DP: Die Suche nach Kandidaten für Europa läuft an
Konkret angesprochen wurde bisher niemand, aber an talentierten Politikanwärtern mangelt es wahrlich nicht
Man bemüht sich, zitiert der liberale Europaabgeordnete Charles Goerens gut gelaunt aus dem Gedächtnis den deutschen Politiker Willy Brandt. Das „Wort“wollte von ihm wissen, wie es vorangeht mit der Europaliste der Liberalen. Bei den Wahlen 2019 war die DPListe schon Anfang Februar gesetzt.
2024 wird es länger dauern, nur eine Personalie ist bisher bekannt: Goerens wird, mit bald 72 Jahren, ein weiteres Mal für das EUParlament kandidieren. Weil er so viel Erfahrung hat, sagte Xavier Bettel. Oder anders ausgedrückt: Weil ein anderes Zugpferd von dem Kaliber und auf dem Niveau bei der DP nicht in Sicht ist.
Mit über 97.000 Wählerstimmen führte Goerens 2019 das Feld der Europaabgeordneten mit großem Abstand an: Über 30.000 Stimmen mehr hatte der gebürtige Ettelbrücker als der Zweitgewählte Christophe Hansen von der CSV. Keiner hatte auch im Norden so viele Stimmen wie Goerens bei den Chamberwahlen 2013, wo er fast 7.000 Stimmen vor André Bauler lag. Es war dank seiner Erfahrung, dass die DP 2019 mit der ehemaligen RTL-Moderatorin Monica Semedo einen zweiten Sitz im Europäischen Parlament erlangen konnten.
Dass die DP ihren zweiten Sitz in Straßburg zurückerobern kann, gilt als unwahrscheinlich
Die erfolgsverwöhnten Liberalen, mit einem hervorragenden Score aus den Wahlen auf Gemeindeebene im Juni und zwei Sitzen zusätzlich aus den Chamberwahlen im Oktober 2023 hervorgegangen, müssen sich darauf einstellen, dass ihre Glückssträhne in diesem Jahr vielleicht reißen könnte.
Der zweite Europasitz ging über die Mobbing-Vorwürfe gegen Semedo und ihren Austritt aus der DP verloren – und es ist nicht so
leicht, derart stimmenträchtige Nachfolger zu finden. Xavier Bettel hat mehrfach verneint, für einen Posten auf europäischer Ebene zur Verfügung zu stehen, doch die Gerüchte um ihn reißen nicht ab. Bettel als Luxemburger EP-Kandidat neben Nicolas Schmit oder einem Christophe Hansen wäre zumindest für die Medien ein ziemliches Spektakel.
Andererseits ist zu hören: Parteiinternes Ziel sei, das eine Mandat zu halten, man gibt sich in Gesprächen lieber bescheiden. Zumal die Sozialisten, trotz Absage von Jean Asselborn, der sich aus der Politik verabschiedet hat, wahrscheinlich mit einer starken Europaliste antreten werden. Trotzdem soll das Interesse an der Kandidatenliste groß sein – und an Auswahl mangelt es wahrlich nicht.
Im Laufe vom Februar soll die Liste Form annehmen, sicher ist nur, dass sie wegen der Vorgaben zur Parteienfinanzierung paritätisch besetzt sein wird. Und dass mit großer Wahrscheinlichkeit einige junge Kandidaten dabei sein werden: Die jungen Demokraten haben sich mehr nationale Aufmerksamkeit verdient, die JDL konnte die Zahl ihrer Mitglieder mit Mandat nach den Gemeindewahlen verdreifachen.
Der DP-Abgeordnete Gusty Graas, 2019 Kandidat für Straßburg, sieht sich auf „Wort“Nachfrage nicht in der Lage, Näheres zur Kandidatensuche mitzuteilen. Den Lead hat klar Charles Goerens und er hat sich noch Bedenkzeit erbeten. Auf Graas‘ Erfahrung komplett zu verzichten, ist indes schwer vorstellbar: Graas leitet den Auswärtigen Ausschuss in der Chamber, ist Präsident der Luxemburger Delegation bei der parlamentarischen Versammlung in Europa und Luxemburger Vertreter bei der OSZE und hat auch sonst Luxemburg schon oft auf internationalem Parkett entweder begleitet oder vertreten.
