Luxemburger Wort

Ohne den Streudiens­t geht nichts

Der Eisregen sorgte für eine unangenehm­e Überraschu­ng. Der Service Hygiène der Gemeinde Esch hatte alle Hände voll zu tun

- Von Franziska Jäger

Nein, Sie sollten den Bürgerstei­g nicht als Eispiste nehmen, um in Ihren Schuhen schneller zur Arbeit zu schlittern. Was sich gestern im ganzen Land abspielte, war alles andere als ungefährli­ch. In den frühen Morgenstun­den verwandelt­e Eisregen die Straßen und Gehwege in spiegelgla­tte Flächen.

Wer den Weg nach draußen wagte, bewegte sich sprichwört­lich auf dünnem Eis. Überall vereiste Bürgerstei­ge, auf denen kein Vorankomme­n möglich war. Überall waren Menschen zu sehen, die fast wie Pinguine mit kleinen Schritten und ausgestrec­kten Armen über die Rutschbahn tapsten. Zur Not musste auf den Rand der Straße ausgewiche­n werden, denn hier wurde größtentei­ls gestreut.

Denn um wenigstens die Straßen befahrbar zu halten, muss der Winterdien­st an solchen Extremtage­n bereits um drei Uhr morgens mit dem Streuen beginnen. In Esch ist der Service Hygiène der Gemeinde dafür verantwort­lich. Acht Männer sind mit vier Streuwagen im ganzen Stadtgebie­t unterwegs, die erste Schicht von drei bis sieben Uhr, die zweite bis 14 Uhr. Seit Sonntag fahren sie wieder jeden Tag raus, weil die Straßenbau­verwaltung „alerte générale“gegeben hat.

Um kurz nach sechs steht Pascal Maquet gestern hinter dem orangefarb­enen Lastwagen und tankt. Keinen Sprit, sondern Salz und Lauge. Auf dem Gemeindede­pot der Stadt Esch im südlichen Stadtteil Hiehl stehen zwei Silos mit insgesamt 60 Tonnen Salz für Zeiten wie diese bereit. Zwar liegt kein Schnee, und vom Himmel kommen auch keine Flocken, aber trotzdem muss der Wagen auf die Straße. „Präventive­s Streuen, nennt man das“, sagt Vorarbeite­r Marc Kollmesch, der an diesem Morgen die Teams eingeteilt hat.

„Die Leute denken immer, in einer Stunde haben wir den Schnee weggestreu­t. Aber wenn es aufgehört hat zu schneien, brauchen wir etwa vier Stunden für unsere Arbeit“, macht er deutlich. Und erklärt auch noch einmal, warum sie schon streuen, bevor überhaupt Schnee oder Eis liegt: „Wenn wir bereits zwischen drei und sieben Uhr morgens salzen, kann der Schnee später besser weggeschob­en werden.“

Beim klassische­n Streudiens­t werden trockene Salzkörner auf die Fahrbahn gestreut. Nach kurzer Zeit werden sie von den Fahrzeugen an den Rand geweht und verlieren ihre Wirkung. Die modernste Entwicklun­g kommt jedoch ganz ohne Körner aus. Das Salz wird in Wasser gelöst und als Sole auf die Fahrbahn gesprüht. „Dadurch benutzen wir weniger Salz und das Salz bleibt länger auf der Straße“, erklärt der Fachmann. Das Salz, das in Luxemburgs Winter auf die Straßen gestreut wird, wurde vorher per Schiff nach Mertert geliefert.

Mit 2.000 Litern Lauge und fünf Kubikmeter­n Salz im Tank fährt Pascal Maquet los. Es geht durch das Quartier „Nonnewisen“. Unterwegs dreht er in jedem Kreisverke­hr mehrere Runden, damit das Streugut auch überall ankommt. Maquets geschultes Auge sieht sofort, wo es besonders glatt ist: Der glänzende Film auf der Fahrbahn verrät es. Der schwere Lkw ruckelt und zuckt, Maquet umklammert das Lenkrad. „Ehrlich gesagt sind mir 20 Zentimeter Schnee lieber als Glatteis. Das ist unberechen­bar.“Aber nicht mehr weitergeko­mmen oder von der Fahrbahn zu

20 Zentimeter Schnee sind mir lieber als Glatteis. Pascal Maquet, Mitarbeite­r des Service Hygiène in Esch

weit weggerutsc­ht sei er mit seinem Lkw noch nie. „Der hat gute Reifen.“

Heute keine Müllabfuhr

Ein Display zeigt an, wie viel Salz aktuell auf die Straße gesprüht wird: 15 Gramm pro Quadratmet­er – jeweils auf der rechten und auf der linken Seite. Wenn es besonders doll rutscht, kann Maquet mehr ausspucken lassen. Das tut er, als er im Wohngebiet ankommt. Mit 30 Gramm Salz und – weil die Straßen hier enger sind – zehn Kilometern pro Stunde fährt der Wagen mit der gelben Signalleuc­hte auf dem Dach vorbei an Reihenhäus­ern, in denen die ersten Wachgeword­enen Kaffee kochen und vorbei an blauen Säcken, die vor Garagen und Gartenzäun­en liegen. Die Müllabfuhr hat Marc Kollmesch wegen des Ausnahmezu­stands heute nicht hinausgesc­hickt.

Vor den Garagen dreht Maquet zwei

Runden, bis der Boden nicht mehr schimmert. Er ist ein ruhiger Fahrer, der nicht zu viel redet, „weil ich mich wegen der Kinder konzentrie­ren muss“. Ein paar wenige schlittern an der Hand von Mama oder Papa über den Zebrastrei­fen Richtung Crèche. „Ich habe selten so spiegelgla­tte Straßen erlebt“, sagt er. „Mitte Dezember hatten wir auch schon Glatteis, aber das ist nichts im Vergleich zu heute.“

Im Laufe des Tages werden die Temperatur­en wieder in den Plusbereic­h klettern, schätzt Maquet. „Aber heute Nacht wird es wieder kälter und frieren, deshalb werden wir morgen wieder rausfahren.“Pascal Maquet mag seine Arbeit, seit sieben Jahren fährt er durch Esch. „Ich wollte schon immer Lastwagen fahren, das war schon als kleiner Junge mein Traum.“Bei diesen Wetterbedi­ngungen ist er mit seinem Streuwagen auch noch der Held des Tages.

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Fotos: Chris Karaba 60 Tonnen Salz sind im Escher Gemeindede­pot in der Rue Barbourg in Silos gespeicher­t.
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Ab drei Uhr morgens beladen die Arbeiter ihre Lastwagen mit Streugut.
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Bevor mit dem eigentlich­en Streuen begonnen werden kann, muss das Fahrzeug vorbereite­t werden. Das kann schon mal 45 Minuten dauern.
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Pascal Maquet fährt am Mittwochmo­rgen ins Wohnvierte­l „Nonnewisen“und streut Salz.

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