„Privatsektor hat sich nie für erschwinglichen Wohnungsbau interessiert“
SNHBM-Direktor Guy Entringer kritisiert die privaten Bauträger auf RTL. Jean-Paul Scheuren von der Chambre immobilière will das nicht auf sich sitzen lassen
olange der Wohnungsmarkt geboomt hat, hatten die privaten Bauträger kein Interesse, erschwingliche Wohnungen zu bauen. Erst jetzt entdecken sie den erschwinglichen Wohnungsmarkt“, sagt der Direktor der Société des habitations à bon marché (SNHBM), Guy Entringer am Freitagmorgen auf RTL. Eine Behauptung, der Jean-Paul Scheuren, Präsident der Immobilienkammer, vehement widerspricht.
„Seit 15 Jahren intervenieren wir bei jeder Regierung, damit der Bereich des subventionierten Wohnungsbaus auch für private Bauträger geöffnet wird. Das soll laut dem Koalitionsvertrag jetzt kommen“, erklärt Scheuren. Der erschwingliche Wohnungsbau sei ein sehr wichtiges Thema „und nicht etwas, was wir jetzt erst entdecken. Aber erst jetzt eröffnet sich für uns die Gelegenheit, mitzumachen“.
„Haben das Prinzip nie infrage gestellt“
Dass der Privatsektor mit erschwinglichem Wohnraum nichts zu tun haben wolle, sei auch dahingehend falsch, als die Bauträger laut dem Pacte logement 2.0 und dem damit verbundenen Artikel 29bis gesetzlich verpflichtet seien, bei neuen Wohnungsbauprojekten einen bestimmten Anteil an erschwinglichen Wohnungen zu bauen und an die öffentliche Hand abzutreten. „Wir haben dieses Prinzip nie infrage gestellt“, sagt Scheuren.
Die privaten Bauträger und Immobilienentwickler seien bereit, mitzumachen. Die Immobilienkammer habe zu diesem Zweck eine neue Sektion gegründet und sieben Arbeitsgruppen ins Leben gerufen, die auf verschiedenen Themen arbeiten und neue Ideen entwickeln. Eine davon widmet sich ganz dem Thema „logement abordable“. Laut Scheuren wirken 90 Prozent der privaten Immobilienentwickler in diesen Arbeitsgruppen mit.
Die SNHBM ist ein öffentlicher Bauträger, genau wie der Fonds du logement (FDL) und die Gemeinden. Der Bau von Mietwohnungen wird vom Staat zu 75 Prozent subventioniert. Für den Bau einer Verkaufswohnung erhält der öffentliche Bauträger keine Subventionen. Einzig die Straßeninfrastrukturarbeiten und die Architektenhonorare werden vom Staat zu 50 Prozent übernommen – „unter der Bedingung, dass der Käufer ein Recht auf staatliche Bauprämien hat“, so Guy Entringer auf Nachfrage des „Luxemburger Wort“. Die Subventionierung komme nicht der SNHBM zugute, sondern dem Kunden.
Keine Gewinnsteuer, keine Eintragungsgebühr
Die SNHBM ist eine Aktiengesellschaft, ist also darauf angewiesen, Gewinne zu machen, um über die Runden zu kommen und weiter zu investieren, so wie die privaten Gesellschaften auch. Doch anders als private Immobiliengesellschaften zahlt die SNHBM keine Steuern auf ihrem Gewinn und keine Eintragungsgebühr (droit d‘enregistrement) beim Kauf von Grundstücken oder Immobilien, also auch nicht auf dem Rückkauf ihrer eigenen Wohnungen.
Laut einer parlamentarischen Frage von der damaligen CSV-Abgeordneten Elisabeth Margue vom Dezember 2022 hat die SNHBM zwischen 2018 und 2022 knapp 40 Wohnungen, die sie mit Erbpacht verkauft hatte, mittels ihres Vorkaufsrechts zurückerworben, ohne droit d‘enregistrement darauf zu zahlen. Die Käufer aber schon.
„Die SNHBM hat steuerliche Vorteile, die private Immobiliengesellschaften nicht haben“, findet Jean-Paul Scheuren. Von Wettbewerbsverzerrung aber will er nicht sprechen. Das Verkaufsmodell der SNHBM sei mit dem privaten Verkaufsmodell, bei dem der Käufer Eigentümer des Grundstücks ist, nicht vergleichbar, findet er. „Wir bedienen eine andere Kundschaft als der private Markt“, sagt auch Guy Entringer.
