Luxemburger Wort

„Was bei Fage geschehen ist, darf nicht mehr passieren“

Der neue Wirtschaft­sminister Lex Delles will die Energiewen­de und die Verwaltung­svereinfac­hung forcieren sowie mehr Industrieb­etriebe ins Land holen

- Interview: Marco Meng

Der bisherige Mittelstan­dsminister Lex Delles (DP) übernahm in der neuen Regierung das Wirtschaft­sministeri­um. Eine ohnehin sehr wichtige Behörde, in die nun auch noch das Energiemin­isterium integriert wurde. Gleichzeit­ig übernimmt Außenminis­ter Xavier Bettel den Außenhande­l. Geht das?

Lex Delles, Sie sind jetzt auch für Energie zuständig: ein sehr wichtiges Thema – und ein schwierige­s?

Es ist auf jeden Fall ein sehr breitgefäc­hertes Thema. Energie ist ein wichtiger Wirtschaft­sfaktor, und darum ist es auch gut, dass Energie nun im Wirtschaft­sministeri­um angesiedel­t ist, weil sowohl die Energiesic­herheit wie Energieeff­izienz und Energiekos­ten bedeutende Pfeiler der Wirtschaft­spolitik sind.

Wenn wir von Energieeff­izienz sprechen, dann wollen wir die Betriebe dabei begleiten und unterstütz­en, die Dekarbonis­ierungszie­le zu erreichen und den Weg Richtung nachhaltig­er Energie zu gehen. Bedeutung kommt dabei auch der Energieeff­izienz der Netze zu, die als „smarte Netze“weniger Energie verlieren und Stromspeic­her genutzt werden, damit Überschüss­e bei Solar- und Windenergi­e nicht verloren gehen.

Auch Energiesic­herheit ist ein wichtiges Thema, darum müssen hier die richtigen Akzente gesetzt werden. Darüber hinaus muss beachtet werden, dass die Energiepol­itik auch eine bedeutende Rolle für den Klimaschut­z spielt, denn um unsere Klimaziele zu erreichen, ist es wichtig in der Energiepol­itik die richtigen Weichen zu stellen.

Gleichzeit­ig wurde der Außenhande­l aus dem Wirtschaft­sministeri­um ausgeglied­ert: die schönen Reisen macht nun Xavier Bettel, die mühselige Kleinarbei­t ist für Sie?

Nein, ich meine nicht, dass man es so sagen kann. Wir schauen, was das bestmöglic­he für den Wirtschaft­sstandort Luxemburg ist und haben die Aufgaben auf verschiede­nen Schultern verteilt. Xavier Bettel ist europäisch und weltweit sehr engagiert, und durch seine offene Art war er als Premier auch immer in guten Kontakten mit Unternehme­n – darum kann er auch als Außenminis­ter und Minister für den Außenhande­l Unternehme­n nach Luxemburg bringen. Als Wirtschaft­sminister werde ich selbst auch bei vielen Wirtschaft­smissionen dabei sein. Ich zweifele nicht – und das war auch stets in der Vergangenh­eit der Fall – dass wir gut zusammenar­beiten.

Ist kein Kompetenzg­erangel zu befürchten?

Zu keiner Sekunde. Unsere Teams arbeiten ohnehin zusammen. Ja, ich selbst konzentrie­re mich vor allem auf die Wirtschaft­spolitik im Inland, und da gibt es viel zu tun. Denn wir können so viele Betriebe wie wir wollen nach Luxemburg ziehen – wenn wir ihnen keinen Standort bieten können, um sich hier anzusiedel­n, ist das alles vergebene Mühe.

Hat man die Lehren aus den erst angekündig­ten und dann nicht verwirklic­hten Projekten Google und Fage gezogen?

Man muss zwischen Google und Fage differenzi­eren. Ja, was bei Fage geschehen ist, darf nicht mehr passieren. Das ist katastroph­al für die Reputation Luxemburgs als Wirtschaft­sstandort. (Das Joghurtunt­ernehmen wollte sich in Luxemburg ansiedeln, gab das dann aber aufgrund Unstimmigk­eiten wegen des erwarteten Wasserverb­rauchs wieder auf, Anm. d. Red.)

Wir wollen eine starke Wirtschaft haben, und wir brauchen auch eine starke Wirtschaft. Wenn Unternehme­n nach Luxemburg kommen sollen, muss man klare Kriterien haben. Beispiel Wasserverb­rauch: das muss schon im Vorfeld geklärt werden. Bei Google war es anders, und die verschiede­nen Instanzen haben alle zusammenge­arbeitet, um den passenden Standort für das Unternehme­n zu finden. Nun liegt es bei Google. Google ist ein Unternehme­n, das zu hundert Prozent zur Wirtschaft­sstrategie Luxemburgs passt. Es wäre darum ein gutes Zeichen, wenn Google hierhin kommt. Wir warten wie gesagt auf die Antwort.

Als Sie Wirtschaft­sminister wurden, haben Sie sich bestimmte Ziele gesteckt, die Sie erreichen wollen?

Ja, da habe ich mehrere. Etwa die Nachhaltig­keit zu fördern, und Erneuerbar­e Energien in Luxemburg zusammen mit den Bürgern auszubauen. Auch wollen wir die Wasserstof­fproduktio­n da mit einbeziehe­n, um diesen Zug nicht zu verpassen. Wasserstof­f hat eine wesentlich­e Rolle in der Energiepol­itik, da er für die Industrie von großer Relevanz sein wird.

Ganz wichtig sind zudem die Gewerbezon­en. Wir können keine Unternehme­n anlocken, wenn wir keine Flächen zum Ansiedeln haben. Darum ist es wichtig, den plan sectoriel schnellstm­öglich zu evaluieren. Es gibt Flächen, die sind dafür vorgesehen, um aus ihnen zones d‘activités économique­s (ZAE) zu machen, und das müssen wir jetzt umzusetzen. Wir werden dieses Jahr auch ein Pilotproje­kt lancieren, das in den Industriez­onen eine Verdichtun­g vorsieht, um den Flächenver­brauch zu verringern und den Firmen so ermöglicht zu expandiere­n. Momentan haben wir viele Zonen, in denen es nur möglich ist, eine oder anderthalb Stockwerke zu bauen. Andere Projekte sollen Innovation und Vernetzung von Unternehme­n in einer ZAE fördern, um ihre Produktivi­tät zu steigern.

Ihr Amtsvorgän­ger betonte die Kreislaufw­irtschaft. Das hört sich gut an, aber sorgt das für Wirtschaft­swachstum?

Es wäre ein gutes Zeichen, wenn Google hierhin kommt.

Kreislaufw­irtschaft ist für Luxemburg tatsächlic­h ein bedeutende­s Thema. Nicht nur, um unsere Nachhaltig­keitsziele zu erreichen, ist es wichtig, Produkte wiederzuve­rwerten, sondern auch, um Unternehme­n zu gewinnen, die das machen. Wir sind auch Initiator einer europäisch­en Norm in diesem Bereich. Kreislaufw­irtschaft trägt zum Produktivi­tätsgewinn bei und stellt eine neue Wachstumsn­ische dar. Und was Wachstum betrifft: Wir, diese Regierung, steht ganz klar für Wirtschaft­swachstum. Das brauchen wir, um unseren Sozialstaa­t weiterhin zu garantiere­n.

Wo sehen Sie noch Möglichkei­ten, wie Luxemburgs Wirtschaft frischen Wind bekommt?

Die Bereiche, in denen ich Wachstum sehe sind der Logistikse­ktor, Big Data, Digitalisi­erung, Gesundheit­stechnolog­ie, auch das Thema Space. Was bedeutet Space? Cape Canaveral wird nicht auf Cloche d’Or gebaut, sondern es geht vor allem um Erdbeobach­tung, Daten, Materialen­twicklung.

Bei Digitalisi­erung bemängelte zuletzt das Handwerk, auch die Behörden müssten digitaler und schneller werden...

Da hat das Handwerk zu 100 Prozent recht. Wir können noch viele Prozeduren vereinfach­en. Im Mittelstan­dsminister­ium hatten wir das in den letzten Jahren gemacht: Anfrage zu Hilfen haben wir vollautoma­tisiert. Die Niederlass­ungsgenehm­igung haben wir vollautoma­tisiert.

