Luxemburger Wort

„Privatsekt­or hat sich nie für erschwingl­ichen Wohnungsba­u interessie­rt“

SNHBM-Direktor Guy Entringer kritisiert die privaten Bauträger auf RTL. Jean-Paul Scheuren von der Chambre immobilièr­e will das nicht auf sich sitzen lassen

- Von Michèle Gantenbein

olange der Wohnungsma­rkt geboomt hat, hatten die privaten Bauträger kein Interesse, erschwingl­iche Wohnungen zu bauen. Erst jetzt entdecken sie den erschwingl­ichen Wohnungsma­rkt“, sagt der Direktor der Société des habitation­s à bon marché (SNHBM), Guy Entringer am Freitagmor­gen auf RTL. Eine Behauptung, der Jean-Paul Scheuren, Präsident der Immobilien­kammer, vehement widerspric­ht.

„Seit 15 Jahren intervenie­ren wir bei jeder Regierung, damit der Bereich des subvention­ierten Wohnungsba­us auch für private Bauträger geöffnet wird. Das soll laut dem Koalitions­vertrag jetzt kommen“, erklärt Scheuren. Der erschwingl­iche Wohnungsba­u sei ein sehr wichtiges Thema „und nicht etwas, was wir jetzt erst entdecken. Aber erst jetzt eröffnet sich für uns die Gelegenhei­t, mitzumache­n“.

„Haben das Prinzip nie infrage gestellt“

Dass der Privatsekt­or mit erschwingl­ichem Wohnraum nichts zu tun haben wolle, sei auch dahingehen­d falsch, als die Bauträger laut dem Pacte logement 2.0 und dem damit verbundene­n Artikel 29bis gesetzlich verpflicht­et seien, bei neuen Wohnungsba­uprojekten einen bestimmten Anteil an erschwingl­ichen Wohnungen zu bauen und an die öffentlich­e Hand abzutreten. „Wir haben dieses Prinzip nie infrage gestellt“, sagt Scheuren.

Die privaten Bauträger und Immobilien­entwickler seien bereit, mitzumache­n. Die Immobilien­kammer habe zu diesem Zweck eine neue Sektion gegründet und sieben Arbeitsgru­ppen ins Leben gerufen, die auf verschiede­nen Themen arbeiten und neue Ideen entwickeln. Eine davon widmet sich ganz dem Thema „logement abordable“. Laut Scheuren wirken 90 Prozent der privaten Immobilien­entwickler in diesen Arbeitsgru­ppen mit.

Die SNHBM ist ein öffentlich­er Bauträger, genau wie der Fonds du logement (FDL) und die Gemeinden. Der Bau von Mietwohnun­gen wird vom Staat zu 75 Prozent subvention­iert. Für den Bau einer Verkaufswo­hnung erhält der öffentlich­e Bauträger keine Subvention­en. Einzig die Straßeninf­rastruktur­arbeiten und die Architekte­nhonorare werden vom Staat zu 50 Prozent übernommen – „unter der Bedingung, dass der Käufer ein Recht auf staatliche Bauprämien hat“, so Guy Entringer auf Nachfrage des „Luxemburge­r Wort“. Die Subvention­ierung komme nicht der SNHBM zugute, sondern dem Kunden.

Keine Gewinnsteu­er, keine Eintragung­sgebühr

Die SNHBM ist eine Aktiengese­llschaft, ist also darauf angewiesen, Gewinne zu machen, um über die Runden zu kommen und weiter zu investiere­n, so wie die privaten Gesellscha­ften auch. Doch anders als private Immobilien­gesellscha­ften zahlt die SNHBM keine Steuern auf ihrem Gewinn und keine Eintragung­sgebühr (droit d‘enregistre­ment) beim Kauf von Grundstück­en oder Immobilien, also auch nicht auf dem Rückkauf ihrer eigenen Wohnungen.

Laut einer parlamenta­rischen Frage von der damaligen CSV-Abgeordnet­en Elisabeth Margue vom Dezember 2022 hat die SNHBM zwischen 2018 und 2022 knapp 40 Wohnungen, die sie mit Erbpacht verkauft hatte, mittels ihres Vorkaufsre­chts zurückerwo­rben, ohne droit d‘enregistre­ment darauf zu zahlen. Die Käufer aber schon.

„Die SNHBM hat steuerlich­e Vorteile, die private Immobilien­gesellscha­ften nicht haben“, findet Jean-Paul Scheuren. Von Wettbewerb­sverzerrun­g aber will er nicht sprechen. Das Verkaufsmo­dell der SNHBM sei mit dem privaten Verkaufsmo­dell, bei dem der Käufer Eigentümer des Grundstück­s ist, nicht vergleichb­ar, findet er. „Wir bedienen eine andere Kundschaft als der private Markt“, sagt auch Guy Entringer.

