Kurz mal nachgefragt – Was macht eigentlich Josée Lorsché?
Worüber sich die ehemalige Grünen-Abgeordnete mehr Sorgen macht als über ihr eigenes Wahlergebnis, erzählt sie dem „Wort“per SMS
Gudde Moie Josée Lorsché, hoffentlich störe ich nicht. Wie geht es Ihnen?
Journalistinnen und Journalisten empfinde ich nie als störend. Vielen Dank, mir geht es gut!
Die Wahlen liegen über drei Monate zurück. Haben Sie die Enttäuschung über das Ergebnis inzwischen überwunden?
In der Politik ist es wie im Sport: Man kann nicht immer gewinnen. Misserfolge gehören dazu. Das habe ich früh im Leben gelernt. Natürlich hätte ich mich gefreut, meine Arbeit auf nationalpolitischer Ebene fortführen zu dürfen und dabei auf meine Erfahrungen der letzten zwölf Jahre aufzubauen. Mehr Sorge als mein persönliches Abschneiden bereitet mir der Rechtsruck, der bei den Wahlen festzustellen war und dazu geführt hat, dass Personen ins Parlament gewählt wurden, die fundamentale Menschenrechte mit Füßen treten. Darin liegt meine größte Enttäuschung.
Spüren Sie denn einen anderen Wind im Parlament?
Da das Parlament nach den Wahlen noch nicht oft öffentlich getagt hat, ist es zu früh, den aktuellen Wind beurteilen zu können. Fest steht aber, dass einzelne Parlamentarier bereits außerhalb der Chamber für negative Schlagzeilen gesorgt haben, was ihren Umgang mit Künstlern und deren Ausdrucksfreiheit angeht. Ich begrüße, dass die Chamber sich mit dieser gefährlichen Entwicklung auseinandersetzen will und hoffe, dass sie den bestehenden Verhaltenscodex mit einer großen Majorität auf den außerparlamentarischen Bereich ausdehnt. Inakzeptables und demokratiefeindliches Verhalten eines Abgeordneten bzw. einer ganzen Gruppierung von Abgeordneten muss die nötigen Konsequenzen nach sich ziehen.
Man merkt, dass Sie nah am politischen Geschehen bleiben, wenn auch nicht mehr als Abgeordnete. Wie sieht Ihr Alltag heute aus?
Kein Abgeordnetenmandat zu bekleiden, bedeutet ja nicht, dass man der Politik den Rücken drehen soll. Ganz im Gegenteil, in der Politik spielen auch die Gemeinden eine tragende Rolle. Nach wie vor bin ich erste Schöffin in der Gemeinde Bettemburg und führe dieses Mandat weiterhin mit großer Motivation und viel Einsatz aus. Die restliche Zeit kommt meiner Familie und meinem ehrenamtlichen Engagement zugute.
Sie haben auch nicht vor, wieder als Grundschullehrerin zu unterrichten?
Nein, ich bin pensionsberechtigt und habe nach längerem Abwägen die Pensionierung beantragt, um wie gesagt mehr Zeit für die Gemeinde, meine Familie und das Ehrenamt zu haben.
Fühlen Sie sich weniger unter Druck, seit Sie mehr Distanz zur nationalen Politik haben?
Der Zeitdruck hat wesentlich abgenommen, da ich mich voll und ganz auf meine kommunalen Aufgabenbereiche konzentrieren kann und mich nicht mehr regelmäßig bis in die späten Abendstunden und übers Wochenende mit politischen Dossiers befassen muss. Ein gewisser öffentlicher Druck gehört aber zum politischen Leben, unabhängig vom Mandat, das man ausübt. Ich empfinde diesen nicht als Belastung, sondern als Ansporn.
Ein Leben ohne Politik ist für Sie nicht vorstellbar, auch wenn die Grünen derzeit einen schweren Stand haben?
Vorstellen kann ich mir ein Leben ohne Politik sehr gut. Besonders in Zeiten, die von vielfältigen Krisen geprägt sind, sehe ich mich aber in der Verantwortung, meinen bescheidenen Beitrag zu leisten, um die nächsten Generationen vor den Folgen des Klimawandels und vor der Armutsfalle zu schützen, sowie den sozialen Zusammenhalt in unserer Gesellschaft zu stärken.
Die Partei kann also weiterhin auf Sie zählen?
Das kann sie auf jeden Fall!
Und sie wird sich Ihrer Meinung nach von dem schwierigen letzten Jahr erholen?
Einen Blick in die Glaskugel besitze weder ich noch andere. Wichtig ist für mich, dass die Parteileitung sich mit den Mitgliedern sowie externen Partnern über die Entwicklung der letzten Monate und Jahre austauscht, sie analysiert und die nötigen Schlussfolgerungen aus diesem breitgefächerten Dialog ziehen will. Dieser wurde vor einigen Wochen eingeläutet und wird demnächst abgeschlossen. Dass die Grünen nach den Wahlen einen rasanten Zuwachs von über 200 Mitgliedern verzeichnen konnten, stimmt mich positiv. Es zeigt, dass mehr Menschen sich der Unverzichtbarkeit grüner Politik bewusst werden und Farbe bekennen.