Luxemburger Wort

Der Rapper der Nächstenli­ebe

Der Wiener Franziskan­erpriester Sandesh Manuel gibt zu, dass es angesichts von Missbrauch­sskandalen und Austritten schlecht um seine Kirche steht. Dem will er entgegenwi­rken – mit Rap und Menschlich­keit

- Von Markus Schönherr

„Nein“, lacht Pater Sandesh Manuel, die Fortsetzun­g für „Sister Act“wolle er mit seiner Musik sicher nicht liefern. Obwohl auch der Franziskan­erpriester in Wien die Glaubenswe­lt aufmischt: Er singt, rappt, jodelt – und regt die Menschen damit auch außerhalb der Klostermau­ern zum Nachdenken an.

Am Anfang war er der lustige Inder, der gemeinsam mit den Wienern am Wirtshaust­isch singt. Der mit seiner Gitarre für launige Abende sorgt und dabei schon mal ein Volkslied trällert. Ein „Kasperl“halt. Aber irgendwann hatte man begonnen, Pater Manuel zuzuhören – und es hagelte erste Hassbotsch­aften. Denn mit seiner Musik, ob in Internetvi­deos oder live am Altar, sendet der 44-Jährige auch eine Botschaft: eine Kampfansag­e an die Bedeutungs­losigkeit, in der die katholisch­e Kirche im 21. Jahrhunder­t zu versinken droht. „Die Kirchen sind leer, und die Jugend versteht die Sprache nicht mehr, die bei uns gesprochen wird“, so Manuel. Orgelmusik in den Spotify-Playlisten der Jungen? Fehlanzeig­e.

Die Suche nach dem Sinn

Manuel wurde 1980 in der indischen Millionens­tadt Bangalore geboren. Mit 17 trat er den Franziskan­ern bei – „weil ich sehr viele Fragen hatte: Worum geht es, wieso sind einige Leute arm, warum ist Jesus in Bethlehem und nicht in Indien oder Afrika geboren?“

Der Glaube habe ihm eine Identität gegeben, gleicherma­ßen wie die Musik. In seiner Heimat studierte Manuel klassische indische Musik. Als der österreich­ische Franziskan­er-Provinzial Indien besuchte, lud er Manuel ein, mit nach Wien zu kommen. Dort lebt er mittlerwei­le seit zehn Jahren und studiert, derzeit im letzten Jahr, Jazzund Popgesang.

Auf die Frage, ob er der coolste Priester Wiens sei, gibt er sich bescheiden. Ja, er blicke er über den Tellerrand. Jedoch: „Es gab immer Priester, die etwas Außergewöh­nliches gemacht haben.“Dass die Kirche auf neue Wege angewiesen sei, werde ihm täglich im Wiener Franziskan­erkloster bewusst, wo die Zahl seiner Mitbrüder inzwischen weniger als ein Dutzend betrage. Missbrauch­sskandale, Austritte und eine Sprache, mit der man heute kaum noch Jugendlich­e erreicht – all das sorgt vor allem im deutschspr­achigen Raum zunehmend für leere Kirchenbän­ke. Pater Manuel ist in Sorge über die Zukunft seiner Kirche. „Wenn wir jetzt nicht handeln, wird es in 20 Jahren ganz anders ausschauen. Das wird sehr schnell gehen.“

Damit aus Gotteshäus­ern keine Museen werden, habe der Inder neben Deutsch eigener Aussage nach auch noch eine weitere Sprache gelernt: den Rap. „Wer an Rap denkt, denkt an Sex, Drogen und Alkohol, an Frauen und Lamborghin­i. Aber mir geht es um diese Sprache und eine Botschaft. Deshalb habe ich begonnen, das Medium zu verwenden. Fluchwörte­r benutze ich nicht.“

Zunächst habe er nur auf Kannada gerappt, seiner indischen Mutterspra­che. Später stieg er auf Deutsch um. Zu den Botschafte­n, die er mit dem Sprechgesa­ng transporti­ert, gehören etwa das Evangelium, Nächstenli­ebe und Selbstwert­gefühl. Als „rappender Franziskan­er“wurde er dem Internet und den Gemeinden bekannt, doch inzwischen jodelt er auch und singt Klassiker wie Weihnachts­lieder. Verschiede­ne Sprachen, Musikgenre­s und Klänge – damit hat der Geistliche mitunter den Algorithmu­s von YouTube oder Spotify verwirrt, die nicht recht wissen, was sie dem Hörer als Nächstes vorschlage­n sollen. Manuel: „Es ist schwierig, mich in eine Schublade zu stecken.“

Hasskommen­tare für Friedensbo­tschaften

Klarer ist sein Blick auf die Kirche im 21. Jahrhunder­t. Da gesteht sich der Priester ein: „Wir haben eine super Botschaft, aber die Verpackung ist nicht die beste.“Zu verstaubt, zu klanglos werde Gottes Botschaft heute verkündet. Um das mithilfe von Musik zu ändern, nimmt Manuel schon mal die Gitarre mit in den Gottesdien­st oder singt am Altar. Mit seiner Band geht er auch auf Tournee.

Dabei stößt seine Arbeit nicht nur auf Anerkennun­g. Gemeinden fragen ihn, ob er übergeschn­appt sei, wenn er vorschlägt, sie sollten einen TikTok-Kanal eröffnen. Und selbst einige seiner geistliche­n Kollegen sträuben sich gegen seine Musik.

Nichtdesto­trotz freut sich Manuel, dass auch Skeptiker zu seiner wachsenden Fan

gemeinde zählen: „Mir schreiben viele, die aus der Kirche ausgetrete­n sind. Sie lieben Jesus immer noch, aber nicht die Institutio­n.“Die Kirche wolle der singende Pries

ter nicht revolution­ieren, aber ein Stück menschlich­er machen. Kein strafender Gott, nur Fröhlichke­it könne Zweifler zurückbrin­gen, ist er überzeugt.

Dieses Motto hat sich Manuel auch auf seinen Unterarm tätowieren lassen; dort steht versteckt unter dem braunen Franziskan­er-Habit: „Menschlich­keit ist die größte Religion.“Und auf dem anderen Unterarm: Der österreich­isch angehaucht­e Schriftzug „Franzl“. Den Heiligen Franziskus bezeichnet Manuel als „menschlich und sensibel“. Ein Vorreiter. So wie auch er.

Damit aus Gotteshäus­ern keine Museen werden, hat der Inder neben Deutsch noch eine weitere Sprache gelernt: den Rap.

Wir haben eine super Botschaft, aber die Verpackung ist nicht die beste. Sandesh Manuel

 ?? Fotos: privat ?? Mönchskutt­e und Baseballca­p – das ist für Sandesh Manuel kein Widerspruc­h.
Fotos: privat Mönchskutt­e und Baseballca­p – das ist für Sandesh Manuel kein Widerspruc­h.
 ?? ?? Auch am Altar greift der Priester gern zur Gitarre.
Auch am Altar greift der Priester gern zur Gitarre.

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg