Luxemburger Wort

„Ich wollte hier ein Leben wie die anderen“

Wie meistern sie die Integratio­n und was hilft ihnen in ihrem neuen Alltag? Drei Geflüchtet­e schildern, wie sie in Luxemburg zurechtkom­men

- Von Irina Figut

An seinen ersten Tag in der EU kann sich Ahmed Gul noch genau erinnern. „Alles lief wie in einem Film ab, die Polizei hat mich kontrollie­rt und die Fingerabdr­ücke genommen. Ich werde diesen Tag nie vergessen“, sagt der heute 27-Jährige. Vor kurzem hat der Iraker einen positiven Bescheid über seinen Asylantrag in Luxemburg bekommen, auf den er zwei Jahre gewartet hatte. „Mein Weg nach Europa war lang und mühsam“, erzählt Ahmed auf Englisch mit einer ruhigen Stimme. Er stammt aus Erbil, der Hauptstadt der teilautono­men Region Kurdistan im Irak. Im Nahen Osten gilt dieses Gebiet als besonders unsicher und instabil.

Sein Weg nach Luxemburg verlief über die Türkei, Italien und Frankreich. Er habe nach einer sicheren Bleibe gesucht. „Für mich ist es eine gute Erfahrung, hier in Europa zu leben.“Im Irak hat Gul ein Studium für Labormediz­in absolviert und lernt derzeit Französisc­h, um seinen berufliche­n Traum zu erfüllen. „Ich möchte mein Diplom anerkennen lassen und einen Job in Luxemburg finden.“

Kein Glück bei der Wohnungssu­che

Er habe bereits Freunde sowohl unter ausländisc­hen Mitbürgern, als auch unter Einheimisc­hen gefunden. Doch die meisten seiner Gesprächsp­artner wissen nicht viel über sein Heimatland und die Region, in der er aufgewachs­en ist. „Ich muss ihnen manchmal auf der Landkarte zeigen, wo der Irak liegt“, schmunzelt der junge Mann. Mit seinem Leben in Luxemburg sei er zufrieden: „Ich fühle mich nicht wie ein Ausländer hier.“

Was ihm dennoch die meisten Sorgen bereitet: „Ich möchte eine Wohnung mieten. Bislang hatte ich kein Glück.“Zurzeit teilt Ahmed ein Zimmer mit den anderen Migranten in einer Aufnahmest­ruktur in der Hauptstadt. „Eine ungünstige Situation“für ihn. Sein Ziel: „Ich möchte mich besser integriere­n, das gelingt aber nur Schritt für Schritt. Dafür benötige ich etwas Zeit und einen Job.“

Sprachkenn­tnisse und Freunde

Von einer berufliche­n Perspektiv­e träumt auch Ahmeds Landsmann, Ashti Hasan, der ebenfalls aus dem Kurdistan stammt. In seinem Heimatland habe er einen Sekundarsc­hulabschlu­ss bekommen und möchte in Luxemburg Medizin studieren. Zurzeit muss der 27-Jährige allerdings noch an seinem Französisc­h feilen – für das Studium sind die Sprachkenn­tnisse unabdingba­r.

„Momentan habe ich keinen Kontakt zu der lokalen Bevölkerun­g“, erzählt der junge Mann, der 2022 nach Luxemburg kam und mehrere Jahre zuvor als Geflüchtet­er in Griechenla­nd gelebt hatte.

Erst vor wenigen Monaten hat er einen internatio­nalen Schutzstat­us als Asylberech­tigter im Großherzog­tum bekommen. „Das wichtigste ist für mich zurzeit, einen Job zu finden und Freundscha­ften zu knüpfen.“

Leben in Luxemburg als „Gottesgesc­henk“

Wovon Ahmed Gul und Ashti Hasan noch träumen, ist Yara Kassouha aus Syrien bereits gelungen. Die 42-Jährige hat in Luxemburg den Schritt in die Selbststän­digkeit gewagt und eigenen Laden eröffnet. Im Geschäft „Yara art“in der Fußgängerz­one von Düdelingen verkauft die Frau, die 2015 aufgrund des Bürgerkrie­gs in Syrien nach Europa geflohen ist, selbst genähte Kissen und Taschen, personalis­ierte Bilder, Schmuck und weitere Dekoartike­l. „Die Kunden wissen, dass ich hier vieles per Hand anfertige und schätzen meine Arbeit“, erzählt Yara. Von den Einwohnern in Düdelingen werde sie laut eigenen Angaben liebevoll angenommen.

Ihr Erfolgsrez­ept: „Ich habe immer gearbeitet und Stellen sofort akzeptiert, die mir angeboten wurden. So habe ich viel gelernt.“Die zweifache Mutter hatte in ihrer Heimatstad­t Aleppo zuerst als Buchhalter­in gearbeitet und musste nach ihrer Ankunft in Luxemburg nicht nur neue Sprachen lernen: „Ich musste mich daran gewöhnen, dass Zahlen und Buchstaben nicht wie im Arabischen, sondern von links nach rechts geschriebe­n werden.“

Französisc­h habe sie sich zum größten Teil selbst über das Internet beigebrach­t, sagt Yara, die mittlerwei­le auch die luxemburgi­sche Staatsange­hörigkeit besitzt. „Ich fühle mich hier gut integriert. Es gibt nichts, was nicht möglich ist“, stellt die Frau klar, die gläubige Christin ist und ihr Leben in Luxemburg als „Gottesgesc­henk“ansieht. Sie möge nicht, wenn sie als „Migrantin“bezeichnet werde. „Ich wollte hier ein Leben wie die anderen.“

 ?? Fotos: Marc Wilwert ?? Ashti (links) und Ahmed waren bereits in ihrem Heimatland Irak Freunde, sind jedoch unabhängig voneinande­r nach Luxemburg gekommen.
Fotos: Marc Wilwert Ashti (links) und Ahmed waren bereits in ihrem Heimatland Irak Freunde, sind jedoch unabhängig voneinande­r nach Luxemburg gekommen.
 ?? ?? In ihrem Laden in der Düdelinger Fußgängerz­one verkauft die gebürtige Syrerin selbst genähte Kissen, Taschen und weitere Dekoartike­l.
In ihrem Laden in der Düdelinger Fußgängerz­one verkauft die gebürtige Syrerin selbst genähte Kissen, Taschen und weitere Dekoartike­l.

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg