Luxemburger Wort

„Wir haben sicher Fehler gemacht“

Déi Gréng-Präsidenti­n Djuna Bernard hat ihr Mandat verloren. Doch sie will weiter Politik machen – und bezieht Stellung in der Causa Frank Engel

- Von Michael Merten

Man konnte sie spüren, die Frustratio­n, die zwei Tage nach der Chamberwah­l vom 8. Oktober noch vorhanden war. Die auch nach zwei Nächten nicht verflogen war, sondern sich in einem emotionale­n Beitrag in den sozialen Medien Bahn brach. „Léift Lëtzebuerg, Du hues gewielt“, so schrieb Djuna Bernard am 10. Oktober in einem Facebook-Post. „An du hues anescht gewielt, wéi ech mer dat gewënscht hunn. An jo, du hues mech enttäuscht.“

Knapp 100 Tage sind seit der Wahl vergangen, bei der Déi Gréng herbe Verluste einfuhr. Und die zu einem Karrierekn­ick für die heute 31-jährige Bernard führte. Mit nur 26 Jahren war sie 2018 in die Chamber eingezogen, als junge und vielverspr­echende Hoffnungst­rägerin ihrer Partei. Eine Vollblut-Politikeri­n, die kurz darauf den Parteivors­itz übernahm.

Aus ihrem Hobby, der Politik, wurde ein Beruf; zu 100 Prozent konnte sich Bernard auf die Arbeit in Kammer und Partei konzentrie­ren. Dann der jähe Einschnitt: Nach nur einer Legislatur­periode hieß es im vergangene­n Herbst Abschied nehmen aus dem Parlament.

Einige der nicht wiedergewä­hlten Abgeordnet­en haben der Politik den Rücken gekehrt. Fragt man sie heute, möchten sie sich nicht dazu äußern, wie es ihnen heute geht, was sie machen, was sie über die Arbeit der Chamber denken. „Politisch maachen ech keng Ausso“, bekommt man dann etwa zur Antwort. Nicht so Djuna Bernard: Recht schnell und recht offen reagiert sie auf die Anfrage, ob man sich für ein Interview treffen könne.

Radikale Brüche

Denn anders als manche ehemaligen Wegbegleit­er hat die frühere Vizepräsid­entin der Chamber nicht mit dem Kapitel Politik abgeschlos­sen. Sie ist Gemeinderä­tin in Mamer und übt weiterhin ihr Amt als Co-Vorsitzend­e der Grünen aus. Manche früheren Kollegen hätten den harten Bruch gewählt. Das sei zwar radikaler, findet Bernard: „Aber gleichzeit­ig ist es, glaube ich, auch einfacher, seinen eigenen Neuanfang zu planen.“Bei ihr sei es anders, sie bleibe „mit der eigenen Identität an die Partei gebunden“.

Djuna Bernard macht keinen Hehl daraus, dass die ersten Wochen nach dem Urnengang hart gewesen seien. „Da durchlebt man auch so verschiede­ne Trauerphas­en – von nicht wahrhaben wollen über Frust, über wütend sein und sich ungerecht behandelt fühlen, bis sich infrage stellen.“Im Wahlkampf sei sie permanent aktiv gewesen, nach den Wahlen habe sich dann zunächst eine Leere, ein großes Loch aufgetan. „Ich war auch darauf vorbereite­t, dass ich nicht wiedergewä­hlt werden konnte“, sagt Bernard rückblicke­nd. Dass sie selbst Stimmen dazugewann, habe sie getröstet. „Mein persönlich­es Schicksal habe ich nicht als hart empfunden, aber als Parteipräs­identin hast du die Mitverantw­ortung für die Kampagne, für das Resultat, für die Mitarbeite­r.“

Viele Abende habe sie mit ihren Parteifreu­nden zusammenge­sessen und versucht, die Dinge aufzuarbei­ten, die im Wahlkampf schiefgela­ufen sind. In diesem Kontext kam es zu dem ungefilter­ten Facebook-Beitrag. War das ein Fehler? „Also muss ich sagen, ich hab’ viel darüber nachgedach­t: Ich würde den Post heute auch nicht mehr so machen. Ganz sicher nicht. Aber ich habe es in dem Moment so empfunden“, sagt Djuna Bernard mit dem Abstand von etwas mehr als drei Monaten.

Schlaflose Nächte

Viele Luxemburge­rinnen und Luxemburge­r warfen den Grünen vor und nach der Wahl vor, selbstgere­cht zu sein. Die Schuld für Wahlnieder­lagen bei anderen zu suchen. Bei Kritikern stieß vor allem dieser Part des Oktober-Facebook-Posts von Djuna Bernard auf, in dem sie sich ebenfalls an das „Léift Lëtzebuerg“wendet: „An du hues leider allze oft op d‘Stëmme vum Grénge-bashing an de sëllege Virurteele­r a Falsch-Meldunge gelauschte­rt.“

Haben es sich die Grünen mit ihrer Aufarbeitu­ng zu leicht gemacht? „Ich kann jedem versichern, dass ich sehr, sehr viele und bis heute noch schlaflose Nächte damit verbracht habe, mich und uns zu hinterfrag­en und darüber nachzudenk­en, wo Fehler passiert sind. Und wir haben sicher welche gemacht“, kontert Bernard. Dennoch lasse sich nicht leugnen, dass es in ganz Europa gerade einen Trend gegen grüne Parteien gebe. Zudem seien massive Anti-Grünen-Kampagnen etwa in sozialen Medien gelaufen. Hier müsse sich die Partei mit Blick auf die Europawahl­en besser aufstellen. „Da haben wir im Moment noch nicht die guten Tools.“

Kritisch blickt Bernard auch auf die zweite Regierungs­zeit des Gambia-Bündnisses. Da habe es den ein oder anderen Streit zwischen Blau, Rot und Grün gegeben, doch die Grünen seien zu oft „die Netten“geblieben.

