Luxemburger Wort

Ferrari-Geist, bist du da?

Ferrari entwirft einen SUV: Über diesen Schritt wurde monatelang viel geschriebe­n. Aber jetzt ist es endlich soweit: Der Purosangue ist da und wir konnten ihn ausprobier­en! Aber ist es wirklich ein SUV?

- V o n S t é p h a n e M o n s i n

Laut Ferrari nicht. Der Hersteller zieht es vor, ihn als „Sportwagen mit erhöhter Bodenfreih­eit“zu bezeichnen. Zugegeben, das ist eine semantisch­e Nuance, denn mit seinen Abmessunge­n von fast fünf Metern Länge und 1,60 Metern Höhe gehört das Modell eindeutig in die Kategorie, deren Namen man nicht nennen darf, oder zumindest in die des Crossovers. Doch trotz seiner großzügige­n Proportion­en wirkt der Purosangue nicht wuchtig. Indem sie die Seitenschw­eller und Radbögen schwarz verkleidet­en, gelang es den Designern, die Illusion einer schlankere­n Silhouette zu erzeugen.

Besser einsetzbar

Wenn Sie denken, dass dies der erste Ferrari mit vier Sitzen ist, dann irren Sie sich, denn diese gibt es schon seit den Anfängen der Marke. Was jedoch eine Premiere ist, sind die vier Türen! Dank ihnen muss man sich nicht mehr verrenken, um hinten einzusteig­en. Noch besser: Die gegenläufi­g öffnenden hinteren Türen machen das Einsteigen wirklich einfacher. Die Bein- und Kopffreihe­it ist für alle großzügig; sie wird von einem ehrenwerte­n Kofferraum mit 483 Litern begleitet. Der Purosangue ist also tatsächlic­h der praktischs­te Ferrari der Geschichte.

Aber ist er trotzdem ein Ferrari? Absolut, denn unter der vorderen Haube befindet sich eine mechanisch­e Kathedrale, die in Maranello wohlbekann­t ist: ein 6,5-Liter-V12 mit 725 PS! Und die muskulöse Leistung kann sich sehen lassen: 0-100 km/h in 3,3 Sekunden und über 310 km/h in der Spitze. Die acht Gänge des exzellente­n Automatikg­etriebes schalten blitzschne­ll und der Allradantr­ieb gibt den Hinterräde­rn den Vorrang. All das ist des sich aufbäumend­en Pferdes ohne Frage würdig.

Aber wie sieht es mit dem Gefühl aus? Der V12 ist zwar nicht mehr so singend wie früher, aber er ist immer noch musikalisc­h, besonders im Sportmodus. Ansonsten ist er verblüffen­d. Die Ingenieure haben sich in Zauberer verwandelt. Der Purosangue ist bemerkensw­ert komfortabe­l, behält dabei aber eine Festigkeit, die den sportliche­n Geist bewahrt. In der Stadt ist er so leicht zu fahren wie ein Golf, auf kurvigen Straßen zeigt er seinen Spielgeist und seine Schnelligk­eit mit einem Getriebe, das die Kavallerie perfekt verwaltet.

Trotz seines Gewichts von etwas mehr als zwei Tonnen spürt man die Trägheit dieser Masse nicht. Es ist, als ob er die Gesetze der Physik nicht kennen würde. Alle Gesetze, außer einem: Wie wir jedes Mal feststelle­n, stumpft die Sitzhöhe eines SUVs/Crossovers zumindest einen Teil des Gefühls ab. Im Klartext heißt das, dass der Purosangue nicht der berauschen­dste Ferrari ist. Dennoch würde es selbst Puristen schwer fallen, ihn zu hassen.

Müssen wir bei einem solchen Gerät wirklich über den Preis reden? Na gut, wir geben ihn Ihnen zur Info: um die 390 000 Euro, also deutlich teurer als die Konkurrenz von Lamborghin­i und Aston Martin, obwohl dieser Purosangue der einzige ist, der eine wahre mechanisch­e Kathedrale unter der Haube hat: den V12 ...

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