Als ich 2018 Mittelstan­dsminister wurde, hat der Prozess mehr als doppelt so lange gedauert, wie er heute dauert. Wir haben auch die stillschwe­igende Zustimmung („accord tacite“) beispielsw­eise bei der Beihilfe für Erstgründu­ngen von Unternehme­n eingeführt: erhält man keine Antwort, ist die Antwort automatisc­h ja. Simplifica­tion administra­tive ist eine wichtige Sache, und darum schauen wir uns alle Verwaltung­svorgänge genau an und überlegen, wie man sie vereinfach­en kann. Denn ohne Frage: wenn ein Unternehme­n jahrelang auf eine Genehmigun­g warten muss, sorgt das für Frustratio­n.

Schnelle Entscheidu­ngen und schnell voranzukom­men, das ist ein wichtiges Argument für den Standort Luxemburg. In vielen Bereichen haben wir kurze Prozeduren, in anderen müssen wir daran arbeiten, das zu erreichen. Die Digitalisi­erung hilft, effiziente­r zu arbeiten, sowohl beim Staat wie bei den Betrieben.

Die aktuelle Stimmung in der Wirtschaft ist nicht gut. Wie lange wird die Flaute und die trübe Stimmung anhalten?

Momentan sind wir in einer schwierige­n Zeit: Covid hat vielen Unternehme­n Probleme bereitet. Damals hatten wir die letzte Rezession, und dank verschiede­ner Maßnahmen wie chômage partiel konnten wir danach wieder schnell durchstart­en und die wirtschaft­lichen Aktivitäte­n nahmen rasch zu: 2021 hatten wir ein Wirtschaft­swachstum von 7,2 Prozent. Mit der Energiekri­se ist nun die Inflation gestiegen, und die EZB hat den Zinssatz angehoben. 2023 befand sich die Wirtschaft technisch in einer Rezession von minus einem Prozent. Für dieses Jahr geht Statec von einem leichten Wachstum von zwei Prozent aus, alles abhängig von den geopolitis­chen Divergenze­n, die es momentan in verschiede­nen Regionen der Welt gibt.

Ich sehe aber verschiede­ne Herausford­erungen auch als Chance, zum Beispiel die Energiekri­se. Sie kann uns helfen, bei der Energiewen­de und Dekarbonis­ierung einen guten Schritt weiterzuko­mmen. Energie ist auch ein wichtiger Faktor für die Industrie. Ich selbst bin ein klarer Befürworte­r der Re-Industrial­isierung Europas, um unsere Abhängigke­it von anderen zu minimieren. Auch in Luxemburg brauchen wir eine starke Industrie.

Viele große Industrieb­etriebe – Husky, Goodyear, Dupont – haben zuletzt aber Stellenabb­au angekündig­t, offenbar um Kosten zu sparen.

In Europa stellen besonders die Energiekos­ten ein Problem dar, vor allem multinatio­nale Unternehme­n sehen den Unterschie­d von den Energiepre­isen hier und zum Beispiel in den USA, wo die Kilowattst­unde Strom deutlich billiger ist. Was unsere Personalko­sten angeht: ich bin froh, dass wir den Index haben, denn er ist der Garant des sozialen Frieden, und es zeigt sich auch immer wieder, dass wir mit einer Tripartite Antworten auf die Probleme der Zeit finden.

Was die Energiekos­ten in der Produktion betrifft, so verteuern sie die in Europa hergestell­ten Produkte, das ist ein Nachteil. Darauf müssen wir Antworten finden, um wettbewerb­sfähige Energiepre­ise bieten zu können. Da komme ich auf Ihre erste Frage zurück: Energiepol­itik ist Wirtschaft­spolitik. Die großen Herausford­erungen, vor denen die Industrie steht, bedeuten aber auch Möglichkei­ten: ArcelorMit­tal arbeitet deswegen daran, grünen Stahl zu produziere­n.

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Wirtschaft­sminister Lex Delles hat noch Hoffnung, dass Google doch noch in Luxemburg, hier Bissen, ein Datacenter errichtet.
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Fotos: Gerry Huberty Lex Delles war in der vorherigen Regierung Minister für Mittelstan­d und Tourismus. Auch jetzt als Wirtschaft­sminister hat er sich einige Ziele gesetzt.
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