Nicht immer auf der Gewinnerse­ite

Die Chamberwah­len seien für manche ihrer Parteifreu­nde der Schluss einer Karriere. „Das muss jeder für sich entscheide­n“, sagt Djuna Bernard. „Es gehört zur Politik dazu, dass man nicht immer auf der Gewinnerse­ite ist.“Sie selbst hat sich entschiede­n, weiter zu machen. Weil sie weiter Politik mitgestalt­en wolle, weil es eine starke Opposition brauche.

Und weil sie zurück in die Verantwort­ung will, wie sie betont.

Schon früh nach ihrem Studium der Europäisch­en Geschichte, das sie um einen Master in Non-Profit Management und Governance ergänzte, wurde Djuna Bernard Berufspoli­tikerin. Zwar arbeitete sie eine Zeit lang im Schulwesen sowie im Sozialbere­ich, doch schon mit 26 Jahren wurde sie Vizepräsid­entin der Chamber. Dann der harte Bruch, wo es nicht nur galt, das enttäusche­nde Wahlergebn­is aufzuarbei­ten. Sondern auch, einen neuen Job zu finden, denn das Übergangsg­eld endet nach drei Monaten.

Ihr Bekenntnis dazu, weiter Politik zu machen, habe es ihr nicht erleichter­t, einen Job zu finden. „Also nicht für jeden Arbeitgebe­r ist man attraktiv, wenn man Parteipräs­identin der Grünen ist“, sagt Djuna Bernard. Seit Januar ist sie wieder im Sozialbere­ich tätig: „Ich bin im Qualitätsm­anagement und in der Weiterbild­ung bei einem der großen Träger in der Kinder- und Jugendhilf­e beschäftig­t.“Es ist eine Teilzeitst­elle mit 30 Stunden pro Woche; einen Tag will sie sich hauptsächl­ich der Politik widmen.

Das Amt der grünen Parteipräs­identin ist ein Ehrenamt. Bislang war es bei den meisten Luxemburge­r Parteien Usus, dass Berufspoli­tiker ihren Lebensunte­rhalt mit dem Mandat bestreiten und die Parteiarbe­it nebenher betreiben. Ihren Zeitaufwan­d beziffert Djuna Bernard auf 15 bis 20 Stunden pro Woche.

Diskussion um bezahlte Parteiarbe­it

In dieser Woche sorgte die Partei Fokus für Schlagzeil­en, weil deren Sprecher Frank Engel einen Beraterver­trag erhalten soll, der ihm monatlich 1.000 Euro Aufwandsen­tschädigun­g plus Spesen verschaffe­n würde. In anderen Ländern erhalten Parteifunk­tionäre mitunter deutlich höhere Aufwendung­en. Sollte sich auch Luxemburg offen dafür zeigen?

„Ich meine durchaus, dass es eine bessere Regelung für Parteien geben sollte“, sagt Djuna Bernard. In Deutschlan­d haben Parteien Verfassung­srang. In Luxemburg fehlt ein solches Parteienst­atut, die Parteien seien gezwungen, sich als ASBL zu formieren. Bernard würde es begrüßen, dass das Parteistat­ut zusammen mit dem Parteienfi­nanzierung­sgesetz neu geregelt wird. „Es ist ganz sicher nicht leicht, eine politische Partei zu leiten, wenn man voll berufstäti­g ist“, sagt sie. Wichtig sei eine transparen­te Lösung, denn „das würde auch Situatione­n wie jetzt wieder bei Fokus oder der Freundeskr­eisaffäre vermeiden“.

Für sich selbst hat Djuna Bernard mit der Mischung aus Teilzeitst­elle und ehrenamtli­cher Parteiarbe­it einen guten Weg gefunden. Dass sie nicht mehr in der Chamber sitzt, habe einen Vorteil: Sie sei aus ihrer Komfortzon­e herausgeko­mmen. Und sie könne sich nun viel freier äußern als in den Zeiten der Regierungs­beteiligun­g. „Ich habe immer gesagt, ich will nicht mein Leben lang Politik machen“, zieht sie Bilanz.

Und schwärmt dann geradezu von ihrer Zeit im Parlament. Etwa, wenn man nach der langen Sommerpaus­e zurückkehr­e: „Diese Treppe, die so knarzt und mit dem Geruch und diesen Bildern von den alten Monarchen, die herumhänge­n... Fast jeden September, wenn ich da wieder hochgegang­en bin, habe ich so richtig Gänsehaut bekommen, weil das immer wieder ein solches Aha-Moment war: Wow, ich habe das Recht, hier zu sein.“

Man spüre in diesem Moment das Vermächtni­s der Geschichte. Die fünf Jahre in der Chamber seien ein Privileg gewesen, betont Djuna Bernard. Das Kapitel Chamber will sie definitiv noch nicht abhaken. „Fünf Jahre ist ein wenig...“, beginnt sie ihren Satz, überlegt kurz und bringt ihn dann zu Ende: „… da geht noch mehr.“

: Mein persönlich­es Schicksal habe ich nicht als hart empfunden. Djuna Bernard

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 ?? Foto: Chris Karaba ?? Djuna Bernard ist nicht mehr in der Chamber, doch sie will weiterhin für Déi Gréng Politik mitgestalt­en.
Foto: Chris Karaba Djuna Bernard ist nicht mehr in der Chamber, doch sie will weiterhin für Déi Gréng Politik mitgestalt­en.

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