„Mein Lebensprojekt muss weiterbestehen!“
Über 20 Jahre ist es her, dass Betty Fontaine an die Spitze der Brauerei Simon in Wiltz trat. 2024 kann sie das 200-jährige Bestehen der Brasserie feiern – „unvorstellbar“, sagt die Brauereichefin
Die studierte Elektro-Mechanik-Ingenieurin Betty Fontaine wurde zur Vorsitzenden des Brauereiverbands gewählt, gehörte zu Luxemburgs Top 100 der einflussreichsten Wirtschaftsentscheidungsträger, erhielt 2008 den „Dexia Woman Business Manager of the year“-Award. Die heute 46-Jährige hat aktuell Spezialbiere in den heimischen Bierleitungen fließen und setzte viele Idee um, womit sie die erfolgreiche Familiensaga um einige Kapitel weiterschreiben könnte. Und rund um ihr Lebensprojekt „Brasserie Simon“möchte sie noch einiges bewirken.
Betty Fontaine, wie würden Sie den Luxemburger Biertrinker beschreiben?
Der ist wirklich klassisch als Konsument. Klassisch auch mit Blick auf das Produkt. Wir sind ein Pils-Land, und wir trinken gerne in Geselligkeit. Der Luxemburger Biertrinker ist doch sehr geprägt von Deutschland in seinen Produkten. Dies hat sich etwas geändert, als Diekirch 2002 an AB-Inbev angegliedert wurde und sich neue Sorten hier präsentierten.
Bier ist Tradition, beim Bier geht es immer irgendwie um Geschichten. Wie würden Sie die Geschichte Ihres Bieres, Ihrer Brauerei beschreiben?
Auf jeden Fall so, dass die Geschichte vor genau 200 Jahren, 1824 hier begann. Das Unternehmen wurde einmal kurz verkauft, gelangte dann aber 1890 wieder in Familienbesitz. Ich bin nun die fünfte Generation in einem Unternehmen, das eigentlich noch so von der Natur her geblieben ist wie vor 200 Jahren.
Und es war für Sie immer klar, dass Sie diese Geschichte mitgestalten wollten?
Nein, überhaupt nicht…
Wie war Ihre Entwicklung, bevor Sie zur Brauerei kamen?
Eigentlich sollte mein großer Bruder in die Brauereiführung einsteigen. Aber als passionierter Informatiker hat er nichts mit dem Brauwesen zu tun und wollte auch nicht im Unternehmen aktiv werden. Ich habe mich recht spät in meinem Ingenieurstudium dazu entschlossen, in das Familienunternehmen einzusteigen, weil ich meinen Vater unbedingt unterstützen wollte. Ich hätte auch etwas ganz anderes machen können. Aber heute habe ich keine Ahnung, was ich sonst noch machen möchte.
Welche Änderungen haben Sie im Unternehmen vorgenommen, als Sie vor 20 Jahren einstiegen?
Hauptsächlich waren es organisatorische Dinge. Mehr Struktur. Wir sind ein Traditionsunternehmen, in dem sich mit der Zeit vieles eingespielt hat. Nach dem Motto: Das haben wir schon immer so gemacht. Irgendwo waren wir stehengeblieben.
Eine Anpassung war notwendig. Jetzt sind wir besser aufgestellt.
War es schwierig, als junge Chefin akzeptiert zu werden? Die Welt des Bieres ist ja eher männlich dominiert. Wie haben Sie Ihren Platz darin gefunden?
Ja, es war schwierig. Ich habe mir vorgestellt, dass alles recht einfach für mich wird. Ich habe zwar das ganze Personal gekannt, musste aber schnell feststellen, dass ich gegen viele „alte weiße Männer“ankämpfen musste. Meinen Platz habe ich dadurch gefunden, dass ich mich durchgebissen und niemals aufgegeben
Als junge Chefin musste schnell feststellen, dass ich gegen viele „alte weiße Männer“ankämpfen musste.
habe, denn als ich im Betrieb anfing, mussten wir schlechte Zeiten meistern.
War es ein „Hindernis“, eine Frau zu sein?
