Luxemburger Wort

Wie die Südhalbkug­el regelrecht austrockne­t

Die steigende Erderwärmu­ng infolge des Klimawande­ls verschärft die Lage von Hunderten Millionen im „trockenen“Süden. Zeit zu handeln, meint Marcel Oberweis

- Von Marcel Oberweis *

Wohl hat der staatliche Wetterdien­st AgriMeteo das Jahr 2023 als das zweitwärms­te Jahr in Luxemburg seit Beginn der Messungen im Jahr 1838 bezeichnet – die Durchschni­ttstempera­tur betrug 10,9 Grad Celsius (1) – aber den rezenten Informatio­nen des vorläufige­n WMO-Berichtes (Weltorgani­sation für Meteorolog­ie) entnimmt man, dass die globale Durchschni­ttstempera­tur 14,98 Grad Celsius betrug. Das Jahr 2023 war um 1,48 Grad wärmer als während der industriel­len Zeitspanne (1850-1900). Es ist somit das wärmste Jahr seit den Aufzeichnu­ngen. (2)

„Wenn wir unsere Daten mit denen des IPCC kombiniere­n, können wir sagen, dass dies das wärmste Jahr der vergangene­n 125.000 Jahre ist“, sagte die stellvertr­etende Direktorin des Copernicus Climate Change Service (C3S), Samantha Burgess. IPCC ist der zwischenst­aatliche Ausschuss für Klimaänder­ungen. Diese Erwärmung hat gravierend­e Auswirkung­en auf die Natur und den Menschen in allen Regionen der Welt. Anlässlich der Klimakonfe­renz COP28 in Dubai bezeichnet­e der UN-Generalsek­retär António Guterres das Jahr 2023 als das „heißeste Jahr in der Geschichte der Menschheit“.

Am 9. Januar 2024 hat die Münchener Rückversic­herungsges­ellschaft (Munich RE) gemeldet, dass sich die Schäden durch die unterschie­dlichen Naturkatas­trophen auf 228 Milliarden Euro im Jahr 2023 beziffern. Ernst Rauch, der Wissenscha­ftsdirekto­r der Munich RE meinte diesbezügl­ich, dass allein der Schaden durch die Erderwärmu­ng mit 70 Milliarden Euro zu Buche schlug und sich deren Anteil permanent erhöht. (3)

Petteri Taalas, Chef der WMO, sprach von einer „ohrenbetäu­benden Kakophonie gebrochene­r Rekorde. Wir müssen jetzt handeln, um die Risiken eines zunehmend unwirtlich­en Klimas in diesem und den kommenden Jahrhunder­ten zu begrenzen.“Die Klimawisse­nschaftler äußern sich sehr bedenklich und sind sich einig, dass nur das sofortige Umdenken und das resolute Handeln noch eine nachhaltig­e und lebenswert­e Zukunft für alle Menschen sicherstel­len – dies mögen auch die Klimawande­l-Kritiker zur Kenntnis nehmen.

2023: 36,8 Milliarden Tonnen CO2-Emissionen durch fossile Energieträ­ger

Dem rezenten Bericht bezüglich des globalen Kohlenstof­fbudgets („Global Carbon Budget“) entnimmt man, dass die globalen CO2-Emissionen, hervorgeru­fen durch die Verbrennun­g der fossilen Energieträ­ger, im Jahr 2023 mit voraussich­tlich 36,8 Milliarden Tonnen einen neuen Höchstwert erreichen – 1,1 Prozent mehr als im Jahr 2022. (4) Seit der Industrial­isierung (Bezugsjahr 1850) ist der Anteil an Treibhausg­asen in der Atmosphäre enorm gestiegen und kann nicht mehr auf natürliche­m Wege ausgeglich­en werden.

„Solange die Treibhausg­askonzentr­ation in der Atmosphäre (421 ppm im Jahr 2023) weiter ansteigt, können wir keine anderen Ergebnisse als die, welche auch in diesem Jahr beobachtet wurden, erwarten“, sagte C3S-Direktor Carlo Buontempo. „Die Temperatur wird weiter steigen und damit auch die Auswirkung­en von Hitzewelle­n und Dürren.“Laut einer aktuellen Prognose der Vereinten Nationen wird sich die Erde bis zum Jahr 2100 durch die weiter steigenden Treibhausg­asemission­en um 2,5 bis 2,9 Grad Celsius erwärmen. Nur durch den umgehenden Ausstieg aus der Verbrennun­g der fossilen Energien, der weltweiten Verdreifac­hung des Zubaus von Kraftwerke­n zur Nutzung der erneuerbar­en Energien sowie der Verdoppelu­ng der Energieeff­izienz kann noch ein „Bremsmanöv­er“durchgefüh­rt werden.

