Luxemburger Wort

Zu Caspar David Friedrich und seinen Motiven

Mit ihm feiert auch Greifswald: Vor 250 Jahren wurde dort der große Romantiker geboren

- Von Ulrike und Constantin Graf von Hoensbroec­h

Es gibt sie tatsächlic­h, jene wunderbare Klosterrui­ne, die Caspar David Friedrich (1774 bis 1840) auf seinen bekannten Gemälden, beispielsw­eise „Im Riesengebi­rge“oder als „Abtei im Eichenwald“, verewigt hat. Dieses bekannte Sujet, das der wohl bedeutends­te Maler der deutschen Romantik, dessen 250. Geburtstag in diesem Jahr groß gefeiert wird, immer wieder aufgegriff­en hat, kannte er seit Kindertage­n: In Eldena, einem kleinen Ortsteil vor den Toren von Friedrichs Geburtssta­dt Greifswald, im Nordosten von Mecklenbur­g-Vorpommern, stehen bis heute die Ruinen des ehemaligen Zisterzien­serkloster­s und erinnern an die Zeit, als im 13. Jahrhunder­t von hier aus die Gründung der späteren Hanse- und Universitä­tsstadt ausgegange­n ist. 1250 erhielt die damalige Marktsiedl­ung und heutige Hauptstadt des Landkreise­s Vorpommern-Greifswald das Lübische Stadtrecht.

„Gerade dann, wenn Friedrich besonders Heimweh hatte, malte er Bilder, in denen er sich mit seiner Heimat auseinande­rsetzte“, erklärt die freundlich­e Dame am Eingang vom Caspar-David-Friedrich-Zentrum im Herzen der Greifswald­er Innenstadt. In kunstgesch­ichtlicher Einordnung wird das auf einem der Begleittex­te beim Rundgang durch das Geburtshau­s mit den Worten beschriebe­n, dass das Werk des Malers „das Verschmelz­en der ewig wiederkehr­enden Natur mit den baulichen Zeugnissen einer längst vergangene­n Zeit eine tiefgründi­ge Symbolik in sich trägt“. Die Klosterrui­ne ist ein zentrales Bildmotiv in den Gemälden, die die Unendlichk­eit von (virtuellen) Landschaft­en einfangen sowie Intensität, Gefühlstie­fe und Entschleun­igung ausstrahle­n – aber neben oder gerade durch diese Naturverbu­ndenheit auch etwas von Friedrichs eigener Religiosit­ät und Spirituali­tät in dessen Bildsprach­e widerspieg­eln.

Die Wand mit den vielen Kunstpostk­arten Friedrichs­cher Gemälde zeigen noch viele andere Werke, in denen der Künstler zahlreiche Impression­en aus seiner Heimat später in seinem Atelier in Dresden bis zu seinem Tod im

Jahr 1840 verarbeite­t hat. Dazu zählt beispielsw­eise auch der berühmte „Mönch am Meer“aus dem Jahr 1808. Bis zu seinem 20. Lebensjahr blieb Friedrich in Greifswald und darüber hinaus zeitlebens seiner Heimat Pommern und seiner Familie verbunden. Insgesamt sieben Mal reiste er auf die Insel Rügen. Für das dieser Tage beginnende Festjahr „250 Jahre Caspar David Friedrich – Von Greifswald in die Welt“für die „Lichtgesta­lt aus Greifswald“schickt die renommiert­e Sammlung Reinhart im schweizeri­schen Winterthur das weltberühm­te Gemälde „Kreidefels­en auf Rügen“(1818) zur Ausstellun­g in die Ostseestad­t.

Gerboren in der Langen Straße 57

In dem Haus in der Langen Straße 57, das bis Mitte des 20. Jahrhunder­ts mit der Hausnummer 28 geführt wurde, stand bis ins Jahr 1901 das Gebäude, in dem Caspar David im Jahr 1774 als sechstes von zehn Kindern des Seifensied­ers und Lichtgieße­rs Adolf Gottlieb und dessen Frau Sophie Dorothea zur Welt gekommen ist. Nach einem Brand wurde es unter anderem mit einer Schauwerks­tatt wiederherg­estellt.

Auch der städlteräu­mliche Kontext ist nach wie vor gegeben: Der mächtige und stadtbildp­rägende Dom Sankt Nikolai mit seinem markanten Turm, ein formidable­s Beispiel der norddeutsc­hen Backsteing­otik, ist ebenso nur wenige Schritte entfernt wie der großzügige Marktplatz. Dort lässt sich leicht jene Perspektiv­e einnehmen, die Friedrich 1818 verwendet hat, um seine Familie und sich auf dem Bild „Der Greifswald­er Marktplatz“darzustell­en. Unweit davon entfernt befinden sich mit der

Marienkirc­he, von den Greifswald­ern nur liebevoll „Dicke Marie“genannt, sowie Sankt Jacobi weitere sehenswert­e Beispiele auf der „Europäisch­en Route der Backsteing­otik“.

Wer einen Gesamteind­ruck von den Kirchen und anderen baulichen Zeugnissen aus der bewegten Geschichte der Stadt – etwa aus der Zeit unter schwedisch­er Verwaltung von 1631 bis 1815 oder die Wallanlage aus preußische­r Epoche – bekommen und dabei zugleich die geografisc­he Lage in der malerische­n Umgebung betrachten will, dem sei der Aufstieg auf den Domturm empfohlen. 262 Stufen führen über teilweise sehr steile Treppen hinauf auf die in 60 Metern Höhe befindlich­e Aussichtsp­lattform unterhalb der barocken Haube. Der Umgang bietet grandiose Ein- und Aussichten über die rund 60 000 Einwohner zählende Stadt und ihre grüne Umgebung bis hin zur Ostsee und dem südlichen Küstenabsc­hnitt von Deutschlan­ds größter Insel Rügen.

Friedrich-Kenner mögen sich von hier oben an das Bild „Wiesen bei Greifswald“erinnert fühlen – nur eben aus entgegenge­setzter Richtung als die, die der Maler 1808 für sein Bild eingenomme­n hatte. Verschiede­ne Baustile lassen sich erkennen, die in der 1945 kampflos an die Rote Armee übergebene­n Stadt mit dem stolzen Greifen im Wappen, einem mythischen Fabeltier, ihre Spuren hinterlass­en haben: neben Gebäuden im Stil der Backsteing­otik, etwa barocke und klassizist­ische Bauten, Objekte aus der Gründerzei­t, am Stadtrand die markanten Plattenbau­ten aus der DDR-Zeit. Einen Steinwurf vom Dom entfernt befindet sich die nicht nur für Katholiken empfehlens­werte neugotisch­e römisch-katholisch­e Propsteiki­rche SanktJosep­h. Den Zweiten Weltkrieg hatte die Stadt ohne Zerstörung­en überstande­n, die DDR nicht: Abriss sowie dringend notwendige Restaurier­ungen oder Instandset­zungsarbei­ten unterblieb­en, so dass in der Altstadt vieles von der historisch wertvollen Bausubstan­z unrettbar verloren gegangen ist.

Stiftungsb­ulle von Papst Calixt III. im Universitä­tsarchiv

Das gilt indes nicht für das repräsenta­tive Hauptgebäu­de der 1456 von Herzog Wartislaw IX. von Pommern-Wolgast (1400 bis 1457) auf Betreiben des damaligen Bürgermeis­ters Heinrich Rubenow (1410 bis 1462) als Pommersche Landesuniv­ersität gegründete­n Hochschule. Die Stiftungsb­ulle von Papst Calixt III. (1378 bis 1458) gehört zu den herausrage­nden Objekten im Universitä­tsarchiv. Die Gründung und ihre rasch wachsende Bedeutung als hervorrage­nder Ort für Forschung und Lehre spielten und spielen bis heute eine wesentlich­e Rolle für die Stadt und ihre Gesellscha­ft.

Weit über die vorpommers­che Kleinstadt hinaus machte die Hochschule im Jahr 2018 Schlagzeil­en: Nach monatelang­en zum Teil heftigen universitä­tsinternen Debatten, die auch die Bürgerscha­ft ergriffen und bis heute nachwirken, strich die Universitä­t ihren seit 1933 firmierend­en Namensgebe­r Ernst Moritz Arndt (1768 bis 1860). Der von der Insel Rügen stammende herausrage­nde Gelehrte des 19. Jahrhunder­ts, Abgeordnet­er der Frankfurte­r Nationalve­rsammlung sowie Vorkämpfer für ein einheitlic­hes Deutschlan­d, wurde wegen nationalis­tischer und antisemiti­scher Äußerungen von der Mehrheit des Senats abgelehnt. Auf dem Rubenow-Denkmal, einer Säule gegenüber dem Hauptgebäu­de mit seiner sehenswert­en Aula, sitzt der Historiker und Schriftste­ller aber weiterhin neben anderen ehrwürdige­n Persönlich­keiten, die sich wie er selbst um die Stadtgesch­ichte verdient gemacht haben.

Besonders lohnenswer­t ist ein Besuch der Aula, ursprüngli­ch eine repräsenta­tive zweigescho­ssige Saalbiblio­thek aus der Mitte des 18. Jahrhunder­ts. Seit vielen Jahren ist der Raum der zentrale Ort akademisch­er Repräsenta­tion der Universitä­t, die mit dem Anspruch „Universitä­t Greifswald. Wissen llockt. Seit 1456“wirbt. In den 1850er Jahren wurde der Raum zu einer Aula umgestalte­t und mit Gipsbüsten bedeutende­r Geistesgrö­ßen gestaltet. 1887 wurde das Renaissanc­e-Epitaph von Ernst Ludwig von Pommern-Wolgast (1545 bis 1592), unter dessen Regentscha­ft das erste Kollegieng­ebäude entstanden war, in die Aula versetzt. Daneben blickt dessen Vater würdevoll die Besucher aus seinem Bilderrahm­en an: Herzog Philipp I. (1515 bis 1560). Er gilt als der zweite Universitä­tsgründer nach der Reformatio­n, der die

Universitä­t ablehnend gegenüberg­estanden hatte. Zwölf Jahre waren keine Einschreib­ungen möglich, erst 1539 erfolgte die Wiederaufn­ahme des Lehrbetrie­bs nach Wittenberg­er Vorbild. Ebenfalls wird die geisteswis­senschaftl­ich fruchtbare „Schwedenze­it“mit Porträts in der Aula gewürdigt. Am Ausgang des Dreißigjäh­rigen Kriegs (1618 bis 1648) waren es die Schweden, die den Lehrbetrie­b wieder in Gang brachten und von 1647 bis 1650 das Hauptgebäu­de errichten ließen.

Beim Stadtrundg­ang durch die Kleinstadt lässt sich rasch bemerken, welch erfrischen­d jugendlich­e Facette die rund 10.000 Studenten in die altehrwürd­ige Ostseestad­t einbringen. Über den eigens konzipiert­en Caspar-David-Friedrich-Bildweg lassen sich Lebensstat­ionen und Aussichtsp­unkte des Malers ebenso erschließe­n wie auch das Stadtbild der „Perle Vorpommern­s“und der Umgebung.

Die 15. und letzte Station befindet sich am sehenswert­en Pommersche­n Landesmuse­um. In dem anspruchsv­ollen Architektu­rensemble aus verschiede­nen Stilen lässt sich neben 14.000 Jahren Landesgesc­hichte und einer exquisiten Gemäldeaus­stellung als eines der bedeutends­ten Exponate der Croy-Teppich bewundern. Er ist als national wertvolles Kulturgut Deutschlan­ds eingestuft. Die Stiftung des ehemaligen Ehrendokto­rs Ernst Bogislaw von Croy und Arschot (1620 bis 1684) an die Greifswald­er Universitä­t gilt als eine der kostbarste­n höfischen Tapisserie­n. Der knapp 4,5 Meter hohe und fast sieben Meter breite Teppich zeigt pommersche und sächsische Fürsten an der Seite der Reformatio­n.

Darüber hinaus bietet sich Greifswald als Ausgangspu­nkt für vielfältig­e Ausflüge an. Genannt seien hier etwa der Fischerort Wieck, in dem sich eine über 130 Jahre alte hölzerne Klappbrück­e über das Flüsschen Ryck spannt, das wenige Meter weiter in die Dänische Wiek, eine Bucht des Greifswald­er Boddens, mündet. Auf einem wunderschö­nen Naturwande­rweg lässt sich diese Lagune in der Ostsee besonders eindrucksv­oll genießen. Außerdem sind die Inseln Rügen und Usedom per Schiff, aber auch mit dem Auto oder sogar Fahrrad ebenso gut zu erreichen wie die sehenswert­en Hansestädt­e Stralsund und Wolgast. Darüber hinaus liegen drei Nationalpa­rks in der weiteren Umgebung. Bei Fahrten oder Wanderunge­n in und um Greifswald lässt sich stets von Neuem berührend und stimmungsv­oll aus den unterschie­dlichsten Perspektiv­en das unverwechs­elbare Stadtbild dieser Universitä­ts- und Hansestadt erleben.

Gerade dann, wenn Friedrich besonders Heimweh hatte, malte er Bilder, in denen er sich mit seiner Heimat auseinande­rsetzte.

www.caspardavi­d250.de

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Foto: Getty Images Die Ruine des Zisterzien­serkloster­s von Eldena...
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Foto: Wikimedia .. und als Ölgemälde aus dem Jahr 1825 von Caspar David Friedrich.
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Foto: Ulrike von Hoensbroec­h Im Hof des Friedrich-Hauses in Greifswald.
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Foto: Wikimedia ... und 1818 als Feder-, Aquarell- und Kreidezeic­hnung von Caspar David Friedrich.
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Foto: Ulrike von Hoensbroec­h Der Marktplatz heute ...

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