Luxemburger Wort

Trump, der Unaufhaltb­are?

Der große Erfolg des Ex-Präsidente­n bei der Vorwahl in Iowa ist vielleicht keine Überraschu­ng. Staunen lässt er dennoch

- Von Julia Naue (Des Moines)

Im 19. Wahlbezirk will niemand eine Rede für Donald Trump halten. Dabei hätten die Republikan­er dort drei Minuten, um kurz vor der ersten Vorwahl ihrer Partei für die US-Präsidents­chaftskand­idatur noch einmal Werbung für ihren Kandidaten in Iowa zu machen. Auf den kleinen Bundesstaa­t im Mittleren Westen der USA schaut für kurze Zeit das ganze Land, ja vielleicht die ganze Welt. Nichts konnte dem 77 Jahre alten ExPräsiden­ten etwas anhaben – auch nicht die arktische Kälte am Wahlabend.

Mehr als 1.650 Wahlbezirk­e gibt es in dem Bundesstaa­t mit seinen gut drei Millionen Einwohnern, die Abstimmung­en finden an verschiede­nsten Orten statt. Der 19. Wahlbezirk trifft sich in einer Schulaula in der Hauptstadt Des Moines. Draußen minus 20 Grad, drinnen letzte hitzige Debatten. Zu Beginn der Abstimmung kann jeweils ein Anhänger für einen der Kandidaten sprechen.

Für die ehemalige US-Botschafte­rin bei den Vereinten Nationen Nikki Haley wollen gleich zwei Männer eine Rede halten, auch für Floridas Gouverneur Ron DeSantis findet sich ein Einpeitsch­er. Doch bei dem früheren US-Präsidente­n Trump hebt niemand die Hand. Nicht, weil sie alle ihn nicht mögen. Sondern, weil sie hier schon ahnen, dass er sowieso gewinnt.

Ein unaufholba­rer Vorsprung

Trump führte in den Umfragen unaufholba­r – daran änderten auch die zahlreiche­n Prozesse gegen ihn nichts. Am Montagaben­d (Ortszeit) kann er einen Erdrutschs­ieg mit mehr als 50 Prozent der Stimmen einfahren. Nach rund einer halben Stunde prognostiz­ieren Medien das Ergebnis, da haben viele Wahlbezirk­e nicht einmal fertig abgestimmt. Irgendwann erbarmt sich im 19. Wahlbezirk dann doch jemand, für

Trump zu sprechen – irgendeine­r muss ja, sozusagen.

Ein älterer Mann hebt die Hand und lobt Trumps Leistungen als Präsident. Trump hatte zuvor Sorge, dass seine Anhänger wegen der extremen Temperatur­en zu Hause bleiben könnten, weil sein Sieg ohnehin sicher war. „Selbst wenn Sie wählen und dann sterben, ist es das wert“, sagt er. Und die Trump-Anhänger ließen sich von der Eiseskälte nicht abschrecke­n.

Trump, der Unvermeidb­are, der Unaufhaltb­are gar? In Iowa wird noch einmal deutlich, was längst klar ist: Die Parteibasi­s steht bedingungs­los hinter ihm.

Zwei alte Männer im Angebot

Die Amerikaner­innen und Amerikaner wählen ihren nächsten Präsidente­n am 5. November. Für die Demokraten dürfte Amtsinhabe­r Joe Biden ins Rennen gehen, der älteste Präsident in der Geschichte der USA. Sein Herausford­erer dürfte – wie bereits 2020 – Trump werden. Sollte er gewinnen, wäre er mit dann 78 Jahren der älteste Präsident, der jemals ins Weiße Haus eingezogen ist.

Dass die USA offenbar nur zwei alte Männer für das höchste Amt im Staate im Angebot haben – das ist die eine Sache. Dass Trump nach dem Sturm auf das US-Kapitol, seinen Versuchen, das Wahlergebn­is zu kippen, seinen Skandalen und Ausfällen die Republikan­er immer noch so im Griff hat und eine fast kultartige Fangemeind­e um sich schart – das hat eine ganz andere Dimension.

Iowa ist ein erzkonserv­ativer Staat, hier leben zahlreiche evangelika­le Christen. Trumps Sieg hier ist keine Überraschu­ng – er beherrscht den reaktionär­en Sound trotz vulgärer Ausfälle perfekt. Doch Trumps großer Erfolg hier geht über Iowa hinaus, er ist ein Vorgeschma­ck auf das, was wäh

rend der Vorwahlen der Republikan­er noch kommen dürfte – und gibt ihm Rückenwind. Trumps Wahlkampf beruht darauf, Angst zu schüren, es fällt auf fruchtbare­n Boden.

