Der Rapper der Nächstenliebe
Der Wiener Franziskanerpriester Sandesh Manuel gibt zu, dass es angesichts von Missbrauchsskandalen und Austritten schlecht um seine Kirche steht. Dem will er entgegenwirken – mit Rap und Menschlichkeit
„Nein“, lacht Pater Sandesh Manuel, die Fortsetzung für „Sister Act“wolle er mit seiner Musik sicher nicht liefern. Obwohl auch der Franziskanerpriester in Wien die Glaubenswelt aufmischt: Er singt, rappt, jodelt – und regt die Menschen damit auch außerhalb der Klostermauern zum Nachdenken an.
Am Anfang war er der lustige Inder, der gemeinsam mit den Wienern am Wirtshaustisch singt. Der mit seiner Gitarre für launige Abende sorgt und dabei schon mal ein Volkslied trällert. Ein „Kasperl“halt. Aber irgendwann hatte man begonnen, Pater Manuel zuzuhören – und es hagelte erste Hassbotschaften. Denn mit seiner Musik, ob in Internetvideos oder live am Altar, sendet der 44-Jährige auch eine Botschaft: eine Kampfansage an die Bedeutungslosigkeit, in der die katholische Kirche im 21. Jahrhundert zu versinken droht. „Die Kirchen sind leer, und die Jugend versteht die Sprache nicht mehr, die bei uns gesprochen wird“, so Manuel. Orgelmusik in den Spotify-Playlisten der Jungen? Fehlanzeige.
Die Suche nach dem Sinn
Manuel wurde 1980 in der indischen Millionenstadt Bangalore geboren. Mit 17 trat er den Franziskanern bei – „weil ich sehr viele Fragen hatte: Worum geht es, wieso sind einige Leute arm, warum ist Jesus in Bethlehem und nicht in Indien oder Afrika geboren?“
Der Glaube habe ihm eine Identität gegeben, gleichermaßen wie die Musik. In seiner Heimat studierte Manuel klassische indische Musik. Als der österreichische Franziskaner-Provinzial Indien besuchte, lud er Manuel ein, mit nach Wien zu kommen. Dort lebt er mittlerweile seit zehn Jahren und studiert, derzeit im letzten Jahr, Jazzund Popgesang.
Auf die Frage, ob er der coolste Priester Wiens sei, gibt er sich bescheiden. Ja, er blicke er über den Tellerrand. Jedoch: „Es gab immer Priester, die etwas Außergewöhnliches gemacht haben.“Dass die Kirche auf neue Wege angewiesen sei, werde ihm täglich im Wiener Franziskanerkloster bewusst, wo die Zahl seiner Mitbrüder inzwischen weniger als ein Dutzend betrage. Missbrauchsskandale, Austritte und eine Sprache, mit der man heute kaum noch Jugendliche erreicht – all das sorgt vor allem im deutschsprachigen Raum zunehmend für leere Kirchenbänke. Pater Manuel ist in Sorge über die Zukunft seiner Kirche. „Wenn wir jetzt nicht handeln, wird es in 20 Jahren ganz anders ausschauen. Das wird sehr schnell gehen.“
Damit aus Gotteshäusern keine Museen werden, habe der Inder neben Deutsch eigener Aussage nach auch noch eine weitere Sprache gelernt: den Rap. „Wer an Rap denkt, denkt an Sex, Drogen und Alkohol, an Frauen und Lamborghini. Aber mir geht es um diese Sprache und eine Botschaft. Deshalb habe ich begonnen, das Medium zu verwenden. Fluchwörter benutze ich nicht.“
Zunächst habe er nur auf Kannada gerappt, seiner indischen Muttersprache. Später stieg er auf Deutsch um. Zu den Botschaften, die er mit dem Sprechgesang transportiert, gehören etwa das Evangelium, Nächstenliebe und Selbstwertgefühl. Als „rappender Franziskaner“wurde er dem Internet und den Gemeinden bekannt, doch inzwischen jodelt er auch und singt Klassiker wie Weihnachtslieder. Verschiedene Sprachen, Musikgenres und Klänge – damit hat der Geistliche mitunter den Algorithmus von YouTube oder Spotify verwirrt, die nicht recht wissen, was sie dem Hörer als Nächstes vorschlagen sollen. Manuel: „Es ist schwierig, mich in eine Schublade zu stecken.“
Hasskommentare für Friedensbotschaften
Klarer ist sein Blick auf die Kirche im 21. Jahrhundert. Da gesteht sich der Priester ein: „Wir haben eine super Botschaft, aber die Verpackung ist nicht die beste.“Zu verstaubt, zu klanglos werde Gottes Botschaft heute verkündet. Um das mithilfe von Musik zu ändern, nimmt Manuel schon mal die Gitarre mit in den Gottesdienst oder singt am Altar. Mit seiner Band geht er auch auf Tournee.
Dabei stößt seine Arbeit nicht nur auf Anerkennung. Gemeinden fragen ihn, ob er übergeschnappt sei, wenn er vorschlägt, sie sollten einen TikTok-Kanal eröffnen. Und selbst einige seiner geistlichen Kollegen sträuben sich gegen seine Musik.
Nichtdestotrotz freut sich Manuel, dass auch Skeptiker zu seiner wachsenden Fan
gemeinde zählen: „Mir schreiben viele, die aus der Kirche ausgetreten sind. Sie lieben Jesus immer noch, aber nicht die Institution.“Die Kirche wolle der singende Pries
ter nicht revolutionieren, aber ein Stück menschlicher machen. Kein strafender Gott, nur Fröhlichkeit könne Zweifler zurückbringen, ist er überzeugt.
Dieses Motto hat sich Manuel auch auf seinen Unterarm tätowieren lassen; dort steht versteckt unter dem braunen Franziskaner-Habit: „Menschlichkeit ist die größte Religion.“Und auf dem anderen Unterarm: Der österreichisch angehauchte Schriftzug „Franzl“. Den Heiligen Franziskus bezeichnet Manuel als „menschlich und sensibel“. Ein Vorreiter. So wie auch er.
Damit aus Gotteshäusern keine Museen werden, hat der Inder neben Deutsch noch eine weitere Sprache gelernt: den Rap.
Wir haben eine super Botschaft, aber die Verpackung ist nicht die beste. Sandesh Manuel