Luxemburger Wort

„Es wird über Religionen gesprochen, aber anders“

Als das Fach „Vie et Société“den Religionsu­nterricht ersetzte, war der Aufschrei groß. Sind die kritischen Stimmen inzwischen verstummt? Wo bleibt die erste Bilanz? Gilles Retter von der Programmko­mmission erklärt

- Von Simone Molitor

Den Austausch mat Lëtzebuerg­er Reliounsco­mmunautéit­en a Kulte gouf ufanks gefleegt, huet sech awer mat de Jore verlaf. Bildungsmi­nister Claude Meisch in der Antwort auf eine parlamenta­rische Frage

Als die blau-rot-grüne Regierung im Oktober 2013 ankündigte, den Religions- und Moralunter­richt durch einen einheitlic­hen Werteunter­richt zu ersetzen, löste dies einen regelrecht­en Kulturkamp­f aus. Vor allem Bistum und CSV gingen auf die Barrikaden. Heftige Debatten waren die Folge, bevor das neue Fach unter dem Namen „Vie et Société“(Vieso) schließlic­h zum Schuljahr 2016/2017 in den Sekundarsc­hulen und ein Jahr später in der Grundschul­e eingeführt wurde.

Gilles Retter, Präsident der Programmko­mmission, erinnert sich noch gut an den starken Gegenwind am Anfang. „Inzwischen, oder besser gesagt gleich nach dem Start des Fachs, hat sich das völlig gelegt“, sagt er im Gespräch mit dem „Luxemburge­r Wort“. „Wir haben in der Programmko­mmission nie eine Diskussion darüber gehabt, ob jetzt zu viel oder zu wenig Religion auf dem Lehrplan steht, obwohl eine Reihe von Mitglieder­n vorher Religionsl­ehrer waren. Das hat mich selbst etwas überrascht“, gibt er zu.

Seit der Einführung akzeptiert

Das neue einheitlic­he Fach wurde schnell akzeptiert. Kritik von außen gibt es nicht mehr, anfänglich­e „Schönheits­fehler“sind längst behoben. „Am Anfang gab es keine Bücher, sondern Handreichu­ngen, die von Lehrkräfte­n erarbeitet wurden. Im Fondamenta­l hat sich dann eine Arbeitsgru­ppe mit der Erstellung von Büchern beschäftig­t, die ein, zwei Jahre nach Einführung des Kurses erschienen sind. Inzwischen haben wir alles überarbeit­et. In der Sekundarst­ufe gibt es digitale Bücher mit Dossiers zu jedem Thema des Lehrplans. Daran kann sich das Lehrperson­al inspiriere­n“, erklärt Retter.

Der Name „Werteunter­richt“ist für das Fach schon lange nicht mehr gebräuchli­ch. „Der Begriff war irgendwann verbrannt, weil es nie wirklich darum ging, den Schülern Werte beizubring­en, als ob man sie aus irgendeine­m Schrank hervorhole­n könnte“, bemerkt Retter, der selbst Vieso im Secondaire unterricht­et. Worum geht es also? „Im Zentrum steht das Zusammenle­ben in einer multikultu­rellen Gesellscha­ft. Selbststän­diges Denken spielt dabei eine entscheide­nde Rolle. Der Unterricht soll Möglichkei­ten bieten, sich mit unterschie­dlichen Meinungen, Kulturen und Argumenten auseinande­rzusetzen, und diese zu reflektier­en. Gleichzeit­ig soll er den Schülern einen Zugang zu fremden Kulturen, aber auch zur eigenen Kultur ermögliche­n. Dazu gehört auch das Zusammenle­ben in einer demokratis­chen Gesellscha­ft, das gelernt und eingeübt werden muss“, erläutert er.

Ein anderer Umgang mit Religion

Welche Rolle spielen dabei die Religionen? Genau diese Frage beschäftig­te die katholisch­e Kirche ebenso wie die beiden Opposition­sparteien CSV und ADR in der damaligen Kontrovers­e. „Es wird über Religionen gesprochen“, antwortet Retter, „aber es wird anders damit umgegangen.“Sowohl in der Grund- als auch in der Sekundarsc­hule seien sie Teil des Lehrplans. „Das Judentum auf Septième, das Christentu­m auf Sixième, der Islam auf Cinquième und so weiter“, zählt er auf.

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