Bei der Klimapolitik kommt es auf Fakten statt Panikmache an
Der Klimawandel ist nicht durch Untergangsstimmung zu bremsen
Luc Friedens Interview zum Jahresanfang mit Caroline Mart auf RTL sorgte für viel Aufregung. Vielfach wurde dem Premier vorgeworfen, er benehme sich wie ein Unternehmer, der kein Interesse an Umwelt- wie Klimaproblematik habe.
Es ist nichts Ehrenrühriges dabei, wenn ein Premierminister sich als „Chief Executive Officer“der „Luxemburg A.G.“fühlt. Gewiss, ein Staat ist keine Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Und hat andere Ziele zu verfolgen als schnödes Gewinnstreben. Dennoch ist es nicht verboten, einen Staat mit privatwirtschaftlichem Initiativ- und Innovationsgeist führen zu wollen. Zumindest so lange die Konten stimmen.
Nun gibt es gute wie schlechte CEO. Zu welcher Kategorie „de neie Luc“gehört, werden die nächsten Monate zeigen. Vorverurteilungen sind immer falsch. Kein CEO kann es sich heute erlauben, die Umwelt- und Klimaproblematik zu ignorieren. Der Premier und die Regierung sind eingebunden in internationale und europäische Verpflichtungen.
Wobei ein Land unserer Größe eher symbolische Beiträge zum Kampf gegen den Klimawandel leisten kann. Wir tragen trotz Tanktourismus weniger als 0,02 Prozent zu den globalen Klimagasen bei. Das ist geringer als die Klimabelastung durch einen Monat Krieg in der Ukraine oder in Gaza. Immerhin wird der jährliche Anteil der Militärs an den Klimagasen auf 5,5 Prozent geschätzt. Mehr als die zivile Schiff- und Luftfahrt zusammen.
Deshalb ist es nicht falsch, wenn Premier Frieden von einer „globalen Verantwortung“redet, auf „technologischen Fortschritt“setzt, und meint, man solle „weniger verkrampft“mit der Problematik umgehen.
Kampf ohne Krampf
Genau hier hapert es. Liest man aufgeregte Leitartikler und selbst ernannte Klimaaktivisten, steht unser Land vor dem Kollaps. Alle Medien meldeten zum Jahresbeginn, der nationale Wetterdienst ASTA habe 2023 als „das zweitwärmste seit 1838“ermittelt. Für die Meteo-Station vom Findel war das Jahr 2023 das viertwärmste seit Beginn ihrer Erhebungen im Jahr 1947. Einig waren sich ASTA und Meteolux bei der Berechnung des Mittelwerts für das vergangene Jahr: 10,9 Grad Celsius.
Da jeden Tag quer über den Globus die Temperaturen zwischen minus 60 Grad und plus 50 Grad schwanken, ergibt ein Jahresmittel von selbst elf Grad Celsius nicht einmal subtropische Verhältnisse. Zwar kaschieren Mittelwerte hohe Temperaturen. Etwa die 33,4 Grad, die im Juni 2023 gemessen wurden, oder der Rekordwert von 39 Grad Celsius vom Sommer 2019.
Solche Fakten sind keine Verleugnung des Klimawandels. Dennoch ist es schlicht und ergreifend eine Lüge, die Luxemburger als die größten Umwelt-Frevler nach Katar zu verteufeln, die schon Anfang Februar ihr Jahresbudget an CO2 aufgebraucht hätten. Der angebliche „Overshoot-Day“ist eine unwissenschaftliche Statistik einer NGO, die nur die Residenzbevölkerung berücksichtigt. Obwohl 225.000 Grenzgänger unser Sozialprodukt mitgestalten. Luxemburg beherbergt dank vielfältiger Aktivitäten wo
chentäglich gut eine Million Menschen. Alle mit Fußabdruck. Unter den vier Millionen Findel-Passagieren sind die Luxemburger in der Minderheit.
