Was dieses Bettelverbot über uns aussagt
Viel Porzellan hat der neue Innenminister Gloden zerbrochen, als er grünes Licht für das Bettelverbot der Stadt Luxemburg gab. Künstler und Künstlerinnen haben ihre Stimmen erhoben, bekamen aber Schelte vom Minister. Ein Rechtspopulist schüchterte einen Karikaturisten ein, worauf der Kulturminister reagierte. Mittlerweile lästern Medien im Ausland über das reiche Luxemburg, sein Bettelverbot und das Einschüchtern der Künstler. Der Schaden ist groß. Ganz schockiert hat die Menschenrechtskommission den mahnenden Finger erhoben, und Kardinal-Erzbischof Hollerich sieht Luxemburg „fast schon als einen repressiven Staat“.
Das Oberhaupt der Luxemburger Kirche sagte, der CSV-Minister hätte vielleicht zuvor seine Hilfsorganisationen konsultieren sollen. Der Kirchenmann ist die rechte Hand des Papstes – und dessen Revier war, als er noch Seelsorger in Argentinien war, nun mal das Elend. In seiner Heimat zählte er zur „calle“, zur Straße, wie man in Lateinamerika all die bezeichnet, die sich um Bettler und Gestrandete kümmern. Nach Überzeugung des Papstes müsste übrigens jeder Erdbewohner ein Armer sein, ein Mensch, genauso verbeult wie die Schuhe, mit denen Jorge Bergoglio einst durch die „calle“seiner Favelas lief.
Aber, welch ein Wirbel um ein Bettelverbot, von dem man ja bestimmt nicht behaupten kann, dass es für Luxemburg in irgendeiner Form zukunftsrelevant sein kann! Da gibt es bestimmt Wichtigeres zu tun.
Aber die Kontinuität ist gewahrt. Bereits im 15. Jahrhundert schrieb der deutsche Dichter Sebastian Brant „Das Narrenschiff“, und anlehnend daran malte Hieronymus Bosch sein gleichnamiges Bild. In beiden Werken werden Bettler als „Überflüssige der Gesellschaft“aufs Schiff verbannt. Man wollte, die Abweichler loswerden, sie aus den Städten vertreiben. Und genau das wollen wir heute auch.
Die Gestrandeten der Gesellschaft sind jedoch ein Teil von uns, auch wenn manche sie nicht sehen wollen. Man will sie ausstoßen, unsichtbar machen, „normal“werden lassen. Genau darin spielt sich ausgehend von der Politik eine tiefgreifende Gewalt ab, an der sich auch unsere eigene unterdrückte Gewalt messen lässt. Wollen wir tatsächlich diese herzlose Gesellschaft sein?
Warum mögen wir keine Bettler? Weder die „guten“noch die „schlechten“, also weder den Obdachlosen am Bahnhof noch die organisierten Banden der Bettelei in der Oberstadt? Vielleicht weil sie uns an unser eigenes Bitten, Betteln und Betrügen erinnern. Wir betteln um soziale Anerkennung, um Gehaltserhöhungen, wir betrügen um Subventionen und bei der Steuer. Und ohne es zu wissen, sehen wir vielleicht auch in all den Menschen, die auf der Straße leben, das Schicksal, das uns droht, wenn wir nicht unermüdlich darum kämpfen, nützlich und wesentlich zu sein, um nicht in die Müllhalden des Kapitalismus abzustürzen, aus denen es keine Rettung gibt. Das Bettelverbot sagt so manches über uns und unsere Gesellschaft aus.
In den Bettlern erkennen wir unser eigenes Betteln, Bitten und Betrügen.