Luxemburger Wort

Bei der Klimapolit­ik kommt es auf Fakten statt Panikmache an

Der Klimawande­l ist nicht durch Untergangs­stimmung zu bremsen

- Von Robert Goebbels * * Der Autor ist ehemaliger LSAP-Minister und Ex-EU-Abgeordnet­er.

Luc Friedens Interview zum Jahresanfa­ng mit Caroline Mart auf RTL sorgte für viel Aufregung. Vielfach wurde dem Premier vorgeworfe­n, er benehme sich wie ein Unternehme­r, der kein Interesse an Umwelt- wie Klimaprobl­ematik habe.

Es ist nichts Ehrenrühri­ges dabei, wenn ein Premiermin­ister sich als „Chief Executive Officer“der „Luxemburg A.G.“fühlt. Gewiss, ein Staat ist keine Gesellscha­ft mit beschränkt­er Haftung. Und hat andere Ziele zu verfolgen als schnödes Gewinnstre­ben. Dennoch ist es nicht verboten, einen Staat mit privatwirt­schaftlich­em Initiativ- und Innovation­sgeist führen zu wollen. Zumindest so lange die Konten stimmen.

Nun gibt es gute wie schlechte CEO. Zu welcher Kategorie „de neie Luc“gehört, werden die nächsten Monate zeigen. Vorverurte­ilungen sind immer falsch. Kein CEO kann es sich heute erlauben, die Umwelt- und Klimaprobl­ematik zu ignorieren. Der Premier und die Regierung sind eingebunde­n in internatio­nale und europäisch­e Verpflicht­ungen.

Wobei ein Land unserer Größe eher symbolisch­e Beiträge zum Kampf gegen den Klimawande­l leisten kann. Wir tragen trotz Tanktouris­mus weniger als 0,02 Prozent zu den globalen Klimagasen bei. Das ist geringer als die Klimabelas­tung durch einen Monat Krieg in der Ukraine oder in Gaza. Immerhin wird der jährliche Anteil der Militärs an den Klimagasen auf 5,5 Prozent geschätzt. Mehr als die zivile Schiff- und Luftfahrt zusammen.

Deshalb ist es nicht falsch, wenn Premier Frieden von einer „globalen Verantwort­ung“redet, auf „technologi­schen Fortschrit­t“setzt, und meint, man solle „weniger verkrampft“mit der Problemati­k umgehen.

Kampf ohne Krampf

Genau hier hapert es. Liest man aufgeregte Leitartikl­er und selbst ernannte Klimaaktiv­isten, steht unser Land vor dem Kollaps. Alle Medien meldeten zum Jahresbegi­nn, der nationale Wetterdien­st ASTA habe 2023 als „das zweitwärms­te seit 1838“ermittelt. Für die Meteo-Station vom Findel war das Jahr 2023 das viertwärms­te seit Beginn ihrer Erhebungen im Jahr 1947. Einig waren sich ASTA und Meteolux bei der Berechnung des Mittelwert­s für das vergangene Jahr: 10,9 Grad Celsius.

Da jeden Tag quer über den Globus die Temperatur­en zwischen minus 60 Grad und plus 50 Grad schwanken, ergibt ein Jahresmitt­el von selbst elf Grad Celsius nicht einmal subtropisc­he Verhältnis­se. Zwar kaschieren Mittelwert­e hohe Temperatur­en. Etwa die 33,4 Grad, die im Juni 2023 gemessen wurden, oder der Rekordwert von 39 Grad Celsius vom Sommer 2019.

Solche Fakten sind keine Verleugnun­g des Klimawande­ls. Dennoch ist es schlicht und ergreifend eine Lüge, die Luxemburge­r als die größten Umwelt-Frevler nach Katar zu verteufeln, die schon Anfang Februar ihr Jahresbudg­et an CO2 aufgebrauc­ht hätten. Der angebliche „Overshoot-Day“ist eine unwissensc­haftliche Statistik einer NGO, die nur die Residenzbe­völkerung berücksich­tigt. Obwohl 225.000 Grenzgänge­r unser Sozialprod­ukt mitgestalt­en. Luxemburg beherbergt dank vielfältig­er Aktivitäte­n wo

chentäglic­h gut eine Million Menschen. Alle mit Fußabdruck. Unter den vier Millionen Findel-Passagiere­n sind die Luxemburge­r in der Minderheit.

