„Das Tempo ist immer am Limit“
Der Luxemburger Radprofi Michel Ries steigt in die Saison ein. In Australien bestreitet er insgesamt drei Rennen
Für Michel Ries wird es heute ernst. Während andere sich noch mit Cyclocross oder Vorbereitungslehrgängen beschäftigen, startet Ries als erster der Luxemburger Profis in die neue Straßensaison. Der 25-Jährige ist seit zehn Tagen in Australien und nimmt dort an drei Rennen teil. Los geht es für den Fahrer des Teams Arkéa-B&B Hotels mit der 24. Ausgabe der Tour Down Under. Ries hat seinen Vertrag bei den Franzosen um ein Jahr verlängert, peilt im Jahr 2024 bessere Resultate an und fühlt sich im internationalen Peloton gar nicht mehr so jung.
Michel Ries, vor fast genau vier Monaten haben Sie Ihren letzten Wettkampf absolviert. Wie haben Sie den Winter gestaltet?
Die Pause war einen Tick länger als üblich. Im Oktober habe ich eine Radsportpause gemacht. Ich hielt mich beispielsweise mit Laufen fit. Insgesamt kann ich nicht meckern. Ich war weder krank noch verletzt. Im Dezember waren wir mit dem Team zur Vorbereitung in Spanien. In der Umgebung von Valencia haben wir gut trainiert und lange Ausfahrten gemacht. Ich habe genug Trainingsstunden in den Beinen.
Aktuell befinden Sie sich in Australien. War das von Beginn an so geplant?
Nein, ich war nicht direkt dafür vorgesehen. Aber Fahrer, die mitkommen sollten, haben sich verletzt. Ich bin gerne dabei. Die Alternative wäre ein zweiwöchiger Lehrgang mit der Mannschaft gewesen. Das macht keinen wesentlichen Unterschied. Hier in Australien fahren wir halt Rennen. Nach der Tour Down Under folgen die Surf Coast Classic und das Cadel Evans Great Ocean Road Race. Der Rhythmus ist ein anderer. Nach meiner Rückkehr nach Europa werde ich einen Trainingsblock einlegen und bis Ende Februar kein Rennen fahren.
Erinnern Sie sich noch an die Tour Down Under des Jahres 2020?
Ja, sogar sehr gut. Es war mein erstes Profirennen mit dem Team Trek-Segafredo. Wir führten Richie Porte vor heimischer Kulisse zum Gesamtsieg. Das waren schöne Momente. Insgesamt ist es ein besonderes Rennen: Man befindet sich halt aus europäischem Blickwinkel auf der anderen Seite der Welt. Ich bin fast vier Wochen hier. Das ist eine lange Zeit, in der man glücklicherweise auch mal am Strand spazieren gehen kann. Bei anderen Wettkämpfen ist es meist so, dass man anreist, ein Rennen fährt und wieder abreist. Da sieht man von der lokalen Kultur recht wenig.
Mit welchen sportlichen Zielen sind Sie nach Australien gereist?
Wir haben mit Daniel McLay einen Sprinter an Bord, der zweifellos Topresultate abliefern kann. Louis Barré soll eine interessante Rolle in der Gesamtwertung der sechstägigen Tour Down Under spielen. Die beiden letzten Etappe werden entscheidend sein. Louis besitzt die nötigen Qualitäten, um mit seiner Explosivität an kurzen Anstiegen mitzuhalten. Ansonsten ist es ganz schwer, so früh in der Saison eine ordentliche Prognose abzugeben. Normalerweise werden Sekunden über den Gesamtsieg entscheiden. Wir werden sehen, wie sich die Rundfahrt entwickelt.
Wie wird es für Sie nach der Rückkehr nach Europa weitergehen?
Die Mannschaft mag es nicht, wenn wir Fahrer zu früh verraten, wie unser Rennprogramm aussieht. Sie posten das gerne selber in den sozialen Netzwerken. Aber
: Ich will ganz einfach mit starken Auftritten zeigen, was ich kann.
so viel kann ich sagen: Es wird keine großen Überraschungen geben. Ich werde die Rennen bestreiten, die zu meinem Fahrertyp passen (Für Ries geht es demnach zur Ardèche Classic, Drôme Classic, Katalonien-Rundfahrt und Baskenland-Rundfahrt, Anm d. Red.)
Seit August fährt Arnaud Démare für Ihre Mannschaft. Welche Bedeutung hat diese Verpflichtung?
Die Mannschaft hat sich anders aufgestellt. Arnaud ist ein Siegfahrer. Er ist auch mit Blick auf die Tour de France unsere beste Chance auf einen Etappensieg. In dieser Optik wird er stets von fünf, sechs Fahrern begleitet werden. Außerdem haben wir mit Kévin Vauquelin einen talentierten Rundfahrt-Spezialisten, in den große Hoffnungen gesetzt werden. Die Tourde-France-Mannschaft stellt sich also quasi von alleine auf. Da wird es demnach ganz schwer, noch hineinzurutschen. Natürlich will ich auch mal irgendwann an der Frankreich-Rundfahrt teilnehmen. Aber Giro und Vuelta haben ebenfalls ihren Charme. Ich gehe das relativ gelassen ran. Ich will ganz einfach mit starken Auftritten zeigen, was ich kann.
Haben Sie sich ein konkretes Ziel für das Jahr 2024 gesetzt?
Klar ist, dass ich im vergangenen kein Topresultat erzielt habe. Es war keine schlechte Saison, aber es gab halt nicht den einen Ausreißer nach oben. Das soll sich in den kommenden Monaten ändern. Ich möchte ein paar Mal im Jahr vorne dabei sein. Das ist das Ziel eines jeden Fahrers. Ich bin mir bewusst, dass alles passen muss, wenn mir das gelingen soll. Ich bin und bleibe ein Helfer. Und die klassischen Vorbereitungsrennen, bei denen es vielleicht auch mal lockerer zugeht, gibt es nicht mehr. Das Tempo ist immer am Limit. Und in den Top Ten landen fast nur große Champions. Da fährt man nur sehr selten aus Glück hinein.
Hat das rasante Tempo auch etwas mit den jungen Wilden zu tun?
Ja, ganz klar. Ich zähle mit 25 Jahren nicht mehr zu den Jungen. Ich gehöre bereits zu den Fahrern, die eine gewisse Erfahrung haben und den Talenten mit Rat und Tat zu Seite stehen. Die Entwicklung ist rasant. Die Fahrer wechseln in immer jüngeren Jahren zu den Topteams. Sie trainieren schon als Kinder anders, sind stärker und besitzen ein anderes Grundniveau. Klar ist, dass für die besten Talente der Sprung von den Nachwuchsklassen zu einer der 20 besten Mannschaften weniger groß ist, als noch vor einigen Jahren. Sie stoßen jetzt zu den Topteams und fahren gleich vorne mit.