„Ich will als Wilsberg alt werden“
Der deutsche Schauspieler Leonard Lansink über seine Rolle als kultiger Privatdetektiv, die Rivalität mit dem „Tatort“aus Münster und warum er dank Wilsberg mit dem Rauchen aufgehört hat
Er ist der Privatdetektiv, dem die Zuschauer vertrauen: Der Antiquar und Gelegenheits-Schnüffler Georg Wilsberg ist zwar mürrisch und einsilbig, trotzdem zählt der von Leonard Lansink gespielte Titelheld der populären ZDF-Reihe „Wilsberg“zu den beliebtesten Ermittlern im deutschen Fernsehen. Mit ihrer Mischung aus spannenden Fällen und trockenem Humor locken die Münster-Krimis regelmäßig mehrere Millionen Zuschauer vor den Bildschirm – heute zeigt das ZDF um 20.15 Uhr die 80. Folge der 1995 gestarteten Reihe mit dem Titel „Wilsberg: Ein Detektiv und Gentleman“. Dieses Mal muss Wilsberg den Mord an einem Taxifahrer klären und wird von Eifersucht geplagt, als ein britischer Historiker mit Kommissarin Anna Springer (Rita Russek) flirtet.
Leonard Lansink, das Fernsehpublikum kennt Sie in erster Linie als Titelheld der Krimireihe „Wilsberg“. Ihr TV-Debüt haben Sie aber schon vor 40 Jahren in einem Schimanski-„Tatort“gegeben. Wie war das damals?
Aufregend war das! Es war der erste Drehtag in meinem Leben, und da prasselte natürlich viel auf mich ein. Götz George und Eberhard Feik waren wahnsinnig nette Kollegen. Damals ist bei mir aber nicht gleich der Wunsch entstanden, irgendwann selber mal Fernseh-Kommissar zu werden, sondern erstmal, dass aus einem Drehtag in künftigen Filmen mehrere werden.
Wilsberg ist ganz anders als der raubeinige Schimanski …
Ja, das stimmt. Schimanski war ja ein sehr körperlicher Typ, der mit viel Action vorging, während Wilsberg ein ruhigerer Vertreter ist, der seine Probleme im Hinterstübchen löst, im Kopf. Er ist nicht so impulsiv und nicht so auf Krawall gebürstet.
Stimmt es, dass die Figur vor knapp 30 Jahren als Gegenentwurf zu den vielen starken Ermittlerinnen konzipiert war, die damals aufkamen?
Das hat mir der zuständige Redakteur später mal verraten: Er wollte zu den ganzen starken Frauen einen schwachen Mann, und das ist ihm ja auch gelungen. Nein, Spaß beiseite. Wilsberg ist nicht schwach.
Er ist zwar kein Leistungssportler, er kann nicht viel und ist körperlich nicht besonders schnell, aber gedanklich ist er schnell. Er ist zäh und hartnäckig – wie so ein Westfale eben ist. Wenn die 90 Minuten vorbei sind, merkt man, dass Wilsberg mit seiner Hartnäckigkeit doch dahingekommen ist, wo er hin wollte.
Wie ähnlich sind sich Leonard Lansink und Georg Wilsberg?
Meine Vorbilder sind Robert Mitchum, Lino Ventura, Jean Gabin oder auch Gene Hackman, das ist meine Art von Schauspielerei. Die Idee dahinter ist, sich nicht beim Schauspielen erwischen zu lassen, dass man sich eine Rolle nicht von außen anzieht, sondern dass die von innen kommt. Das heißt aber nicht, dass ich mich selber spielen würde, es gibt schon viele Unterschiede zwischen Wilsberg und mir. Aber natürlich auch viele Gemeinsamkeiten. Ich bin Westfale wie er, ich bin auch hartnäckig und relativ widerstandsfähig. Der arme Wilsberg muss mit meinen körperlichen Mängeln leben. Er hinkt, weil ich hinke, und er hat auch weniger Haare als früher. Das könnte man zwar mit Perücken ändern, aber das muss ja nicht sein. Ich freue mich, wenn ich als Wilsberg gediegen alt werden darf im Fernsehen.
Früher haben Sie in der Rolle geraucht, Pizza gegessen und Flaschenbier getrunken, aber das ist vorbei. Warum hat sich Wilsbergs Lebensstil so verändert?
Das wurde absichtlich alles ein bisschen geglättet, man hat ja auch eine Vorbildfunktion. Das mit dem Nichtrauchen war die Idee des Senders. Das ZDF wollte, dass Wilsberg mit dem Rauchen aufhört, und im Nachhinein finde ich das sehr vernünftig, denn ich habe damals gerne und viel geraucht. Irgendwann habe ich mich dabei ertappt, dass ich im Kino auf die Uhr schaue und denke, wann kann ich raus und endlich wieder eine rauchen. Das fand ich selber nicht gut, und ich habe gemeinsam mit Wilsberg aufgehört zu rauchen.
Nicht nur Wilsberg ermittelt in Münster, sondern auch das „Tatort“-Team mit Prahl und Liefers. Was macht die Stadt als Krimischauplatz so attraktiv?
Münster ist eine überschaubare Stadt. Und für Westfalen eine sehr wohlhabende Stadt, was man auch deutlich sieht. Also eine gutbürgerliche Idylle, und wenn dahinter der Abgrund lauert, ist das eine große Fallhöhe, die sich für Krimis gut eignet. Um der Wahrheit die Ehre zu geben, hat der Münster-„Tatort“unsere Konstellation ja einfach imitiert, weil die das gut fanden, was wir da machen. Wir tun uns auch nicht weh: Der „Tatort“läuft sonntags, wir laufen samstags, wir können uns also gegenseitig keine Zuschauer wegnehmen.
Warum ist es bisher noch nie zu einem Crossover gekommen?
Wir Schauspieler kennen uns ja, man trifft sich bei Veranstaltungen, wir mögen uns und haben keine Berührungsängste. Das Crossover ist nicht an uns gescheitert. Die Sender müssen das wollen, und da gibt es Schwierigkeiten. Allein schon die Tatsache, dass die Drehbuchautoren statt fünf auf einmal neun oder zehn Hauptfiguren bedienen müssten, wäre ziemlich schwierig, glaube ich.
Sie haben vor nicht allzu langer Zeit gesagt, 20 Prozent der Wilsberg-Filme seien gut, 30 Prozent mittel und 50 Prozent schlecht …
Über die Zahlen könnte man vielleicht noch mal reden. Aber es stimmt, ich habe meine Lieblingsfilme, die finde ich prima, dann gibt es welche, die sind ganz okay, und manche finde ich nicht so gut.
Was passt Ihnen denn nicht?
Oft liegt es an den Drehbüchern. Manche erschaffen keine Welt, sie erzählen nichts. Dann können die Leute vorm Fernseher nicht mitgehen mit den Figuren, sind nicht traurig, wenn einer stirbt oder verschwindet und freuen sich nicht, wenn er wieder auftaucht. Wir knallen dann natürlich beim Drehen noch ordentlich Blattgold drauf, damit das ordentlich aussieht. Und letztlich sind ja auch die Szenen zwischen den Figuren wie Wilsberg, Kommissarin Springer oder Overbeck das Salz in der Suppe. Darüber tauschen wir uns untereinander auch regelmäßig aus und machen uns die Dialoge mundgerecht, denn wir haben ja das größte Interesse daran, dass das lebendige Szenen werden und wir nicht einschlafen bei der Arbeit.
Wollen Sie trotzdem die 100 Folgen noch vollmachen, wie Sie mal angekündigt haben?
Klar, ich mache das ja gerne. Und Sie dürfen eins nicht vergessen: Schauspielern geht es in Deutschland und weltweit nicht so gut. 95 Prozent aller Kolleginnen und Kollegen können von dem nicht leben, was sie gelernt haben. Man muss also dankbar sein, wenn man so kontinuierlich wie ich in diesem Beruf arbeiten darf.
In der Romanvorlage von Jürgen Kehrer war Wilsberg ursprünglich als Briefmarken
händler angelegt. Sind Sie froh, dass er in den Filmen stattdessen ein Antiquar ist?
Ja, das war sogar meine Erfindung. Damals, vor 25 Jahren, waren die Fernseher ja alle noch kleiner, und wenn dann einer Briefmarken und Münzen verkauft, sieht das im Bild nach nichts aus, weil die Dinger so mickrig sind. Deshalb habe ich gesagt: Lasst uns einen Buchladen nehmen, Antiquar ist doch prima, und so wurde es gemacht.
Sind Sie selbst bibliophil?
Ich lese viel, aber ich besitze keine antiquarischen Bücher. Ich rede auch öfter mit dem Besitzer des realen Buchladens in Münster, in dem wir drehen, der hat viele kostbare Bücher. Mir persönlich reicht es, auf dem Tablet zu lesen, mir geht es mehr um den Inhalt als um den Einband.