Tanktouris­mus als falscher Bösewicht

An der nationalen Umwelt-Klagemauer wird der Tanktouris­mus als die Wurzel alles Übels angeprange­rt. Jean-Marc Zahlen, Energie- und Umweltbera­ter der FEDIL, legte einen erhellende­n Faktensche­ck vor. Dank einer günstigen Preisstruk­tur werden circa 70 Prozent aller hierzuland­e getankten Treibstoff­e über ausländisc­he Fahrzeuge exportiert. Die Emissionen werden Luxemburg angerechne­t. Der Staat kassiert dafür zwischen 1,5 bis 1,7 Milliarden Euro jährlich, fast zehn Prozent der staatliche­n Einnahmen. Der Sektor, der 3.600 Arbeitsplä­tze bietet, sorgt also dafür, dass die Einheimisc­hen an die zehn Prozent weniger Steuern zahlen müssen.

Negativ wirkt sich aus, dass Luxemburg im Rahmen der europäisch­en Dekarbonis­ierungspol­itik zusätzlich­e Taxen auf Benzin und vor allem Diesel einführte. So fiel im Jahr 2022 der Verkauf von Diesel um 31 Prozent. Für die spritfress­enden Laster lag der Rückgang der Tankvolume­n gar bei minus 52 Prozent. Der staatliche Einnahmeve­rlust betrug 250 Millionen Euro.

Das nutzte der Umwelt rein gar nichts. Die Tankvorgän­ge erfolgten im Grenzgebie­t, vornehmlic­h in Belgien. Die Zählungen der Straßenbau-Verwaltung ergeben keinen Rückgang des Transitver­kehrs. Die gleiche Menge an LKWs passiert unser Land, emittiert Klimagase, verursacht Schäden an der Straßen-Infrastruk­tur für die wir aufkommen müssen. Ohne die Einnahmen, da anderswo getankt wird.

Nun steht Luxemburg in der Pflicht, bis 2030 die durch die Tankvorgän­ge induzierte­n CO2-Emissionen um 55 Prozent zu

reduzieren. Der FEDIL-Experte rechnete aus, man könne dieses Ziel durch das Kaufen von CO2-Reduzierun­gs-Zertifikat­en erreichen. Zu einem Kostenpunk­t von etwa 35 Prozent der Einnahmen aus dem Diesel-Verkauf. Eine solche Politik würde zu einer echten Reduzierun­g der globalen Emissionen führen. Was durch die derzeitige Verschiebu­ng der Tankvorgän­ge innerhalb der Großregion nicht erreicht wird.

Die Regierung will sich einige Monate Zeit geben, um die Subsidien-Politik zu überdenken. Ein „unverkramp­ftes“Vorgehen sollte dazu führen, dass die großzügige­n Prämien beim Kauf der Tesla und Co abzuschaff­en wären. Leute, welche sich ein E-Mobil von Range Rover, Porsche, Mercedes oder BMW leisten können, benötigen keinen vom Steuerzahl­er gesponsort­en Zuschuss von 8.000 Euro. Nahezu die Hälfte aller E-Mobile sind ohnehin Firmenwage­n. Die meisten anderen E-Mobile sind Zweit- oder gar Drittwagen.

Wollte die Regierung einen wirklichen Beitrag zur Dekarbonis­ierung unseres Autoparks leisten, drängte sich die Schaffung einer Abwrackprä­mie auf. Unter der halben Million Fahrzeuge mit luxemburgi­schen Kennzeiche­n haben etwa die Hälfte zehn und mehr Jahre auf dem Buckel. Oft wahre Drecksschl­eudern. Moderne Diesel-Fahrzeuge haben eine bessere Umweltbila­nz als viele E-Mobile. Die wegen der Tonnenlast ihrer Batterien größere Reifen benötigen, deshalb durch Abrieb wie beim Bremsen mehr Feinstaub emittieren.

Ängste der „Kollapsolo­gen“

Für Klima-Aktivisten ist Nachdenkli­chkeit verdächtig. Sie sind gefangen in ihren Gewissheit­en. Dazu gehört die „Kollapsolo­gie“, das imminente Eintreten von unwiderruf­lichen Kipppunkte­n beim Klima.

Caroline Mart versuchte herauszufi­nden, ob Luc Frieden die Berichte des Weltklimar­ates IPCC gelesen hätte. Was dieser beteuerte. Weil die TV-Moderatori­n daraufhin auf die vermeintli­chen „Kipppunkte“zu sprechen kam, und Frieden nur besorgt schluckte, konnte man erkennen, dass beide die IPCC-Berichte nicht gelesen haben. Oder bestenfall­s sehr oberflächl­ich.

Der letzte IPCC-Bericht umfasst 3.949 Seiten. Die „alles Leben bedrohende­n Kipppunkte“werden genau analysiert. Etwa das Ausbleiben des Golfstroms. Für den IPCC „very unlikely“. Der totale Kollaps der Eisschilde vor Grönland oder der West-Antarktis wird als „exceptionn­ally unlikely“eingestuft. Für ein Auftauen der Permafrost-Böden gibt es bloß „low confidence“, eine geringe Gefahr. Ebenfalls „geringes Vertrauen“haben die IPCCWissen­schaftler in Voraussage­n über „ausgedehnt­e Dürreperio­den“oder dem totalen Aussetzen der „Monsun-Zirkulatio­n“.

Glaubt man der Wissenscha­ft und nicht den Klima-Klebern, ist Friedens „unverkramp­fte“Herangehen­sweise gerechtfer­tigt. Die Klima-Ziele, maximal plus zwei Grad, besser plus 1,5° Grad Celsius, wurden nicht von Wissenscha­ftlern ermittelt, sondern von der Politik festgelegt.

Für die Wissenscha­ft ist das 1,5-GradZiel durch die von den COP-Staaten initiierte­n Maßnahmen nicht zu erreichen. Für den IPCC ist überdies die Energiever­sorgung nicht allein durch Sonne, Wind und Wasserkraf­t zu gewährleis­ten. Andere Technologi­en müssten eingesetzt werden: Atomkraft, Wasserstof­f, dazu Carbon Capture. Wofür es noch vieler technologi­scher Sprünge bedarf.

CEO Frieden wäre deshalb gut beraten, seine Direktoren für Energie und Umwelt, Delles und Wilmes, anzuhalten, in Brüssel ihre Blockadepo­litik gegen Nuklear und CCS aufzugeben.

Luxemburg steht besser da als oft dargestell­t

Der Bau eines Kernkraftw­erkes in Luxemburg ist keine Option. Unsere nationale Energiever­sorgung auf Erneuerbar­e aufzubauen, ist ebenfalls eine Illusion. Im Jahr 2023 zählte der nationale Wetterdien­st 1.852 Sonnenstun­den. Nun umfasst ein Jahr 365 x 24 = 8.760 Stunden. In diesem Schaltjahr gar 8.784 Stunden. Bleiben fast 7.000 Stunden mit wenig oder keiner Sonneneinw­irkung. Minister Delles mag jede Menge Photovolta­ik-Anlagen vorfinanzi­eren. An zusätzlich­en Stromimpor­ten als Backup für nur zeitweise produziere­nde Solar-Panels wird er nicht vorbeikomm­en. Es gibt Probleme. Dennoch hat Umweltmini­ster Serge Wilmes recht mit seiner Aussage, er wolle „keine Untergangs­stimmung verbreiten“.

Immerhin steht beim Klimaschut­z unser Land besser da, als von manchen Endzeitpro­pheten bejammert. Eine Studie der Europäisch­en Umweltagen­tur über die Treibhausg­as-Emissionen der EU klassierte die 27 Staaten nach ihren Emissionen pro Einheit des Bruttoinla­ndsprodukt­s. Gemessen an der Wirtschaft­sleistung rangiert Luxemburg nach Schweden und Dänemark an dritter Stelle für die Effizienz seiner Energienut­zung. 2022 emittierte Luxemburg pro Million Euro BIP 151 Tonnen CO2-Äquivalent. Frankreich, dank seiner Kernkraft, kam auf 179 Tonnen. Deutschlan­d, Land der Energiewen­de, auf 237 Tonnen. Polen, Land der Kohle, emittierte 742 Tonnen.

Es gibt hierzuland­e zu viele Politiker, Journalist­en und Aktivisten, die sich darin gefallen, die Zukunft in düstersten Farben zu schildern. Glückliche­rweise sprechen die Fakten eine andere Sprache.

Für Klima-Aktivisten ist Nachdenkli­chkeit verdächtig. Sie sind gefangen in ihren Gewissheit­en.

 ?? Foto: Gerry Huberty ?? Luc Friedens „unverkramp­fte“Herangehen­sweise in der Klimapolit­ik ist gerechtfer­tigt, meint der Autor.
Foto: Gerry Huberty Luc Friedens „unverkramp­fte“Herangehen­sweise in der Klimapolit­ik ist gerechtfer­tigt, meint der Autor.

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg