Ohne den Streudienst geht nichts
Der Eisregen sorgte für eine unangenehme Überraschung. Der Service Hygiène der Gemeinde Esch hatte alle Hände voll zu tun
Nein, Sie sollten den Bürgersteig nicht als Eispiste nehmen, um in Ihren Schuhen schneller zur Arbeit zu schlittern. Was sich gestern im ganzen Land abspielte, war alles andere als ungefährlich. In den frühen Morgenstunden verwandelte Eisregen die Straßen und Gehwege in spiegelglatte Flächen.
Wer den Weg nach draußen wagte, bewegte sich sprichwörtlich auf dünnem Eis. Überall vereiste Bürgersteige, auf denen kein Vorankommen möglich war. Überall waren Menschen zu sehen, die fast wie Pinguine mit kleinen Schritten und ausgestreckten Armen über die Rutschbahn tapsten. Zur Not musste auf den Rand der Straße ausgewichen werden, denn hier wurde größtenteils gestreut.
Denn um wenigstens die Straßen befahrbar zu halten, muss der Winterdienst an solchen Extremtagen bereits um drei Uhr morgens mit dem Streuen beginnen. In Esch ist der Service Hygiène der Gemeinde dafür verantwortlich. Acht Männer sind mit vier Streuwagen im ganzen Stadtgebiet unterwegs, die erste Schicht von drei bis sieben Uhr, die zweite bis 14 Uhr. Seit Sonntag fahren sie wieder jeden Tag raus, weil die Straßenbauverwaltung „alerte générale“gegeben hat.
Um kurz nach sechs steht Pascal Maquet gestern hinter dem orangefarbenen Lastwagen und tankt. Keinen Sprit, sondern Salz und Lauge. Auf dem Gemeindedepot der Stadt Esch im südlichen Stadtteil Hiehl stehen zwei Silos mit insgesamt 60 Tonnen Salz für Zeiten wie diese bereit. Zwar liegt kein Schnee, und vom Himmel kommen auch keine Flocken, aber trotzdem muss der Wagen auf die Straße. „Präventives Streuen, nennt man das“, sagt Vorarbeiter Marc Kollmesch, der an diesem Morgen die Teams eingeteilt hat.
„Die Leute denken immer, in einer Stunde haben wir den Schnee weggestreut. Aber wenn es aufgehört hat zu schneien, brauchen wir etwa vier Stunden für unsere Arbeit“, macht er deutlich. Und erklärt auch noch einmal, warum sie schon streuen, bevor überhaupt Schnee oder Eis liegt: „Wenn wir bereits zwischen drei und sieben Uhr morgens salzen, kann der Schnee später besser weggeschoben werden.“
Beim klassischen Streudienst werden trockene Salzkörner auf die Fahrbahn gestreut. Nach kurzer Zeit werden sie von den Fahrzeugen an den Rand geweht und verlieren ihre Wirkung. Die modernste Entwicklung kommt jedoch ganz ohne Körner aus. Das Salz wird in Wasser gelöst und als Sole auf die Fahrbahn gesprüht. „Dadurch benutzen wir weniger Salz und das Salz bleibt länger auf der Straße“, erklärt der Fachmann. Das Salz, das in Luxemburgs Winter auf die Straßen gestreut wird, wurde vorher per Schiff nach Mertert geliefert.
Mit 2.000 Litern Lauge und fünf Kubikmetern Salz im Tank fährt Pascal Maquet los. Es geht durch das Quartier „Nonnewisen“. Unterwegs dreht er in jedem Kreisverkehr mehrere Runden, damit das Streugut auch überall ankommt. Maquets geschultes Auge sieht sofort, wo es besonders glatt ist: Der glänzende Film auf der Fahrbahn verrät es. Der schwere Lkw ruckelt und zuckt, Maquet umklammert das Lenkrad. „Ehrlich gesagt sind mir 20 Zentimeter Schnee lieber als Glatteis. Das ist unberechenbar.“Aber nicht mehr weitergekommen oder von der Fahrbahn zu
20 Zentimeter Schnee sind mir lieber als Glatteis. Pascal Maquet, Mitarbeiter des Service Hygiène in Esch
weit weggerutscht sei er mit seinem Lkw noch nie. „Der hat gute Reifen.“
Heute keine Müllabfuhr
Ein Display zeigt an, wie viel Salz aktuell auf die Straße gesprüht wird: 15 Gramm pro Quadratmeter – jeweils auf der rechten und auf der linken Seite. Wenn es besonders doll rutscht, kann Maquet mehr ausspucken lassen. Das tut er, als er im Wohngebiet ankommt. Mit 30 Gramm Salz und – weil die Straßen hier enger sind – zehn Kilometern pro Stunde fährt der Wagen mit der gelben Signalleuchte auf dem Dach vorbei an Reihenhäusern, in denen die ersten Wachgewordenen Kaffee kochen und vorbei an blauen Säcken, die vor Garagen und Gartenzäunen liegen. Die Müllabfuhr hat Marc Kollmesch wegen des Ausnahmezustands heute nicht hinausgeschickt.
Vor den Garagen dreht Maquet zwei
Runden, bis der Boden nicht mehr schimmert. Er ist ein ruhiger Fahrer, der nicht zu viel redet, „weil ich mich wegen der Kinder konzentrieren muss“. Ein paar wenige schlittern an der Hand von Mama oder Papa über den Zebrastreifen Richtung Crèche. „Ich habe selten so spiegelglatte Straßen erlebt“, sagt er. „Mitte Dezember hatten wir auch schon Glatteis, aber das ist nichts im Vergleich zu heute.“
Im Laufe des Tages werden die Temperaturen wieder in den Plusbereich klettern, schätzt Maquet. „Aber heute Nacht wird es wieder kälter und frieren, deshalb werden wir morgen wieder rausfahren.“Pascal Maquet mag seine Arbeit, seit sieben Jahren fährt er durch Esch. „Ich wollte schon immer Lastwagen fahren, das war schon als kleiner Junge mein Traum.“Bei diesen Wetterbedingungen ist er mit seinem Streuwagen auch noch der Held des Tages.