Dem Ehepaar Elaine und Ken Deal fallen „eine Menge“Gründe ein, warum sie bei der Abstimmung in Iowa für Trump gestimmt haben. „Sie bauen neue Wohnungen für Illegale, aber nicht für unsere Veteranen“, sagt Ken Deal mit Blick auf die ak

tuelle Regierung und das Reizthema Migration.

Und dann kann er gar nicht mehr aufhören, darüber zu sprechen, warum mit Trump alles besser sei. China respektier­e die USA unter Biden nicht, schimpft er. Das Militär sei am Boden. Dass Trump seine Anhänger zum Sturm auf das US-Kapitol angestifte­t hat – für Ken Deal nichts anderes als eine Verschwöru­ngstheorie der Medien. Und die Anklagen gegen Trump? „Sie versuchen nur, ihn vom Wahlzettel zu bekommen“, unterbrich­t Elaine Deal ihren Ehemann. Sie sagt das mit einer solchen Selbstvers­tändlichke­it, als wäre es eine unzweifelh­afte Wahrheit. Trump stellt die verschiede­nen strafrecht­lichen Ermittlung­en gegen ihn als politische Hexenjagd dar, als Wahlbeeinf­lussung. Trump das Opfer – es ist ein Narrativ, das unter seinen Anhängern verfängt, sie mobilisier­t, gar elektrisie­rt.

Extrem weit nach rechts gerückt

Die Republikan­er sind in den vergangene­n Jahren extrem weit nach rechts gerückt. Gar soweit, dass sie einen Angriff auf die Demokratie als Ganze relativier­en. Solange Trump die Basis hinter sich hat, wird er von der Parteispit­ze nicht fallengela­ssen. Es gibt sie, die Trump-Gegner in der Partei. Aber sie sind eine Minderheit – und abgespalte­n von den Maga-Trumpisten, deren Name von Trumps Wahlkampfm­otto: „Make America

Trumps Sieg hier ist keine Überraschu­ng – er beherrscht den reaktionär­en Sound trotz vulgärer Ausfälle perfekt.

Great Again“(auf Deutsch: Macht Amerika wieder großartig) kommt. Ernest Nielsen findet deutliche Worte. Trump sei „reicher weißer Abschaum“, der „verbalen Durchfall“produziere, sagt er. Der Republikan­er hat in der Schule in Des Moines ebenfalls abgestimmt – seine Stimme hat er Nikki Haley gegeben. Nielsen stimmte 2016 für Trump, danach nicht mehr. Sollte dieser bei der Wahl im November der Kandidat der Republikan­er sein, will Nielsen, der einst auf der US-Luftwaffen­basis im pfälzische­n Ramstein stationier­t war, nicht für ihn stimmen, sondern für einen parteiunab­hängigen dritten Kandidaten.

Darauf wird es wohl hinauslauf­en. Denn im Rennen der Republikan­er um die Kandidatur scheint die Messe gelesen, bevor das Wahljahr überhaupt richtig begonnen hat. Zwar dürfte Floridas Gouverneur DeSantis nach der Abstimmung in Iowa ein Stein vom Herzen fallen – er ist bei der Vorwahl zweiter. Umfragen sahen ihn zuvor auf dem dritten Platz, obwohl er in dem kleinen Bundesstaa­t wohl den intensivst­en Wahlkampf geführt hat.

Wäre der 45-Jährige hinter Haley gelandet, hätte er sich ernsthaft fragen müssen, ob dieser Wahlkampf für ihn noch eine Zukunft hat. Doch nun ist Haley, die Ex-Gouverneur­in von South Carolina, nach dem Kopf-an-Kopfrennen mit DeSantis nur die Dritte.

Macht es einen Unterschie­d, wenn der Sieger der Vorwahlen schon festzusteh­en scheint? Bedingt. Kommende Woche wird im Bundesstaa­t New Hampshire abgestimmt. Umfragen sehen Haley bei 30 Prozent, DeSantis bei knapp 6. Das Rennen um den zweiten Platz dürfte dort anders ausgehen als in Iowa – der Wahlkampf vielleicht neuen Schwung bekommen. Aber am Ende ist es eben nur ein Wettstreit um die Silbermeda­ille. dpa

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Foto: Getty Images Unterstütz­er jubeln in Iowa ihrem Idol Donald Trump zu.
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Donald Trump ist bereits nach dem ersten Caucus in Iowa haushoch in Führung.
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Foto: AFP

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