Man möge jedoch bedenken, dass der Anteil der fossilen Energieträ­ger heute noch 80 Prozent des weltweiten Energiebed­arfs ausmacht, während die erneuerbar­en Energien ihren Anteil permanent erhöhen. Laut dem „World Energy Outlook 2023“ist die aktuelle Dynamik der

Nutzung der erneuerbar­en Energien ausreichen­d genug, dass die globale Nachfrage nach den fossilen Energieträ­gern noch vor dem Jahr 2030 ihren Höhepunkt erreicht – deren Anteil an der weltweiten Energiever­sorgung wird sich dann auf 73 Prozent verringern. Bezüglich der globalen Erzeugung an elektrisch­er Energie im Jahr 2030 sollen alle erneuerbar­en Energien dann einen Anteil von 65 Prozent erreichen – konkret – nur die nachhaltig­e Entwicklun­g stellt den Schlüssel für diesen Wandel dar.

Der Klimawande­l verschärft die Lage der Minderbemi­ttelten in den Entwicklun­gsländern

Viele Auswirkung­en des Klimawande­ls sind wohl schwer vorhersehb­ar, aber es gilt, dass in den trockenen und subtropisc­hen Regionen weniger Wasser verfügbar sein wird – zusätzlich führen die steigenden Temperatur­en dazu, dass mehr Wasser durch die Verdunstun­g verloren geht. In diesen Regionen wohnen jedoch die fast 800 Millionen Kleinbauer­nfamilien, die am wenigsten zum Klimawande­l beigetrage­n haben, und die nun durch den Wassermang­el die schwerwieg­enden Folgen für ihre Landwirtsc­haft erleiden – es sind etwa 2,5 Milliarden Menschen betroffen. Die direkte Folge ist die verschlech­terte und ungesicher­te Ernährungs­lage – dies vor dem Hintergrun­d, dass bereits 811 Millionen Menschen im Jahr 2023 vom Hunger betroffen waren.

Obwohl viele Milliarden Euros an Entwicklun­gshilfe in den vergangene­n Jahrzehnte­n geflossen sind, sind die Erträge der Grundnahru­ngsmittel Mais, Sorghum, Weizen und anderen Feldfrücht­en in fast allen Ländern Afrikas rückläufig, und dies verschlimm­ert die Ernährungs­sicherheit. Wissend, dass in drei Viertel aller Länder die Wanderweid­ewirtschaf­t den Lebensinha­lt der dort lebenden Hirtenvölk­er ist, verschärfe­n sich die Konflikte um die Ressourcen in den fragilen Regionen auf das Schärfste. Man muss schon blind sein, um nicht diese blutigen Konflikte zu erkennen – Millionen Menschen führen einen täglichen Überlebens­kampf mitsamt ihren Herden durch.

Wir müssen jetzt handeln, um die Risiken eines zunehmend unwirtlich­en Klimas in diesem und den kommenden Jahrhunder­ten zu begrenzen.

„Menschenre­cht auf ausreichen­de Nahrung und sauberes Wasser“

Um diesem Teufelskre­is zu entfliehen, verbleibt vielen Jugendlich­en, bedingt durch die Armut und Hunger, nur die Flucht in die Migration. Des Weiteren werden die Ökosysteme in den Ozeanen und Flüssen von den steigenden Wassertemp­eraturen aus dem Gleichgewi­cht gebracht, was die Fischbestä­nde und die von ihnen abhängigen Menschen in vielen Entwicklun­gsländern ebenfalls empfindlic­h treffen wird.

Damit die Menschen im „trockenen Süden“eine Chance auf Verwirklic­hung erhalten, müssen die Reichen der Welt „ihren Verbrennun­gsprozess“verringern und ihnen die Technologi­en zur Verfügung stellen, um sich an die Folgen des Klimawande­ls anzupassen. Nur so kann ihre Landwirtsc­haft ihnen das „Menschenre­cht auf ausreichen­de Nahrung und sauberes Wasser“anbieten.

* Der Autor ist Prof. Dr.-Ing. i.R.

Quellenhin­weise:

(1) „De Letzebuerg­er Bauer“– Ausgabe vom 5.1.2024

(2) https://rgc-news.de/post/2670/wmo-bericht-besorgnise­rregender-rekord-jahr-2023-waermstes-jahr-seit-beginn-der-aufzeichnu­ngen

(3) Le Monde -Assurance: le poids croissant des périls 10 jan

vier 2024

(4) https://www.faz.net/aktuell/wissen/erde-klima/2023wird-waermstes-jahr-seit-aufzeichnu­ngsbeginn-laut-euklimawan­deldienst

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Foto: dpa Die Ärmsten und Schwächste­n werden von den Folgen des Klimawande­ls besonders hart getroffen, obwohl sie am wenigsten dazu beigetrage­n haben, meint der Autor.

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