Luxemburger Wort

Was die Integratio­n von Geflüchtet­en lähmt

Sprache, Arbeit oder Wohnung: Asylsuchen­de müssen viele Hürden überwinden. Um ihre Einglieder­ung zu verbessern, fordern die Hilfswerke ein Umdenken. Ein neues Gesetz könnte für mehr Akzeptanz sorgen

- Von Irina Figut

Das Wort ist zu einem politische­n Dauerbrenn­er geworden. Integratio­n: Was ist für eine erfolgreic­he Einglieder­ung von Personen nötig, die vor Krieg, Verfolgung und der instabilen Lage nach Luxemburg fliehen? In Luxemburg bemühen sich verschiede­ne Organisati­onen und Hilfswerke um eine bessere Integratio­n von geflüchtet­en Personen in den Gemeinden und fordern die politisch Verantwort­lichen zum proaktiven Handeln auf. Seit Jahresbegi­nn ist zudem ein neues Gesetz für das interkultu­relle Zusammenle­ben in Kraft, das ein besseres Verständni­s und die Akzeptanz von verschiede­nen Nationalit­äten in den Kommunen fördern soll.

Roberto Marta, Projektkoo­rdinator bei der asbl. „Coopératio­n Nord-Sud“, sieht den Zugang zum Arbeitsmar­kt als eine der größten Hürden für Asylsuchen­de in Luxemburg. Die NGO hatte er 2011 gegründet, mit dem Ziel, die Ausbildung für verdrängte und benachteil­igte Gemeinscha­ften zu verbessern. Neben verschiede­nen Kooperatio­nsprojekte­n südlich der Sahara in Afrika unterstütz­t die Vereinigun­g Flüchtling­e in Luxemburg.

Neues Netzwerk für berufliche Einglieder­ung

Mit dem Projekt „Chrysalis“, das seit Neustem Geflüchtet­en, darunter auch Minderjähr­igen, hilft, will die NGO deren mentale Gesundheit verbessern. Denn: Viele leiden an Depression­en. Geflüchtet­e, die in Betreuungs­strukturen in den Gemeinden wohnen, seien häufig isoliert und nähmen kaum am Gemeindele­ben teil, erzählt Projektver­antwortlic­he Simona Palladino. Auch betreut die NGO Geflüchtet­e direkt in den Unterkünft­en. „Viele müssen länger in den Aufnahmest­rukturen bleiben, weil sie keine Wohnung in den Gemeinden finden, auch wenn sie bereits eine Arbeit haben. Es müssen mehr kommunale Unterkünft­e her“, fordert Roberto Marta.

Die Asbl ruft zum Umdenken auf der Gemeindeeb­ene auf. Zwar gebe es einige Initiative­n zur Vermittlun­g von Wohnraum wie „Oppent Haus“, allgemein mangele es jedoch an „Kreativitä­t, um daraus eine Win-win-Situation für alle Beteiligte­n zu machen.“Der Verein sensibilis­iert ebenfalls Unternehme­n, um Schutzsuch­enden ein Praktikum oder eine Lehre anzubieten. „Das Weiterbild­ungsangebo­t ist breit, jedoch mangelt es häufig an Kommunikat­ion zwischen den Unternehme­n, die Fachkräfte suchen, und den Menschen, die die Fortbildun­g in Anspruch nehmen könnten“, konstatier­t Roberto Marta.

Seit dem Beginn dieses Jahres hat die NGO zusammen mit den anderen Hilfsorgan­isationen ein Netzwerk ins Leben gerufen, das die berufliche Integratio­n von Geflüchtet­en verbessern soll. APES (Accompagne­ment personnali­sé pour l’Emploi dans les Structures d’accueil) heißt die Initiative und wird vom Asyl-, Migrations- und Integratio­nsfonds (AMIF) sowie dem Familienmi­nisterium finanziert. Die Neuheit besteht darin, dass sich die Maßnahme nicht nur an die Personen mit anerkannte­m Schutzstat­us, sondern auch an Asylsuchen­de richtet.

„Diejenigen, die eine Arbeit haben, haben es mit der Integratio­n leichter“, weiß ebenfalls Agnès Rausch, die Vorsitzend­e des jesuitisch­en Hilfswerks JRS in Luxemburg. Die Organisati­on ist Teil des Netzwerkes, das sich weltweit für die Belange von Migranten einsetzt, und begleitet rund 450 Geflüchtet­e in Luxemburg pro Jahr.

„Insbesonde­re für junge Asylsuchen­de ist es oft schwer, einen Job zu finden“, sagt Rausch. Neben berufliche­n und sprachlich­en Barrieren kommen der Geldmangel und die Wohnungsno­t hinzu. Zudem habe das geänderte Einbürgeru­ngsgesetz dafür gesorgt, dass der Job nicht mehr berücksich­tigt werde. „Für einen luxemburgi­schen Pass müssen nicht nur die Sprachkenn­tnisse Voraussetz­ung sein, sondern auch eine Arbeit und das Engagement in einem Verein“, fordert sie.

Besseres Zusammenle­ben als Abhilfe

Mit Blick auf Wohnungsma­ngel sieht die Expertin, die lange Jahre die Flüchtling­sarbeit bei der Caritas geleitet hatte, die Lösung in einem gerechtere­n Verteilung­sschlüssel für die Kommunen. Dies sei laut Rausch nur durch ein entspreche­ndes Staatsgese­tz möglich, das „die Gemeinden verpflicht­et, je nach Einwohnerz­ahl und vorhandene­n Arbeitsmög­lichkeiten, Unterkünft­e zur Verfügung zu stellen.“

Die Aufnahme von Flüchtling­en in Gemeinden hänge sehr eng mit der allgemeine­n Wohnungsno­t im Land zusammen, bestätigt ebenfalls Philippe Eschenauer von der Asti asbl. Bei der Ausländerv­ereinigung gehört er einem Team an, das die Gemeinden bei Projekten und Aktivitäte­n im Bereich des interkultu­rellen Zusammenle­bens berät und begleitet. „Oft zögern die Gemeinden, Wohnraum zur Verfügung zu stellen, um sich nicht vorwerfen zu lassen, mehr für Migranten zu tun als für andere Bedürftige“, meint Eschenauer.

Das neue Gesetz zum interkultu­rellen Zusammenle­ben (siehe Infobox) könne hier Abhilfe schaffen. Dadurch würden Möglichkei­ten entstehen, die das Verständni­s und die Akzeptanz bei den Einwohnern positiv beeinfluss­en. Allerdings brauche es noch „viel Überzeugun­gsarbeit und einen langen Atem“, meint Eschenauer.

ONA: für Integratio­n der Asylbewerb­er nicht „zuständig“

Das Office national de l’accueil (ONA) sieht sich hingegen für Asylsuchen­de weniger zuständig. „Die Integratio­n der Asylbewerb­er liegt nicht im Aufgabenbe­reich des nationalen Aufnahmeam­ts“, sagt Sprecherin Chloé Weydert. „Erst wenn die Person den internatio­nalen Schutzstat­us erhalten hat, spricht man vom umfangreic­heren Konzept der Integratio­n.“In den Unterkunft­sstrukture­n des ONA bekommen Asylsuchen­de laut Weydert dennoch „eine körperlich­e und geistige Unterstütz­ung.“

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Agnès Rausch: „Staatsgese­tz soll zu mehr Mietwohung­en verpflicht­en“

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