Luxemburger Wort

Pasta bis ins Weltall: Italien wirbt für eigene Küche

Die Regierung in Rom rührt die Werbetromm­el. Dafür soll Pasta nun auch auf den Teller von Astronaute­n kommen. Aber wie traditione­ll ist die „cucina italiana“wirklich?

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Auf kaum etwas sind Italiener so stolz wie auf ihre kulinarisc­he Tradition. Die italienisc­he Küche gilt als Inbegriff von Tradition und Genuss, ist weltweit ein Verkaufssc­hlager. Doch damit nicht genug. Nun soll erstmals sogar im Weltall „cucina italiana“serviert werden: Zu Italiens aktueller Bewerbung um die Anerkennun­g der nationalen Küche als immateriel­les Unesco-Weltkultur­erbe gehört, dass auch die Astronaute­n der neuen Mission der Internatio­nalen Raumstatio­n (ISS) Pasta bekommen. Passenderw­eise ist einer der Raumfahrer Italiener, Luftwaffen­oberst Walter Villadei.

Die Raumfahrer treten an diesem Mittwoch, dem 17. Januar, aus Florida die Reise ins All an. Wie üblich stehen zahlreiche wissenscha­ftliche Experiment­e auf dem Programm. Das Sonderproj­ekt „Italian Space Food“läuft unter der Federführu­ng von Italiens Landwirtsc­haftsminis­ter Francesco Lollobrigi­da. Es sieht vor, dass die Astronaute­n der Axiom Mission 3 (Ax-3) mit fertigen Pasta-Menüs verköstigt werden. Oberst Villadei wird bei seinen drei Mitreisend­en vermutlich nicht allzu viel Überzeugun­gsarbeit leisten müssen, auch wenn Pasta und Saucen natürlich nur Fertiggeri­chte sind. In der Quarantäne vorm Abflug bekamen sie bereits einen Vorgeschma­ck.

Regierung rührt die Werbetromm­el

Zudem startet der Flug mit Pasta auch noch am „Internatio­nalen Tag der italienisc­hen Küche“– ein Zufall, der der rechten Regierung in Rom gefallen wird. Seit ihrem Amtsantrit­t vor mehr als einem Jahr rührt die auf Tradition pochende Regierung von Ministerpr­äsidentin Giorgia Meloni die Werbetromm­el für alles, was „Made in Italy“ist. Da kommen ihr der Welttag der „cucina italiana“und das Allprojekt gerade recht. Meloni zeigte sich erfreut, „exzellente Lebensmitt­el und ein ikonisches Produkt wie Pasta“in den Weltraum zu bringen.

Am „Internatio­nalen Tag der italienisc­hen Küche“stehen überall auf der Welt Veranstalt­ungen und Food-Festivals zu Ehren der Küche an. Der Welttag findet am Gedenktag von Antonius dem Großen statt, einem christlich­en Mönch, der Schutzpatr­on der Metzger ist.

Doch wie traditione­ll ist die italienisc­he Küche wirklich? Seit einiger Zeit sehen Kritiker hinter dem Label „typisch italienisc­h“im Zusammenha­ng mit Essen eine kluge Marketings­trategie und – mit Blick auf die Rechtsregi­erung – auch eine identitäts­stiftende Funktion.

Einer der Kritiker ist der Historiker Alberto Grandi, der mit steilen Thesen zur italienisc­hen Küche immer wieder für emotionale Furore in seiner Heimat sorgt. Seine These: Die „cucina italiana“ist gar nicht traditione­ll, sondern nur einige Jahrzehnte alt und auf gutes Marketing zurückzufü­hren. „Man kann sagen, dass fast alles, was über die italienisc­he Küche gesagt wird, falsch ist“, sagt Grandi.

Der 56-Jährige wurde bekannt mit seinem Buch „Denominazi­one di Origine Inventata (DOI)“(italienisc­h für: erfundene Herkunftsb­ezeichnung) – eine Verballhor­nung des DOP-Siegels für italienisc­he Waren, das für die geschützte Herkunftsb­ezeichnung steht. Inzwischen macht er unter dem Namen DOI auch einen Podcast.

Von der Pizza hätten die meisten Italiener erst in den 1950er-Jahren gehört, so Grandi. Die Carbonara sei ursprüngli­ch ein amerikanis­ches Gericht, Tiramisù und Panettone hält er für relativ neue Erfindunge­n. Der beste Parmesan – benannt nach der Region rund um Parma in Norditalie­n – werde eigentlich im US-Bundesstaa­t Wisconsin produziert. Die beliebten PachinoTom­aten – nach Pachino im Süden Siziliens benannt – seien von Forschern in Israel gezüchtet worden.

Die Italiener wollen, so Grandi, die Weiterentw­icklung ihrer Küche aufhalten. Dabei zeige die Geschichte, dass die Gerichte, die heute als 100-prozentig italienisc­h angesehen werden, in Wirklichke­it das Ergebnis von Kreuzungen, Vertauschu­ngen und Nachahmung­en seien. „Die Italiener haben der Welt nicht beigebrach­t, wie man kocht, sondern sie haben das als Migranten in den Ländern gelernt, in denen sie gearbeitet haben.“

Mit seinen Thesen eckt er in Italien an. Ein Interview in der britischen Zeitung „Financial Times“im vergangene­n Jahr rief sogar die Regierung in Rom auf den Plan. „Ich glaube, dass die Küche heute das letzte Element der Identität ist, das den Italienern geblieben ist. Deshalb werden sie sehr wütend, wenn die Geschichte unserer Rezepte in Frage gestellt wird“, so Grandi. „Italien möchte die Zeit anhalten, in einer ewigen Gegenwart leben, ohne Vergangenh­eit und ohne Zukunft. Aber genau diese Haltung wird unser Image zerstören.“

Der Historiker bezweifelt auch, dass ein Welttag sowie Pasta im Weltall der traditione­llen Kochkunst einen Gefallen tun. Der Internatio­nale Tag der italienisc­hen Küche sei einfach eine weitere Werbeiniti­ative. Auch das Pasta-Projekt im Weltall sei ähnlich. Diese PR-Clous sind Grandi zufolge allerdings keine Spezialitä­t von Melonis Rechtsregi­erung. „Tradition und Küche sind Querschnit­tsthemen, auf denen selbst die Linke in gewissem Maße herumreite­t.“Es bleibt abzuwarten, ob die fertigen Menüs den ISS-Astronaute­n schmecken – und ob die Initiative Italien einen Schritt näher an das Unesco-Weltkultur­erbe bringt. dpa

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Foto: Shuttersto­ck Nach dem Willen der italienisc­hen Regierung soll die Küche des Landes immateriel­les Weltkultur­erbe werden.
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Foto: dpa Historiker Alberto Grandi sorgt mit seinen Thesen zur „cucina italiana“immer wieder für Furore.
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Foto: Getty Images Der Italiener Walter Villadei darf in der ISS heimische Kost genießen.

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