekehrt. Fragt man sie heute, möchten sie sich nicht dazu äußern, wie es ihnen heute geht, was sie machen, was sie über die Arbeit der Chamber denken. „Politisch maachen ech keng Ausso“, bekommt man dann etwa zur Antwort. Nicht so Djuna Bernard: Recht schnell und recht offen reagiert sie auf die Anfrage, ob man sich für ein Interview treffen könne.
Radikale Brüche
Denn anders als manche ehemaligen Wegbegleiter hat die frühere Vizepräsidentin der Chamber nicht mit dem Kapitel Politik abgeschlossen. Sie ist Gemeinderätin in Mamer und übt weiterhin ihr Amt als Co-Vorsitzende der Grünen aus. Manche früheren Kollegen hätten den harten Bruch gewählt. Das sei zwar radikaler, findet Bernard: „Aber gleichzeitig ist es, glaube ich, auch einfacher, seinen eigenen Neuanfang zu planen.“Bei ihr sei es anders, sie bleibe „mit der eigenen Identität an die Partei gebunden“.
Djuna Bernard macht keinen Hehl daraus, dass die ersten Wochen nach dem Urnengang hart gewesen seien. „Da durchlebt man auch so verschiedene Trauerphasen – von nicht wahrhaben wollen über Frust, über wütend sein und sich ungerecht behandelt fühlen, bis sich infrage stellen.“Im Wahlkampf sei sie permanent aktiv gewesen, nach den Wahlen habe sich dann zunächst eine Leere, ein großes Loch aufgetan. „Ich war auch darauf vorbereitet, dass ich nicht wiedergewählt werden konnte“, sagt Bernard rückblickend. Dass sie selbst Stimmen dazugewann, habe sie getröstet. „Mein persönliches Schicksal habe ich nicht als hart empfunden, aber als Parteipräsidentin hast du die Mitverantwortung für die Kampagne, für das Resultat, für die Mitarbeiter.“
Viele Abende habe sie mit ihren Parteifreunden zusammengesessen und versucht, die Dinge aufzuarbeiten, die im Wahlkampf schiefgelaufen sind. In diesem Kontext kam es zu dem ungefilterten Facebook-Beitrag. War das ein Fehler? „Also muss ich sagen, ich hab’ viel darüber nachgedacht: Ich würde den Post heute auch nicht mehr so machen. Ganz sicher nicht. Aber ich habe es in dem Moment so empfunden“, sagt Djuna Bernard mit dem Abstand von etwas mehr als drei Monaten.
Schlaflose Nächte
Viele Luxemburgerinnen und Luxemburger warfen den Grünen vor und nach der Wahl vor, selbstgerecht zu sein. Die Schuld für Wahlniederlagen bei anderen zu suchen. Bei Kritikern stieß vor allem dieser Part des Oktober-Facebook-Posts von Djuna Bernard auf, in dem sie sich ebenfalls an das „Léift Lëtzebuerg“wendet: „An du hues leider allze oft op d‘Stëmme vum Grénge-bashing an de sëllege Virurteeler a Falsch-Meldunge gelauschtert.“
Haben es sich die Grünen mit ihrer Aufarbeitung zu leicht gemacht? „Ich kann jedem versichern, dass ich sehr, sehr viele und bis heute noch schlaflose Nächte damit verbracht habe, mich und uns zu hinterfragen und darüber nachzudenken, wo Fehler passiert sind. Und wir haben sicher welche gemacht“, kontert Bernard. Dennoch lasse sich nicht leugnen, dass es in ganz Europa gerade einen Trend gegen grüne Parteien gebe. Zudem seien massive Anti-Grünen-Kampagnen etwa in sozialen Medien gelaufen. Hier müsse sich die Partei mit Blick auf die Europawahlen besser aufstellen. „Da haben wir im Moment noch nicht die guten Tools.“
Kritisch blickt Bernard auch auf die zweite Regierungszeit des Gambia-Bündnisses. Da habe es den ein oder anderen Streit zwischen Blau, Rot und Grün gegeben, doch die Grünen seien zu oft „die Netten“geblieben.
Nicht immer auf der Gewinnerseite
Die Chamberwahlen seien für manche ihrer Parteifreunde der Schluss einer Karriere. „Das muss jeder für sich entscheiden“, sagt Djuna Bernard. „Es gehört zur Politik dazu, dass man nicht immer auf der Gewinnerseite ist.“Sie selbst hat sich entschieden, weiter zu machen. Weil sie weiter Politik mitgestalten wolle, weil es eine starke Opposition brauche.
