„Es ist Fakt, dass organisierte Bettelei derzeit nicht verfolgt wird“
CSV-Justizministerin Elisabeth Margue ist sich der juristischen Unsicherheit in Bezug auf die Strafbarkeit der einfachen Bettelei bewusst
In der Fragestunde im Parlament am Dienstag hatte Justizministerin Elisabeth Margue (CSV) noch gesagt, sie sehe keine Notwendigkeit, im Zusammenhang mit dem Bettelverbot gesetzlich nachzubessern.
Doch das war, bevor Staatsanwalt Georges Oswald am Mittwochmorgen auf RTL auf die Unklarheiten im 2008 geänderten Immigrationsgesetz einging. Diese Unklarheiten sind der Grund für die Diskussion über die Rechtmäßigkeit der hauptstädtischen Polizeiverordnung, die besagt, dass das Betteln zu bestimmten Zeiten an bestimmten Orten verboten ist.
Fehler von 2008 wurde nie korrigiert
2008 kam es im Zuge der Reform des Immigrationsgesetzes zu einem folgenschweren Fehler, der in all den Jahren nie korrigiert worden ist: Statt im Artikel 563 Absatz 2 Punkt 6 abzuschaffen, wurde damals Punkt 6 Absatz 2 abgeschafft. Wegen dieses Fehlers ist nun unklar, ob die einfache Bettelei im Strafgesetzbuch abgeschafft ist oder nicht.
Klar aber ist: Es war nicht die Absicht der damaligen Regierung, die einfache Bettelei straffrei zu machen. Die Richter aber kamen aufgrund der neuen Gesetzeslage in mehreren Urteilen in zweiter Instanz zur Schlussfolgerung, dass sie nicht mehr strafbar sei. Da es nach dieser Lesart keine gesetzliche Grundlage für ein Verbot gibt, darf das Verbot nicht per kommunale Polizeiverordnung wieder eingeführt werden, wie Oswald erklärte.
Doch genau das hat die Stadt Luxemburg gemacht, nachdem Innenund Polizeiminister Léon Gloden (CSV) grünes Licht dafür gegeben und das Nein seiner Vorgängerin Taina Bofferding (LSAP) zur erweiterten Polizeiverordnung aufgehoben hatte.
Léon Gloden äußert sich nicht zu Aussagen des Staatsanwalts
Léon Gloden wollte sich am Mittwochabend im RTL-Journal nicht zu den Aussagen des Staatsanwalts äußern und verwies auf die bevorstehende gemeinsame Sitzung mit den Mitgliedern der beiden parlamentarischen Ausschüsse Justiz und Innere Sicherheit, die am Mittwoch hätte stattfinden sollen, wegen der Wetterverhältnisse aber auf den 23. Januar verschoben wurde.
Im Gespräch mit dem „Luxemburger Wort“sagte die Justizministerin am Mittwoch, sie wolle sich weder zur Lesart der Staatsanwaltschaft noch zur Lesart Glodens äußern, schließe eine Klärung im Kontext einer „globalen Reform des strafrechtlichen Rahmens“aber nicht aus.
Ähnlich äußerte sie sich gestern Morgen auf RTL. Das Strafgesetzbuch stamme aus dem Jahr 1809 und enthalte eine Reihe von veralteten Bestimmungen, die nicht mehr zeitgemäß seien. „Ich kann mir vorstellen, dies zeitnah in Angriff zu nehmen“, so Margue auf RTL.
„Stadt und Justiz brauchen Instrumente, um handeln zu können“
Sie verteidigte aber auch das Vorgehen der Stadt Luxemburg, die ein Problem mit der organisierten Bettelei habe und Instrumente brauche, um dagegen vorzugehen. „Es ist unsere Aufgabe als Politik, der Stadt Instrumente zu geben, damit sie das Problem in den Griff bekommt.“
„Es ist ein Fakt, dass die organisierte Bettelei derzeit nicht verfolgt wird“, fügte Margue hinzu. So ähnlich hatte es auch Georges Oswald ausgedrückt. Strenge Kriterien machten es der Justiz derart schwer, Straftaten zu verfolgen, dass die meisten Untersuchungen eingestellt werden mussten. Margue meinte dazu, dass auf europäischer Ebene Gesetzesinitiativen unterwegs seien, die sie nutzen wolle, „um die Justiz zu befähigen, die organisierte Bettelei zu verfolgen“.
Sie bedauere, „dass so viele Menschen auf der Straße leben müssen“, sagte Margue und erinnerte daran, dass die Bekämpfung der Armut eine Priorität ihrer Partei sei und das Thema gleich zu Beginn der Koalitionsverhandlungen mit den betroffenen Organisationen diskutiert worden sei.