Kammerata spielt Luxemburger Uraufführung von Zelianko
Das Ensemble des Kammermusikvereins bettet das neue Werk in ein Programm zwischen Strawinsky und Brahms ein
Es strahle Gelassenheit, ja so etwas wie Leichtigkeit aus: Nach der Auftragsvergabe und Finanzierung des Werks aus dem Kulturministerium ist es nun so weit. Tatsiana Zeliankos neues Stück „Envol“in der eigens gewählten Besetzung für Flöte, Klarinette, Saxofon, Klavier und Streichquartett darf seine Uraufführung feiern. Die Kammerata Luxembourg hat den Zuschlag bekommen, die neu geschaffenen Klänge am 31. Januar im Kammermusiksaal der Philharmonie zum ersten Mal erklingen zu lassen.
Marc Jacoby, Präsident der Asbl rund um das Künstlerkollektiv, betont die Rolle, die das Ensemble dabei einnehme. Hier gehe es darum, dem Publikum auch zu zeigen, wie die Klänge gerade angesichts dunkler Zeiten einen Beitrag zur inneren Einkehr leisten können. „So wie Strawinskys Musik durch die französischsprachige Dichtung Charles-Ferdinand Ramuz’ inspiriert ist, so hat die in Minsk und Luxemburg ausgebildete Komponistin Tatsiana Zelianko sich für ,Envol’ beim Komponieren von selbstverfassten Versen in französischer Sprache weitertragen lassen. In diesen Versen feiert sie die Überwindung der Erdenschwere und erträumt sich eben diesen Zustand der Gelassenheit und Leichtigkeit. Und tatsächlich klingt diese Musik ätherisch, als ob man als Zuhörer auf einer Wolke sitzen würde.“
Aber ist denn dafür die Vertrauensbasis des Publikums da, sich darauf einzulassen? Die Kammerata gleicht sich bei ihren Projekten zwischen Kammermusik, Musiktheater und ungewöhnlichen Experimenten selten. Darauf angesprochen sagt Jacoby: Sicher, man habe für das Publikum immer ein etwas anderes Gesicht – je nach Programmansatz und Werkauswahl werde eben unterschiedlich besetzt. „Aber zum Beispiel spielen wir schon in diesem Projekt mit dem engen Kreis der Musikerinnen und Musiker, die sich quasi als Stammbesetzung im Verein engagieren und dem Publikum vertraut sind.“
Seit ihrer Gründung im Jahr 1985 habe sich die Kammerata Luxembourg, ehemals der KammerMusekVeräin Lëtzebuerg, durchaus einen Namen für die
Aufführung von Werken großer klassischer Komponisten sowie für die Förderung zeitgenössischer und luxemburgischer Musik gemacht. Das Ensemble sei bekannt für seine innovativen und multidisziplinären Ansätze, schreibt Ensemblesprecher Tun van Beest dann auch in der Ankündigung des Abends.
Aber kann ein so variables, nicht dauerhaft eng arbeitendes Ensemble auch Qualität liefern, wenn es zum Beispiel um die Klanggestaltung und -ausarbeitung eines komplett neuen Werks geht? Jacoby versichert ein perfektes Zusammenspiel. Nicht nur die Liste der Aufführenden spreche da Bände. Es spielen versierte Profis: Markus Brönnimann (Flöte), Sébastien Duguet, Max Mausen (jeweils Klarinette), David Sattler (Fagott), Luise Aschenbrenner (Horn), Andreas Mader (Tenorsaxofon), Sandrine Cantoreggi, Isabel Van Grysperre (jeweils Violinen), Susanne Martens (Bratsche), Ilia Laporev (Violoncello), Choul-Won Pyun (Kontrabass) und Béatrice Rauchs (Klavier).
Auge für die Details
Und: „Diese sagen wir mal Stammbesetzung bewegt sich dabei ja nicht auf völlig fremden Terrain – im Gegenteil; alle bringen eine gewisse Routine mit der Erarbeitung zeitgenössischer Werke ein. Und dazu kommt, dass Tatsiana Zelianko ja auch sehr konkret das Werk auf diese Besetzung erarbeitet hat. Das macht den Prozess dann eigentlich nicht außergewöhnlich kompliziert“, betont Jacoby zur Probenarbeit vor dem Konzert am Ende des Monats.
Mit dem Abend unter dem Titel „Brahms Plus“wolle der Verein erneut zeigen, wie er „die Grenzen der Kammermusik erweitert und das Publikum immer wieder aufs Neue begeistert“, so van Beest. Moment, „Brahms Plus“? Genau. Die Uraufführung Zeliankos wird zwischen Brahms‘ Serenade Nr. 1 D-Dur op. 11 – „ein musikalisches Juwel in der Originalfassung“, so van Beest – und Strawinskys „Suite de l’Histoire du soldat“in Triobesetzung für Klarinette, Violine und Klavier eingefügt. „Das Konzert ist damit nicht nur ein Highlight in unserer Saison 23/24, sondern es macht eben auch den Ansatz, den wir als Ensemble verfolgen, deutlich: die Verbindung von klassischer Tiefe und moderner Kreativität“, sagt Präsident Jacoby. Er meint damit unter anderem auch die Details, die vielleicht auf den ersten Blick nicht auffallen.
Wenn hier Brahms gespielt wird, dann in der Fassung von 1859 für neun Instrumente. „Dieses sechssätzige Werk, das in seiner Länge und Komplexität an Brahms‘ spätere Symphonien erinnert, wird in dieser selten zu hörenden Originalbesetzung präsentiert und bietet damit ein einzigartiges Hörerlebnis“, schreibt van Beest. Und Jacoby hebt hervor: „Das sechssätzige Werk war ursprünglich für neun Instrumente besetzt, zum Glück hat sich diese Fassung von Jorge Rotter rekonstruieren lassen. Und der hat dazu geschrieben: ,Natürlich kann man bei dem Nonett kein symphonisches Werk erwarten, eher ein (ge)wichtiges, bedeutendes Kammermusikstück, das etwa dem Klangvolumen des Beethoven-Septetts oder Schubert-Oktetts entspricht. Der Orchesterklang wird auf diese Weise durch einen subtileren, einen intensiven und kammermusikalisch modulierten Klang ersetzt, der dafür dem Werk eine lichte Durchsichtigkeit verleiht.’“
Tickets für „Brahms Plus“am 31. Januar um 19.30 Uhr sind über die Website der Philharmonie erhältlich. Mehr zum Verein und Informationen rund um seine Arbeit finden sich unter:
www.kammerata.lu