Es gibt da Vor- und Nachteile. Wenn der Kunde hörte „Madame Fontaine“, dann dachte er sofort an eine ältere Dame, auch entsprechend gekleidet … und dann kam ich, was wiederum bei vielen Kunden positiv ankommt. Ich musste allerdings auch die Erfahrung machen, dass eine Gemeinde mit ihrem Bürgermeister mir mitteile, dass ich mir quasi erst die Sporen verdienen müsste. Nach zwei, drei Jahren kam so eine Zusammenarbeit überhaupt nicht infrage, sogar nach zehn Jahren war es in ihren Augen noch zu früh. Aber ich blieb hartnäckig. Nun nach über 18 Jahren scheine ich sie überzeugt zu haben und wir sind zusammengekommen.
Wie würden Sie Betty Fontaine als Unternehmerin, als Chefin, kurz und knapp beschreiben?
Das Unternehmen steht an oberster Stelle, und da stehe ich, hinter mir kann keiner aufräumen: Wenn etwas verbockt wurde, dann muss ich dafür geradestehen. Ich bin aber auf jeden Fall offen für Diskussionen, bin nah an den Mitarbeitern, doch am Ende muss ich die Entscheidung tragen. Persönliche Belange werden nicht über die Betrieblichen gesetzt. Die Brauerei und auch die 24 Mitarbeiter sind mein Lebensprojekt, und dafür arbeite ich.
Was ist das Geheimnis Ihres Erfolges?
Auf jeden Fall meine Ausdauer. Es klappt nicht alles auf Anhieb, und in unserer Branche schon gar nicht von heute auf morgen. Ich setzte heute etwas um, und die Folgen zeigen sich erst in zwei Jahren. Wichtig ist auf jeden Fall, dass man es einfach machen muss. Das war bei unserem BioBier so, das war auch bei unserem alkoholfreien Bier, was wir mitten in der Coronakrise auf den Markt brachten. „Einfach machen“ist die Devise. Schauen Sie unsere Limonade. Mit der Erstellung der Rezeptur und der Umsetzung dauerte es zwei Jahre. Aber wir haben es einfach gemacht.
Ist es ein Vorteil, dass Sie kein riesiges Unternehmen führen, sondern ein kleines, wenn es um das „einfach machen“geht?
Das ist ohne Zweifel ein Riesen-Vorteil, es sind kurze Ent
scheidungswege, die dann mit gutem Personal passend umgesetzt werden können.
Wobei „einfach machen“sich jetzt auch einfach einhört. Woher nehmen Sie die Energie für dieses „einfach machen“?
Aus meinem familiären Umfeld, natürlich meiner Erfahrung, meinem Team und vor allem unseren Erfolgen. Ich bin umgetrieben. Ich stelle mich Problemen und will dann eine entsprechende Lösung. Aufgeben kommt da nicht infrage, nur dann, wenn wir wirklich sehen, dass es nicht geht. So konnte ich mir ja auch gar nicht vorstellen, dass wir 2024 die 200 Jahre Brauereibestehen feiern könnten. Als ich vor 20 Jahren hier im Betrieb anfing, war das unvorstellbar für mich. Doch wir haben es geschafft – und ich hoffe, dass es noch lange so weitergeht.
Eine junge Frau sagte einmal im Interview: „Ich bin fasziniert von Betty Fontaine, eine Frau aus dem Norden Luxemburgs, die gemeinsam mit Ihrer Familie hier in Luxemburg aber auch über die Grenzen hinaus einen bestimmten Bekanntheitsgrad für sich und ihr Produkt erschafft hat.“Ist Betty Fontaine ein Vorbild?
Ich wurde immer vorgezeigt. Betty als Frau in der Brauereiwelt, und sie trinkt auch noch Bier. Aber ein Vorbild, das kann ich nicht sagen. Wenn es darum geht, nicht aufzugeben, sich durchzubeißen, dann ja.
Gibt es denn eine Person, die Sie inspiriert hat – eine Art Vorbild?
