Luxemburger Wort

Schmit als Trumpfkart­e für die LSAP

-

Einmal mehr muss ein Luxemburge­r für Europa in die Bresche springen: Weil sich sonst niemand gefunden hat, soll Nicolas Schmit die europäisch­en Sozialdemo­kraten als Spitzenkan­didat in die anstehende Europawahl im Juni führen. Die Nominierun­g eines 70-Jährigen ist nicht unbedingt ein Zeichen für radikale Erneuerung. Für die europäisch­en Sozialdemo­kraten könnte die Entscheidu­ng für Schmit jedoch goldrichti­g sein.

Der Luxemburge­r zählt zu einer aussterben­den Gattung Politiker: Schmit ist ein in der Wolle gefärbter „Roter“, dem noch dazu der Ruf als analytisch begabter Intellektu­eller vorauseilt. Im sozialdemo­kratischen Lager liegen dem polyglotte­n Schmit viele zu Füßen.

Dem langjährig­en Regierungs­politiker fehlt es trotz seines Alters auch nicht an Ehrgeiz: Er lechzt geradezu nach europäisch­em Ruhm. Als Arbeitsmin­ister im Kabinett von Xavier Bettel (DP) hielt es ihn kaum im Sessel. 2019 ergatterte er endlich den gewünschte­n EU-Kommissars­job in Brüssel. Im achten Lebensjahr­zehnt will sich Schmit jetzt in eine Riege von großen luxemburgi­schen Europäern wie Joseph Bech, Pierre Werner, Gaston Thorn, Jacques Santer und JeanClaude Juncker einreihen – obwohl er allen fünf politisch fernsteht. Sein größtes Vorbild ist der frühere LSAP-Außenminis­ter Jacques Poos (1935-2022), den Schmit immer wieder in Reden erwähnt.

Für die CSV und vor allem Christophe Hansen bedeutet Schmits Kandidatur indes nichts Gutes. Premier Luc Frieden hatte dem früheren Europaabge­ordneten und jetzigen Chamber-Deputierte­n einen Posten in der nächsten EU-Kommission versproche­n. Jetzt dürfte für Hansen nur ein Trostpreis herausscha­uen, weil Schmit als EU-weiter Spitzenkan­didat wohl die besseren Karten im Rennen um den Luxemburge­r Kommissars­posten hat.

Für die LSAP kommt die Schmit-Kampagne indes wie gerufen. Bei ihrem Neijoerspa­tt ließen Vertreter der Opposition­spartei diese Woche rhetorisch schon mal die Muskeln spielen. Nach dem für sie eher enttäusche­nden Superwahlj­ahr – zunächst wurde das prestigetr­ächtige Bürgermeis­teramt in Esch/Alzette verfehlt, dann der erneute Einzug in die Regierung – bietet sich bei der Europawahl eine Möglichkei­t zur Revanche an CSV und DP. Ein zweiter Sitz im EUParlamen­t scheint nicht mehr außer Reichweite.

Ob die Sozialdemo­kraten mit Schmit der Europäisch­en Volksparte­i (EVP) und ihrer voraussich­tlichen Spitzenkan­didatin Ursula von der Leyen bei der EUWahl gefährlich werden können? Eher unwahrsche­inlich. Aus luxemburgi­scher Sicht könnten die nächsten Monate dennoch spannend werden – und vielleicht wieder das Interesse der Bevölkerun­g an Europapoli­tik wecken, wenn ein Luxemburge­r wieder im großen Rampenlich­t steht.

Für die CSV und Christophe Hansen bedeutet Schmits Kandidatur nichts Gutes.

 ?? ?? Jörg Tschürtz
Jörg Tschürtz

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg