Weltklasse-Athletin wird mit Hungerlohn abgespeist
Kampfsportlerin Jenny Warling holt bei einem internationalen Eliteturnier die Silbermedaille – und kann vom Preisgeld nicht einmal die Reisekosten decken
Die Zahlen, die auf den großen Schildern der Karate 1 Series A aufgedruckt wurden, waren auch unter den Athletinnen und Athleten diskutiert. „Wir haben darüber geredet, dass das eigentlich nichts ist“, sagt Jenny Warling. „Aber mittlerweile haben wir uns daran gewöhnt. Vor allem, wenn man bedenkt, dass es vor einigen Jahren noch gar kein Preisgeld gab. Wir sind froh, dass wir überhaupt etwas bekommen.“
Bei der Siegerehrung grinst die 29-Jährige trotzdem. Die Silbermedaille beim K1Wettkampf in Athen, einem Event der zweithöchsten internationalen Turnierserie, ist ein großer Erfolg. Doch die 300 Euro, die sie für den zweiten Platz bekommen hat, sind wohl eher eine symbolische Anerkennung. „Allein die Einschreibung für das Turnier kostet 100 Euro. Am Ende kann man davon nicht einmal die Reise bezahlen“, erklärt Warling, ergänzt aber, dass einige ihrer Kosten vom Verband übernommen werden.
Dennoch: Die Preisgeld-Struktur in Randsportarten wie Karate ist selbst für Weltklasse-Athleten (Warling war unter anderem Europameisterin 2019) weder Ansporn noch finanzielle Hilfe. „Mich hat ein Freund angerufen, nachdem er das Foto gesehen hat, und gefragt, ob die da zwei Nullen vergessen haben“, erzählt Warling lachend. Wenn man professionell Karate machen wolle, dann sei das ein großes Problem – selbst für die besten Athleten der
Welt. Die Siegerin in Athen, Lokalmatadorin Maria Stoli, bekam 500 Euro.
Beklagen will sich Jenny Warling nicht. Doch ohne die Unterstützung von Ministerium, COSL und Verband könnte die 29Jährige ihren Sport nicht in diesem Umfang ausführen. Und das, obwohl die Bronzemedaillen-Gewinnerin der Europaspiele 2023 seit vielen Jahren zu den erfolgreichsten Athletinnen des Landes zählt. „Ich habe meine Gründe, warum ich nebenbei normal arbeiten gehe“, stellt Warling klar.
Großer Sprung in der Weltrangliste
Vor einer unlösbaren finanziellen Aufgabe stehen hingegen einige aufstrebende Karatekas. „Ich kann mir gut vorstellen, dass viele Jüngere aufhören mussten, weil sie es nicht sofort nach oben geschafft haben und dann nicht genug Unterstützung bekamen. In den Nachwuchs-Kategorien gibt es häufig gar kein Preisgeld“, erklärt Warling. „Auch ich musste lange dafür kämpfen.“
Die 300 Euro aus Athen hat Warling bislang noch gar nicht angerührt. „Ich hatte keine Zeit“, sagt sie lachend. Nach ihrer Rückkehr hatte sie mit Arbeit, Training und Physiotherapie genug zu tun. „Aber wenn ich zusammenrechne, was ich in Athen für Essen und Trinken ausgegeben habe, ist das Geld vielleicht sogar schon weg.“
Sportlich hingegen hat Warling die Reise nach Griechenland entscheidend weitergebracht. Denn für das nächste Turnier in Paris, einen Durchgang der erstklassigen K1 Premier League, sind in jeder Gewichtsklasse nur die ersten 32 Athleten der Weltrangliste qualifiziert. Nach ihrem Kreuzbandriss Ende 2022 war die 29Jährige nämlich aus den Top 32 herausgefallen, nun ist sie wieder die Nummer 15 der Welt.
„In anderen Sportarten kann man sich das Ranking einfrieren lassen, wenn man eine schwierige Verletzung hat“, verrät Warling. „Bei uns geht das leider nicht.“Nun ist sie aus eigener Kraft zurück auf dem Weg in die internationale Spitze. „Ich möchte noch weiter nach vorne kommen, um mich für die World Games im nächsten Jahr zu qualifizieren.“Diese finden im August 2025 im chinesischen Chengdu statt.
Doch erst einmal steht vom 26. bis 28. Januar der Premier-League-Leckerbissen in der französischen Hauptstadt auf dem Programm, wo sich Warling einmal mehr mit den besten Kämpferinnen der Welt messen wird. Dann gibt es für den ersten Platz sogar 1.000 Euro.
Mich hat ein Freund angerufen, und gefragt, ob die da zwei Nullen vergessen haben. Jenny Warling