Das kann ich so nicht beantworten. Das Elternhaus und die Erziehung hat mich natürlich geprägt. Man sagt allerdings auch, dass die Freunde in der Jugend einen prägen. Und da kann ich sagen, dass ich eine gute Freundin in der Schule hatte: Tanja. Sie war wirklich mein Fels in der Brandung. Ich wusste, dass ich bei ihr Energie tanken konnte. Auch heute haben wir noch Kontakt, nicht mehr ganz so intensiv, aber wir tauschen uns aus. Dass sie so einen Einfluss hatte, wurde mir erst später bewusst. So gibt viele Menschen, die mich inspirieren, aber niemanden, der wirklich konkret oder einzigartig Vorbild wäre. Ich versuche, aus den Begegnungen, die ich habe, zu schöpfen und ein Stück davon mitzunehmen – sei es das Positive oder auch das Negative in der Form, dass ich es so eben nicht mache.
Dürfen wir demnächst mit einem Buch der Art „Frauen in Führungsposition“von Betty Fontaine mit Ratschlägen für junge Unternehmerinnen rechnen?
Das glaube ich nicht. Aber ich kann Frauen sagen, dass es schwer ist. Dass alles passieren kann. Wie es mir auch geschehen ist. Aber in Gesprächen mit anderen habe ich erfahren, dass es jedem so ergehen kann. Ich kann keinem sagen, wie der Hase läuft. Ich bin auch noch mitten auf dem Ozean und weiß nicht, wo die Reise hingeht. Aber auch hier kann ich mich gerne wiederholen: Einfach machen!
Können Sie ein paar Ideen verraten, die Sie vielleicht in naher Zukunft umsetzen möchten?
Was ich sicher weiß, was wir machen, ist feiern. Das 200-jährige Bestehen wird an einem Samstag im September ordentlich bei uns gewürdigt werden. Ohne große VIP-Aktionen, dafür aber mit den Kunden. Denn ohne unsere Kunden wären wir nichts. Was die Produktion und unsere Produkte angeht, so konzentrieren wir uns auf das alkoholfreie Bier und auch die Limonade, die seit einem Jahr läuft. Spezial-Auflagen wie unser Bier mit Traubenmost werden wir auch wieder produzieren. Wenn ein Sonderprodukt gut läuft, vielleicht nehmen wir es in die Produktpalette auf, das muss man sehen. Aber zuerst wollen wir feiern.
Wie würden Sie die aktuelle Lage dieses Luxemburger Biermarktes beschreiben?
Die ist natürlich recht schwierig. Der Bierkonsum geht zurück. Und wir schlagen uns zwischen den beiden Großen durch.
Und dann kommen ungeplante Krisen und hohe Energiepreise hinzu.
Die Pandemie war natürlich seltsam. Wir konnten Gott sei Dank auf staatlichen Hilfen zurückgreifen und wir konnten weiterarbeiten, das war gut für uns. Doch bei den Energiepreisen hat es dann auch bei uns richtig eingeschlagen. 2022 haben wir daher eine konsequente Erhöhung machen müssen. Dieses Jahr machen wir jedoch keine, damit wir auch unseren Kunden ein wenig entgegenkommen können.
Welchen weiteren Herausforderungen müssen Sie sich als Brasserie Simon nun stellen? Sie haben einmal gesagt, dass von den größeren Luxemburger Brauereien die Brasserie Simon die einzige sei, „die noch geschluckt werden könnte“…
Richtig, aber wir sind nicht zum Schlucken da. Wir machen auf jeden Fall weiter so wie bisher. Wir wollen bleiben, was wir sind und unseren Platz mit Qualitätsprodukten verteidigen. Es wird auch zunehmend schwierig, gutes Personal zu finden. Ich brauche engagierte Mitarbeiter, die nicht nur auf ihr Gehalt am Ende des Monats warten. Bislang habe ich immer gute Mitarbeiter hier in der Gegend gefunden und ich hoffe, dass das auch in Zukunft so bleibt. Sie können sich einfacher mit dem Betrieb identifizieren, weil sie auch hier aufgewachsen sind. Es geht nicht nur darum, Bier zu produzieren. Ich möchte die Arbeitsplätze erhalten und auch der Region etwas zurückgeben – und ich hoffe, dass man uns noch lange so wie heute arbeiten und unser Bier brauen lässt.
Das Geheimnis meines Erfolges? Auf jeden Fall meine Ausdauer.