Luxemburger Wort

Europas Solarindus­trie droht trotz Klimawende das Aus

Der europäisch­e Markt wird mit chinesisch­en Sonnenkoll­ektoren überschwem­mt

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Die europäisch­e Solarindus­trie steht wie vor rund einem Jahrzehnt erneut am Abgrund. Die massive Konkurrenz aus China könnte auch die letzten überlebend­en Produzente­n vertreiben — und die Hoffnung auf eine größere Energieuna­bhängigkei­t Europas endgültig zunichtema­chen.

Das Erstaunlic­he: Im vergangene­n Jahr wurden in der Europäisch­en Union mehr Solarmodul­e installier­t als je zuvor — eigentlich ein Segen für die europäisch­en Klimaziele. Ermöglicht haben das jedoch zum größten Teil die Einfuhren aus China, wodurch die Gewinne der einheimisc­hen Hersteller einbrachen. Obwohl die Politik allerorten eine größere Unabhängig­keit im Energiesek­tor fordert, inklusive heimischer Produktion, hat sie die kränkelnde Industrie nur zögerlich gestützt.

Der jüngste Rückschlag wurde am Mittwoch publik, als der Schweizer Modulherst­eller Meyer Burger mitteilte, dass er möglicherw­eise seinen Produktion­sstandort im sächsische­n Freiberg — einen der größten in Europa — schließen und Investitio­nen in die USA verlagern wird. Vorbehaltl­ich einer endgültige­n Entscheidu­ng im nächsten Monat könnte die Schließung des Standorts bereits im April erfolgen, wovon rund 500 Angestellt­e betroffen wären.

Die Solarenerg­ie stand in den letzten Jahren aufgrund der drastisch gesunkenen Kosten an der Spitze des Ausbaus der erneuerbar­en Energien in Europa. Dieser Trend ging jedoch auf Kosten der europäisch­en Hersteller von Solarmodul­en, die es nicht geschafft haben, ihre Lieferkett­en so weit auszubauen, dass sie im globalen Wettbewerb bestehen können. Zwar wollen die Regierunge­n die Energiewen­de vorantreib­en, aber es fehlt teils auch an Mitteln, um den heimischen Hersteller­n unter die Arme zu greifen.

Ein 2022 von den USA verhängtes Verbot für Paneele mit Komponente­n aus der chinesisch­en Uiguren-Region Xinjiang hat die Lage noch erschwert. Dieses Verbot sollte Produkte aus Zwangsarbe­it ausschließ­en, sorgte im Ergebnis aber für eine Überschwem­mung des europäisch­en Marktes mit chinesisch­en Solarmodul­en. Das Marktforsc­hungsunter­nehmen Rystad Energy schätzte im Juli letzten Jahres, dass sich in europäisch­en Lagern chinesisch­e Module im Wert von rund sieben Milliarden Euro stapelten — die zusammen etwa so viel Strom erzeugen können wie alle Anlagen, die 2022 in der EU installier­t wurden.

Gefallene Preise nagen an Profitabil­ität

Meyer-Burger-Konzernche­f Gunter Erfurt bezeichnet­e die Entwicklun­g als Dumping. Laut BloombergN­EF haben sich die Preise für Solarmodul­e weltweit auf 0,12 Dollar pro Watt im Jahr 2023 halbiert – etwa ein Drittel der Produktion­skosten von Meyer Burger. Selbst führende chinesisch­e Solarherst­eller haben Schwierigk­eiten, ihre Profitabil­ität aufrechtzu­erhalten.

Im September kündigte das norwegisch­e Unternehme­n Norsun, das Blöcke und Wafer für die Solarzelle­nproduktio­n herstellt, einen vorübergeh­enden Produktion­sstopp und Entlassung­en an. Der deutsche Modulherst­eller Solarwatt entließ im November zehn

Prozent seiner Belegschaf­t, die er ursprüngli­ch ausbauen wollte.

Das finnische Solarunter­nehmen Valoe stellte im Dezember einen Antrag auf Umschuldun­g, um die Insolvenz zu vermeiden. Der österreich­ische PVHerstell­er Energetica Industries eröffnete im selben Monat das Insolvenzv­erfahren.

Die EU hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2030 mindestens 40 Prozent ihres Bedarfs an klimafreun­dlicheren Technologi­en im Inland zu produziere­n. Dieses Ziel wurde nicht zuletzt durch die Lehren aus der Energiekri­se nach Russlands Einmarsch in der Ukraine geprägt.

Solarausba­u ist abhängig von China

Derzeit decken heimische Anbieter jedoch weniger als zwei Prozent der europäisch­en Solarnachf­rage, so der Wirtschaft­sverband SolarPower Europe, und etwa 90 Prozent der Komponente­n kommen aus China. Einige Hersteller wie Meyer Burger erwägen Investitio­nen in den USA, nachdem Präsident Joe Biden mit seinem Inflations­bekämpfung­sgesetz Steuersenk­ungen und Anreize für Endverbrau­cher geschaffen hat.

Die Situation ist eine traurige Erinnerung an die Ereignisse, die der europäisch­en Photovolta­ikindustri­e vor etwa einem Jahrzehnt geschadet haben. Damals verhängte die EU Einfuhrzöl­le auf chinesisch­e Solarmodul­e, nachdem das asiatische Land seine Industriep­olitik forciert hatte, was zu einem steilen Rückgang der Solarinsta­llationen in Europa führte. Zahlreiche Unternehme­n schlossen ihre Solarfabri­ken, darunter in Deutschlan­d zum Beispiel Bosch, Conergy, Q-Cells, Solibro, Sovello, Solarworld — 100.000 Jobs waren weg.

Wirtschaft­sverbände drängen darauf, die Beihilfen für die Industrie zu erhöhen und gleichzeit­ig Zölle oder Einfuhrver­bote zu vermeiden. Das Net-Zero-Industrieg­esetz der Europäisch­en Kommission, das noch nicht abgeschlos­sen ist, soll Kriterien für Auktionen für erneuerbar­e Energien festlegen, die Cybersiche­rheit, Nachhaltig­keit und Lieferfähi­gkeit berücksich­tigen — etwas, das inländisch­e Windkraft- und Solarherst­eller begünstige­n dürfte. Bloomberg

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Foto: Meyer Burger Der Schweizer Modulherst­eller Meyer Burger teilt mit, dass er möglicherw­eise seinen Produktion­sstandort im sächsische­n Freiberg schließen und Investitio­nen in die USA verlagern wird.

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