Warum sich Joe Biden über die Stärke des Erzgegners freut
Hinter vorgehaltener Hand ist man im Weißen Haus nicht ganz unglücklich über Donald Trumps Erdrutsch-Sieg in Iowa. Das hat mit Nikki Haley zu tun
Die Powerfrau aus South Carolina macht neuerdings die Wählbarkeit des republikanischen Präsidentschaftskandidaten im November zu einem zentralen Argument in ihrem Wahlkampf. Nikki Haley kann dabei auf Umfragen verweisen, die sie in einem hypothetischen Rennen gegen Amtsinhaber Biden deutlich vorn sehen. In einer aktuellen Erhebung für CBS liegt sie mit acht Punkten vor dem Präsidenten und damit außerhalb der Irrtumswahrscheinlichkeit. Donald Trump führt zum jetzigen Zeitpunkt dagegen nur mit statistisch nicht relevanten zwei Punkten.
Im Weißen Haus lesen der Präsident und seine Berater dieselben Umfragen. Und reiben sich klammheimlich die Hände, dass nicht Haley, sondern der vor vier Strafgerichten in 91 Punkten angeklagte Trump in Iowa einen Erdrutschsieg errungen hat. Biden selbst hatte das kürzlich eingeräumt. Ohne den Comeback-Versuch seines Vorgängers hätte er vermutlich nicht für eine zweite Amtszeit kandidiert, sagte er Reportern.
Der Präsident ist trotz seiner mageren Zustimmungswerte von 33 Prozent in einer IPSOS-Erhebung für ABC – die niedrigsten eines US-Präsidenten in den vergangenen 15 Jahren – von der Idee besessen, dass die Vergangenheit die Zukunft vorhersagt. Er habe Trump schon einmal geschlagen und werde es wieder tun.
Warnung vor Wunschdenken
Jennifer Palmieri ist sich da nicht so sicher. Als Kommunikationsdirektorin Hillary Clintons machte sie im Wahlkampf 2016 die bittere Erfahrung, dass der Politclown, der auf einer goldenen Rolltreppe in die amerikanische Politik schwebte, ein formidabler Gegner war und die Favoritin schlug. „Es ist besser für unser Land, wenn er bei den Vorwahlen der Republikaner geschlagen wird und nicht weiter Kraft tanken kann“, warnt sie in der „New York Times“vor Wunschdenken.
Wobei es einen entscheidenden Unterschied zu dem Rennen vor acht Jahren gibt. Damals gab es noch viele Neugierige, die das Risiko eingingen, einen unkonventionellen Außenseiter zu wählen. Heute findet sich in den USA kaum jemand, der zu Trump keine klare Meinung hat. Genau daran erinnert die ehemalige UN-Botschafterin Haley die Wähler vor den Primaries kommenden Dienstag in New Hampshire.
Für den am Wahltag 81-jährigen Biden wäre die Nominierung Haleys ein massives Problem. Sie ist 30 Jahre jünger als der Amtsinhaber. Mit ihren Positionen zur Ukraine, Israel und China steht sie dem Präsidenten näher als dem „Amerika-Zuerst“-Isolationisten Trump. Und niemand sieht von ihr eine Bedrohung für den Fortbestand der Demokratie in den USA ausgehen.
Bündnis der Demokratieverteidiger
Damit würde sie Bidens Strategie für den November den Teppich unter den Füßen wegziehen. Die zielt darauf ab, im Wahlkampf ein breites Bündnis aus Verteidigern der Demokratie zu mobilisieren, die sich gegen den „Diktator für einen Tag“stellen, der damit droht, sich an seinen politischen Gegnern zu rächen. Und wenn diese Rechnung nicht aufgeht, weil es einen
dritten, vierten und fünften unabhängigen Kandidaten gibt, die eine binäre Wahl verhindern? Dann, so warnen Analysten wie David Axelrodt, wäre das Risiko der Nominierung eines Präsidentschaftskandidaten Trump erheblich. „Die Amerikaner stehen in ihrem Alltag vor Herausforderungen“, sagt der ehemalige Chefstratege Barack Obamas. „Sie philosophieren nicht am Küchentisch darüber, was die Verfassungsväter wohl intendiert haben.“
Für den am Wahltag 81-jährigen Biden wäre die Nominierung Haleys ein massives Problem.