Auch Anne Daems, Vize-Präsidentin der DP und 2019 noch Kandidatin, verfügt über solide Europaexpertise. Ob sie dieses Jahr dabei sein wird, ist unsicher. Sie hat den Koffer in die Ecke gestellt und sich zuletzt verstärkt lokal und national eingebracht. Bei ihren ersten Chamberwahlen im Herbst hatte sie ein passables Ergebnis erzielt, auch wenn sie sich nicht gegen ihre Mitbewerber durchsetzen konnte.
Auch mit Minister Bettel auf Reisen im Land gut aufgestellt
Dabei hat die Partei rund um Xavier Bettel vieles richtig gemacht: Sie fördert konsequent den Nachwuchs und muss deshalb auch nicht fürchten, jetzt, wo ihr Spitzenmann in der Welt herumdüst, kein fähiges Bodenpersonal zu haben: Die Parteiführung mit Lex Delles und Carole Hartmann hat die Verjüngung und die regionale Verankerung konsequent vorangetrieben. Delles ist selbst immer besser in seine Rolle als Parteipräsident hineingewachsen. Treue und Engagement wurden mit mehr Verantwortung im Wirtschaftsministerium belohnt.
Carole Hartmann hätte das Zeug zu allen möglichen Ämtern: Ihr Verbleib in Echternach und im Parlament ist wohlkalkuliert, es festigt die Präsenz der DP im Osten und zugleich kann die Abgeordnete, Bürgermeisterin und Vizepräsidentin zeigen, wie fleißig und erfolgreich sie ist.
Dass die Aufstellung der Europaliste für Kopfzerbrechen sorgt, ist auch, weil sich viele aufstrebende Liberale auf nationaler oder Gemeindeebene ihre ersten (oder zweiten) Sporen verdienen: die energische Barbara Agostino aus Petingen etwa, oder Tennisspielerin Mandy Minella, die beide durch die erneute Regierungsbeteiligung in die Chamber nachrückten. Agostino kommt für Europa aber nach eigenen Aussagen nicht infrage – „schon deshalb nicht, weil ich meiner Frau nicht in den Rücken fallen will“, sagte sie dem „Wort“. Partnerin Tilly Metz ist als EU-Deputierte für die Grünen in Straßburg.
Die DP hat vieles richtig gemacht: Der Nachwuchs steht für weitere Aufgaben bereit
Aber auch der DP-Südabgeordnete Luc Emering aus Dippach, der frisch gebackene Präsident der jungen Liberalen (JDL), Lou Linster, der den scheidenden JDL-Chef und Bauingenieur Michael Agostini ablöst, oder Amela Skenderovic zählen zu den vielversprechenden Polit-Neulingen aus dem Süden. Emering und Linster haben sich gerade erst in ihre neuen Ämter eingearbeitet. Die Englischlehrerin Skenderovic gehört übrigens, ebenso wie der Wiltzer Gemeinderat (und ehemalige Fußballspieler) Amal Cosic zur zweiten Generation von Einwanderern aus den Balkanländern Montenegro und Bosnien-Herzegowina.
Im Zentrum hat sich die gelernte Juristin Jana DeGrott hinter einer starken Konkurrenz auf Platz 13 bei den Chamberwahlen gut geschlagen. In München geboren, mit der Familie nach Luxemburg gezogen, kann sie schon auf etliche internationale Auftritte zurückblicken, etwa als Co-Gründerin von We Belong Europe und als junge Obama-Leader. Angesichts der Politiktalente, die bei den Liberalen in den Startlöchern stehen, scheint die Besetzung der Europaliste bei den Liberalen dann doch fast wie ein Luxusproblem.
Die Parteiführung mit Lex Delles und Carole Hartmann hat die Verjüngung und die regionale Verankerung konsequent vorangetrieben.