Tanktourismus als falscher Bösewicht
An der nationalen Umwelt-Klagemauer wird der Tanktourismus als die Wurzel alles Übels angeprangert. Jean-Marc Zahlen, Energie- und Umweltberater der FEDIL, legte einen erhellenden Faktenscheck vor. Dank einer günstigen Preisstruktur werden circa 70 Prozent aller hierzulande getankten Treibstoffe über ausländische Fahrzeuge exportiert. Die Emissionen werden Luxemburg angerechnet. Der Staat kassiert dafür zwischen 1,5 bis 1,7 Milliarden Euro jährlich, fast zehn Prozent der staatlichen Einnahmen. Der Sektor, der 3.600 Arbeitsplätze bietet, sorgt also dafür, dass die Einheimischen an die zehn Prozent weniger Steuern zahlen müssen.
Negativ wirkt sich aus, dass Luxemburg im Rahmen der europäischen Dekarbonisierungspolitik zusätzliche Taxen auf Benzin und vor allem Diesel einführte. So fiel im Jahr 2022 der Verkauf von Diesel um 31 Prozent. Für die spritfressenden Laster lag der Rückgang der Tankvolumen gar bei minus 52 Prozent. Der staatliche Einnahmeverlust betrug 250 Millionen Euro.
Das nutzte der Umwelt rein gar nichts. Die Tankvorgänge erfolgten im Grenzgebiet, vornehmlich in Belgien. Die Zählungen der Straßenbau-Verwaltung ergeben keinen Rückgang des Transitverkehrs. Die gleiche Menge an LKWs passiert unser Land, emittiert Klimagase, verursacht Schäden an der Straßen-Infrastruktur für die wir aufkommen müssen. Ohne die Einnahmen, da anderswo getankt wird.
Nun steht Luxemburg in der Pflicht, bis 2030 die durch die Tankvorgänge induzierten CO2-Emissionen um 55 Prozent zu
reduzieren. Der FEDIL-Experte rechnete aus, man könne dieses Ziel durch das Kaufen von CO2-Reduzierungs-Zertifikaten erreichen. Zu einem Kostenpunkt von etwa 35 Prozent der Einnahmen aus dem Diesel-Verkauf. Eine solche Politik würde zu einer echten Reduzierung der globalen Emissionen führen. Was durch die derzeitige Verschiebung der Tankvorgänge innerhalb der Großregion nicht erreicht wird.
Die Regierung will sich einige Monate Zeit geben, um die Subsidien-Politik zu überdenken. Ein „unverkrampftes“Vorgehen sollte dazu führen, dass die großzügigen Prämien beim Kauf der Tesla und Co abzuschaffen wären. Leute, welche sich ein E-Mobil von Range Rover, Porsche, Mercedes oder BMW leisten können, benötigen keinen vom Steuerzahler gesponsorten Zuschuss von 8.000 Euro. Nahezu die Hälfte aller E-Mobile sind ohnehin Firmenwagen. Die meisten anderen E-Mobile sind Zweit- oder gar Drittwagen.
Wollte die Regierung einen wirklichen Beitrag zur Dekarbonisierung unseres Autoparks leisten, drängte sich die Schaffung einer Abwrackprämie auf. Unter der halben Million Fahrzeuge mit luxemburgischen Kennzeichen haben etwa die Hälfte zehn und mehr Jahre auf dem Buckel. Oft wahre Drecksschleudern. Moderne Diesel-Fahrzeuge haben eine bessere Umweltbilanz als viele E-Mobile. Die wegen der Tonnenlast ihrer Batterien größere Reifen benötigen, deshalb durch Abrieb wie beim Bremsen mehr Feinstaub emittieren.
Ängste der „Kollapsologen“
Für Klima-Aktivisten ist Nachdenklichkeit verdächtig. Sie sind gefangen in ihren Gewissheiten. Dazu gehört die „Kollapsologie“, das imminente Eintreten von unwiderruflichen Kipppunkten beim Klima.
