Schmits Chancen auf EU-weite Spitzenkandidatur steigen
Der LSAP-Politiker Nicolas Schmit sei „eine absolut seriöse und überzeugende Person“, um die Kampagne der EU-Sozialisten zu leiten, so die deutsche SPD
Wer im Brüsseler EU-Mikrokosmos sicherstellen will, dass eine Botschaft ankommt, erzählt sie am besten dem Online-Nachrichtenportal Politico. Die freche Webseite gehört für viele Politiker, Lobbyisten, Beamte und Diplomaten zur morgendlichen Pflichtlektüre.
Dass Jens Geier, ein respektierter und erfahrener EU-Parlamentarier der SPD, sich in einem Gespräch mit diesem Medium entschieden hinter Nicolas Schmit stellt, kann als Zeichen gedeutet werden: Die deutschen Sozialdemokraten werden den derzeitigen Luxemburger EU-Kommissar wohl unterstützen, um die EU-weite Kampagne der europäischen Sozialdemokraten bei den anstehenden Europawahlen im Juni zu leiten.
Nicolas Schmit „ist in meinen Augen eine absolut seriöse und überzeugende Person für den Job (des EU-Spitzenkandidaten). Von weiteren Namen habe ich bisher noch nichts gehört“, so Jens Geier. „Er ist ein leistungsstarkes Mitglied der von der LeyenKommission, er hat eine beeindruckende Bilanz, wenn es um gesellschaftlichen Wandel geht … und er ist bei Gewerkschaften und fortschrittlichen Kräften in Europa bekannt und akzeptiert.“
Auch wenn in Brüssel über die genaue Bedeutung der Botschaft und wie geschlossen die SPD dahintersteht gerätselt wird, klingt alles stark nach einem „Endorsement“für Schmit, der bislang der Einzige ist, der Interesse für den Job angemeldet hat. Und Jens Geier ist immerhin Vorsitzender der SPD im EU-Parlament.
Entscheidung im März
„Das interne Auswahlverfahren läuft und ich höre, dass mein Name dabei zirkuliert“, sagte der LSAP-Politiker dem „Luxemburger Wort“Mitte November 2023. „Sollte ich zum Schluss gefragt werden, würde ich den Auftrag auch annehmen“, so der derzeitige EU-Kommissar für Beschäftigung und Soziales. Und da Schmit bislang der Einzige ist, der am Job interessiert zu sein scheint und mit der Unterstützung der deutschen Sozialdemokraten rechnen kann, stehen seine Chancen derzeit tatsächlich gut, um EU-weiter Spitzenkandidat der Sozialdemokraten zu werden.
Potenzielle Kandidaten haben bis zum 17. Januar Zeit, ihr Interesse für die Rolle anzumelden. Kandidaten müssen von einer Partei oder Organisation, die Mitglied der europäischen Sozialdemokraten (PES) ist, nominiert werden und die Unterstützung von neun Parteien und/oder Organisationen haben. Die endgültige Entscheidung soll dann auf einem Parteikongress am 2. März in Rom getroffen werden. LSAP-CoPräsidentin Francine Closener sagte dem Radio 100,7, ihre Partei werde Nicolas Schmit als Kandidat offiziell vorschlagen.
Die anderen europäischen Parteien sind derzeit auch dabei, ihre Spitzenkandidaten auszusuchen, um in den EU-Wahlkampf zu ziehen. Das System der Spitzenkandidaten sieht vor, dass jede europäische Parteienfamilie einen Politiker (oder im Falle der Grünen zwei) nominiert, um die EU-Wahlkampagne auf dem ganzen Kontinent zu leiten. Danach soll jener Kandidat, der nach den EU-Wahlen eine Mehrheit im EU-Parlament um sich versammeln kann, die Europäische Kommission leiten. Doch 2019 wur
de das System von den Staats- und Regierungschefs übergangen. Sie entschieden damals, Ursula von der Leyen zur EU-Kommissionschefin zu machen, die sich nicht am Europawahlkampf beteiligt hatte. Spitzenkandidat ihrer Europäischen Volkspartei (EVP) war dagegen der CSU-Politiker Manfred Weber. Ob das System 2024 erfolgreich enden wird, ist derzeit unklar. Dass es vollkommen bedeutungslos sein wird, ist allerdings schwer vorstellbar.
Dilemma für Luc Frieden
Für Luxemburgs Premierminister Luc Frieden (CSV) kann die europäische Spitzenkandidatur von Nicolas Schmit noch für Kopfzerbrechen sorgen. Wenn die europäischen Sozialdemokraten ein respektables Resultat bei den EU-Wahlen einfahren, werden sie einen wichtigen Posten bei der darauffolgenden Vergabe von EU-Topjobs für ihren Spitzenkandidaten einfordern. Das muss nicht unbedingt die Präsidentschaft der EU-Kommission sein – eine Schlüsselposition als Vize-Prä
sident in der Brüsseler Behörde wäre auch denkbar.
Für Frieden wäre es kompliziert, dies zu ignorieren. Gleichzeitig wäre die Angelegenheit politisch heikel. EU-Kommissare werden nämlich von den nationalen Regierungen vorgeschlagen und dem Vernehmen nach wurde Christophe Hansen, der derzeit Chamber-Mitglied ist, der Posten in Brüssel während den Koalitionsverhandlungen versprochen. Sollte Nicolas Schmit aber, weil er erfolgreicher Spitzenkandidat der Sozialisten war, einen wichtigen Kommissionsposten für Luxemburg angeboten bekommen, würde Frieden im Juni vor einem Dilemma stehen: Besteht er dann auf Hansen, so muss er wohl aus parteipolitischen Gründen einen prestige- und einflussreichen Posten für Luxemburg opfern.
Die niederländische Regierung von Mark Rutte befand sich 2019 in einer ähnlichen Lage: Damals war Frans Timmermans EUweiter Spitzenkandidat der Sozialdemokraten. Seine Partei war in Den Haag allerdings in der Opposition. Nach einer guten EU-Kampagne der Sozialdemokraten pochte die sozialdemokratische Fraktion im EUParlament dann bei der Verteilung der TopJobs auf einen einflussreichen Posten für ihren Spitzenkandidaten. Timmermans wurde die Vize-Präsidentschaft der EUKommission und die Leitung der Klimapolitik der EU angeboten. Rutte entschied damals, sich der Ernennung nicht in den Weg zu stellen – er verzichtete auf die Nominierung eines EU-Kommissars aus den Reihen der damaligen Regierungsparteien. Aus patriotischen Gründen sozusagen.
Nicolas Schmit hat eine beeindruckende Bilanz, wenn es um gesellschaftlichen Wandel geht. Jens Geier, SPD-Mitglied