Wer bei einem öffentlichen Bauträger kauft, ist nicht Eigentümer des Grundstücks und ist verpflichtet, das Objekt im Verkaufsfall zu festgelegten Bedingungen an den Bauträger zurückzugeben. Berücksichtigt wird die Entwicklung des Bauindex – laut Entringer ist der Bauindex vergangenes Jahr um zehn Prozent gestiegen. Zugleich aber wird pro Jahr eine Wertminderung von einem Prozent berechnet. „Das macht eine Wertsteigerung von neun Prozent in einem Jahr“, so der SNHBM-Direktor.
„Käufer einer SNHBM-Wohnung sind eigentlich Langzeitmieter“
Das sieht Jean-Paul Scheuren ganz anders. Die Käufer seien eigentlich nicht Eigentümer, sondern Langzeitmieter, findet er – aufgrund der Rückkaufbedingungen jedoch ohne Aussicht, über die Jahre eine substanzielle Wertsteigerung zu erzielen. „Dieses Modell ist mit unserem nicht vergleichbar und für uns auch nicht erstrebenswert.“
Trotz der steuerlichen Vorteile und der Teilsubventionierung der Straßeninfrastrukturarbeiten und Architektenhonorare und obwohl das Grundstück nicht berechnet wird, sind auch die SNHBMWohnungen nicht besonders günstig. Das liegt Entringer zufolge an den Baupreisen, aber auch an den Auflagen seitens diverser Verwaltungen. So musste die SNHBM beispielsweise in Remerschen präventiv archäologische Grabungen durchführen lassen, „die Kosten im mittleren sechsstelligen Bereich verursacht haben“.
Auch die Dichte spiele eine wichtige Rolle. „Wenn wir in Elmen dichter hätten bauen dürfen, wären die Wohnungen günstiger“, so Entringer, der davon ausgeht, „dass viele private Bauträger mehr Glück haben mit der Dichte und somit günstiger bauen können“.
Die vielen Auflagen verteuern den Wohnungsbau, sodass selbst diejenigen, die beispielsweise für den Kauf eines „logement à coût modéré“infrage kommen – die Gehaltsobergrenze wurde gesetzlich erhöht und der Kreis der Nutznießer somit erweitert –, sich diesen nicht mehr leisten können. Beispiel Elmen: Dort steht eine nicht subventionierte Wohnung (89,43 Quadratmeter) ohne Grundstück für 615.562 Euro (drei Prozent TVA) zum Verkauf. Das macht 6.883 Euro pro Quadratmeter.
Zum Vergleich: Im November hat sich die Stadt Luxemburg mit privaten Entwicklern über den Ankauf von Neubauprojekten in der Stadt Luxemburg zum Preis von 5.800 Euro pro Quadratmeter (Baukosten mit 17 Prozent TVA, ohne Grundstück) geeinigt. Für Scheuren der Beweis, dass der Privatsektor in der Lage ist, sogar günstiger zu sein als der öffentliche Sektor.
„Wollen eine Kultur des Vertrauens mit dem Staat schaffen“
Guy Entringer widerspricht dem. Das sei der reine Baukostenpreis, ohne Infrastrukturarbeiten, „die bei einer Wohnung in Elmen zwischen 60. 000 und 70.000 Euro ausmachen können“. Um vergleichbar zu sein mit den 5.800 Euro müsste man die Infrastrukturkosten herausrechnen,
sagt er – gibt aber auch zu, dass das Projekt Elmen verhältnismäßig teuer sei, eben wegen der geringen Dichte „und weil es sich um kleine Wohngebäude mit sechs bis acht Einheiten handelt“. Letzten Endes aber gehe es um die Sache und darum, zusammenzuarbeiten und nicht gegeneinander, findet der Präsident der Chambre immobilière. „Unser Ziel ist es, mit dem Staat eine Kultur des Vertrauens zu schaffen. Wenn wir alle Akteure an einem Tisch haben und gute Lösungen erarbeiten, kommen wir vielleicht voran. Aber nicht, wenn wir gegeneinander arbeiten. Wir brauchen viele Wohnungen. Das kann keiner allein schaffen.“