Caroline Mart versuchte herauszufinden, ob Luc Frieden die Berichte des Weltklimarates IPCC gelesen hätte. Was dieser beteuerte. Weil die TV-Moderatorin daraufhin auf die vermeintlichen „Kipppunkte“zu sprechen kam, und Frieden nur besorgt schluckte, konnte man erkennen, dass beide die IPCC-Berichte nicht gelesen haben. Oder bestenfalls sehr oberflächlich.
Der letzte IPCC-Bericht umfasst 3.949 Seiten. Die „alles Leben bedrohenden Kipppunkte“werden genau analysiert. Etwa das Ausbleiben des Golfstroms. Für den IPCC „very unlikely“. Der totale Kollaps der Eisschilde vor Grönland oder der West-Antarktis wird als „exceptionnally unlikely“eingestuft. Für ein Auftauen der Permafrost-Böden gibt es bloß „low confidence“, eine geringe Gefahr. Ebenfalls „geringes Vertrauen“haben die IPCCWissenschaftler in Voraussagen über „ausgedehnte Dürreperioden“oder dem totalen Aussetzen der „Monsun-Zirkulation“.
Glaubt man der Wissenschaft und nicht den Klima-Klebern, ist Friedens „unverkrampfte“Herangehensweise gerechtfertigt. Die Klima-Ziele, maximal plus zwei Grad, besser plus 1,5° Grad Celsius, wurden nicht von Wissenschaftlern ermittelt, sondern von der Politik festgelegt.
Für die Wissenschaft ist das 1,5-GradZiel durch die von den COP-Staaten initiierten Maßnahmen nicht zu erreichen. Für den IPCC ist überdies die Energieversorgung nicht allein durch Sonne, Wind und Wasserkraft zu gewährleisten. Andere Technologien müssten eingesetzt werden: Atomkraft, Wasserstoff, dazu Carbon Capture. Wofür es noch vieler technologischer Sprünge bedarf.
CEO Frieden wäre deshalb gut beraten, seine Direktoren für Energie und Umwelt, Delles und Wilmes, anzuhalten, in Brüssel ihre Blockadepolitik gegen Nuklear und CCS aufzugeben.
Luxemburg steht besser da als oft dargestellt
Der Bau eines Kernkraftwerkes in Luxemburg ist keine Option. Unsere nationale Energieversorgung auf Erneuerbare aufzubauen, ist ebenfalls eine Illusion. Im Jahr 2023 zählte der nationale Wetterdienst 1.852 Sonnenstunden. Nun umfasst ein Jahr 365 x 24 = 8.760 Stunden. In diesem Schaltjahr gar 8.784 Stunden. Bleiben fast 7.000 Stunden mit wenig oder keiner Sonneneinwirkung. Minister Delles mag jede Menge Photovoltaik-Anlagen vorfinanzieren. An zusätzlichen Stromimporten als Backup für nur zeitweise produzierende Solar-Panels wird er nicht vorbeikommen. Es gibt Probleme. Dennoch hat Umweltminister Serge Wilmes recht mit seiner Aussage, er wolle „keine Untergangsstimmung verbreiten“.
Immerhin steht beim Klimaschutz unser Land besser da, als von manchen Endzeitpropheten bejammert. Eine Studie der Europäischen Umweltagentur über die Treibhausgas-Emissionen der EU klassierte die 27 Staaten nach ihren Emissionen pro Einheit des Bruttoinlandsprodukts. Gemessen an der Wirtschaftsleistung rangiert Luxemburg nach Schweden und Dänemark an dritter Stelle für die Effizienz seiner Energienutzung. 2022 emittierte Luxemburg pro Million Euro BIP 151 Tonnen CO2-Äquivalent. Frankreich, dank seiner Kernkraft, kam auf 179 Tonnen. Deutschland, Land der Energiewende, auf 237 Tonnen. Polen, Land der Kohle, emittierte 742 Tonnen.
Es gibt hierzulande zu viele Politiker, Journalisten und Aktivisten, die sich darin gefallen, die Zukunft in düstersten Farben zu schildern. Glücklicherweise sprechen die Fakten eine andere Sprache.
Für Klima-Aktivisten ist Nachdenklichkeit verdächtig. Sie sind gefangen in ihren Gewissheiten.