Und weil sie zurück in die Verantwortung will, wie sie betont.
Schon früh nach ihrem Studium der Europäischen Geschichte, das sie um einen Master in Non-Profit Management und Governance ergänzte, wurde Djuna Bernard Berufspolitikerin. Zwar arbeitete sie eine Zeit lang im Schulwesen sowie im Sozialbereich, doch schon mit 26 Jahren wurde sie Vizepräsidentin der Chamber. Dann der harte Bruch, wo es nicht nur galt, das enttäuschende Wahlergebnis aufzuarbeiten. Sondern auch, einen neuen Job zu finden, denn das Übergangsgeld endet nach drei Monaten.
Ihr Bekenntnis dazu, weiter Politik zu machen, habe es ihr nicht erleichtert, einen Job zu finden. „Also nicht für jeden Arbeitgeber ist man attraktiv, wenn man Parteipräsidentin der Grünen ist“, sagt Djuna Bernard. Seit Januar ist sie wieder im Sozialbereich tätig: „Ich bin im Qualitätsmanagement und in der Weiterbildung bei einem der großen Träger in der Kinder- und Jugendhilfe beschäftigt.“Es ist eine Teilzeitstelle mit 30 Stunden pro Woche; einen Tag will sie sich hauptsächlich der Politik widmen.
Das Amt der grünen Parteipräsidentin ist ein Ehrenamt. Bislang war es bei den meisten Luxemburger Parteien Usus, dass Berufspolitiker ihren Lebensunterhalt mit dem Mandat bestreiten und die Parteiarbeit nebenher betreiben. Ihren Zeitaufwand beziffert Djuna Bernard auf 15 bis 20 Stunden pro Woche.
Diskussion um bezahlte Parteiarbeit
In dieser Woche sorgte die Partei Fokus für Schlagzeilen, weil deren Sprecher Frank Engel einen Beratervertrag erhalten soll, der ihm monatlich 1.000 Euro Aufwandsentschädigung plus Spesen verschaffen würde. In anderen Ländern erhalten Parteifunktionäre mitunter deutlich höhere Aufwendungen. Sollte sich auch Luxemburg offen dafür zeigen?
„Ich meine durchaus, dass es eine bessere Regelung für Parteien geben sollte“, sagt Djuna Bernard. In Deutschland haben Parteien Verfassungsrang. In Luxemburg fehlt ein solches Parteienstatut, die Parteien seien gezwungen, sich als ASBL zu formieren. Bernard würde es begrüßen, dass das Parteistatut zusammen mit dem Parteienfinanzierungsgesetz neu geregelt wird. „Es ist ganz sicher nicht leicht, eine politische Partei zu leiten, wenn man voll berufstätig ist“, sagt sie. Wichtig sei eine transparente Lösung, denn „das würde auch Situationen wie jetzt wieder bei Fokus oder der Freundeskreisaffäre vermeiden“.
Für sich selbst hat Djuna Bernard mit der Mischung aus Teilzeitstelle und ehrenamtlicher Parteiarbeit einen guten Weg gefunden. Dass sie nicht mehr in der Chamber sitzt, habe einen Vorteil: Sie sei aus ihrer Komfortzone herausgekommen. Und sie könne sich nun viel freier äußern als in den Zeiten der Regierungsbeteiligung. „Ich habe immer gesagt, ich will nicht mein Leben lang Politik machen“, zieht sie Bilanz.
Und schwärmt dann geradezu von ihrer Zeit im Parlament. Etwa, wenn man nach der langen Sommerpause zurückkehre: „Diese Treppe, die so knarzt und mit dem Geruch und diesen Bildern von den alten Monarchen, die herumhängen... Fast jeden September, wenn ich da wieder hochgegangen bin, habe ich so richtig Gänsehaut bekommen, weil das immer wieder ein solches Aha-Moment war: Wow, ich habe das Recht, hier zu sein.“
Man spüre in diesem Moment das Vermächtnis der Geschichte. Die fünf Jahre in der Chamber seien ein Privileg gewesen, betont Djuna Bernard. Das Kapitel Chamber will sie definitiv noch nicht abhaken. „Fünf Jahre ist ein wenig...“, beginnt sie ihren Satz, überlegt kurz und bringt ihn dann zu Ende: „… da geht noch mehr.“
: Mein persönliches Schicksal habe ich nicht als hart empfunden. Djuna Bernard