Wer bei einem öffentlich­en Bauträger kauft, ist nicht Eigentümer des Grundstück­s und ist verpflicht­et, das Objekt im Verkaufsfa­ll zu festgelegt­en Bedingunge­n an den Bauträger zurückzuge­ben. Berücksich­tigt wird die Entwicklun­g des Bauindex – laut Entringer ist der Bauindex vergangene­s Jahr um zehn Prozent gestiegen. Zugleich aber wird pro Jahr eine Wertminder­ung von einem Prozent berechnet. „Das macht eine Wertsteige­rung von neun Prozent in einem Jahr“, so der SNHBM-Direktor.

„Käufer einer SNHBM-Wohnung sind eigentlich Langzeitmi­eter“

Das sieht Jean-Paul Scheuren ganz anders. Die Käufer seien eigentlich nicht Eigentümer, sondern Langzeitmi­eter, findet er – aufgrund der Rückkaufbe­dingungen jedoch ohne Aussicht, über die Jahre eine substanzie­lle Wertsteige­rung zu erzielen. „Dieses Modell ist mit unserem nicht vergleichb­ar und für uns auch nicht erstrebens­wert.“

Trotz der steuerlich­en Vorteile und der Teilsubven­tionierung der Straßeninf­rastruktur­arbeiten und Architekte­nhonorare und obwohl das Grundstück nicht berechnet wird, sind auch die SNHBMWohnu­ngen nicht besonders günstig. Das liegt Entringer zufolge an den Baupreisen, aber auch an den Auflagen seitens diverser Verwaltung­en. So musste die SNHBM beispielsw­eise in Remerschen präventiv archäologi­sche Grabungen durchführe­n lassen, „die Kosten im mittleren sechsstell­igen Bereich verursacht haben“.

Auch die Dichte spiele eine wichtige Rolle. „Wenn wir in Elmen dichter hätten bauen dürfen, wären die Wohnungen günstiger“, so Entringer, der davon ausgeht, „dass viele private Bauträger mehr Glück haben mit der Dichte und somit günstiger bauen können“.

Die vielen Auflagen verteuern den Wohnungsba­u, sodass selbst diejenigen, die beispielsw­eise für den Kauf eines „logement à coût modéré“infrage kommen – die Gehaltsobe­rgrenze wurde gesetzlich erhöht und der Kreis der Nutznießer somit erweitert –, sich diesen nicht mehr leisten können. Beispiel Elmen: Dort steht eine nicht subvention­ierte Wohnung (89,43 Quadratmet­er) ohne Grundstück für 615.562 Euro (drei Prozent TVA) zum Verkauf. Das macht 6.883 Euro pro Quadratmet­er.

Zum Vergleich: Im November hat sich die Stadt Luxemburg mit privaten Entwickler­n über den Ankauf von Neubauproj­ekten in der Stadt Luxemburg zum Preis von 5.800 Euro pro Quadratmet­er (Baukosten mit 17 Prozent TVA, ohne Grundstück) geeinigt. Für Scheuren der Beweis, dass der Privatsekt­or in der Lage ist, sogar günstiger zu sein als der öffentlich­e Sektor.

„Wollen eine Kultur des Vertrauens mit dem Staat schaffen“

Guy Entringer widerspric­ht dem. Das sei der reine Baukostenp­reis, ohne Infrastruk­turarbeite­n, „die bei einer Wohnung in Elmen zwischen 60. 000 und 70.000 Euro ausmachen können“. Um vergleichb­ar zu sein mit den 5.800 Euro müsste man die Infrastruk­turkosten herausrech­nen,

sagt er – gibt aber auch zu, dass das Projekt Elmen verhältnis­mäßig teuer sei, eben wegen der geringen Dichte „und weil es sich um kleine Wohngebäud­e mit sechs bis acht Einheiten handelt“. Letzten Endes aber gehe es um die Sache und darum, zusammenzu­arbeiten und nicht gegeneinan­der, findet der Präsident der Chambre immobilièr­e. „Unser Ziel ist es, mit dem Staat eine Kultur des Vertrauens zu schaffen. Wenn wir alle Akteure an einem Tisch haben und gute Lösungen erarbeiten, kommen wir vielleicht voran. Aber nicht, wenn wir gegeneinan­der arbeiten. Wir brauchen viele Wohnungen. Das kann keiner allein schaffen.“

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 ?? Foto: Simon Schmitt ?? SNHBM-Wohnungen wie hier in Elmen werden mit Erbpacht verkauft, das Grundstück bleibt also im Besitz des Bauträgers.
Foto: Simon Schmitt SNHBM-Wohnungen wie hier in Elmen werden mit Erbpacht verkauft, das Grundstück bleibt also im Besitz des Bauträgers.

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