„Ein Platzverweis für jeden, der nicht der Norm entspricht“
Der Anwalt Frank Wies erklärt, welche legalen Mittel der Staat hat, um mit Bettlern umzugehen
Die einen betteln, um über die Runden zu kommen, andere sind suchtkrank oder haben Psychosen, wieder andere sind schlicht obdachlos oder gehören Bettler-Banden an. Der auf Menschenrechte spezialisierte Anwalt Frank Wies (52) beschreibt u.a., wann man auf Zwangsinternierung zurückgreifen kann.
Frank Wies, kann man das Bettelverbot über eine allgemeine Verordnung regeln und sich als Grundlage auf das Dekret aus dem Jahr 1789 berufen?
Das Dekret erlaubt es den Gemeinden, Maßnahmen zum Schutz der Sicherheit und Gesundheit der Städter Bevölkerung zu ergreifen. Als Basis mit Gesetzeskraft für ein Verbot aller Formen des Bettelns auf öffentlichen Plätzen, wie es in der Verordnung der Stadt Luxemburg steht, ist es nicht anwendbar. Auch wenn Innenminister Léon Gloden sagt, es soll nur gegen aggressives Betteln vorgegangen werden. Was im Übrigen die Polizei vor Probleme stellt, denn sie muss sich an die Verordnung halten und nicht an sonstige interne Anweisungen. Eine solche
Freiheitseinschränkung geht nur über ein Gesetz.
Auch wenn sie örtlich und zeitlich beschränkt ist – im Gegenteil zur Schweiz, wo das Bettelverbot gekippt wurde, weil es unter anderem zu allgemein war?
Ist ein Bettelverbot zwischen 7 und 22 Uhr im Stadtzentrum, wo die meisten Leute zirkulieren, verhältnismäßig? Für mich ist es noch immer zu generell und es bleibt unverhältnismäßig. Sinn und Zweck dieser Verordnung ist, dass diese Menschen aus dem Straßenbild verschwinden. Es ist quasi ein Platzverweis für jeden, der nicht der Norm entspricht.
Ist die einfache Bettelei denn nun untersagt, auch wenn sie nicht mehr im Strafgesetzbuch steht?
Es zählt einzig, was in der Verfassung steht: ohne Gesetz keine Straftat. Das wurde klar von der Justiz im Urteil des Diekircher Gerichts in zweiter Instanz für die einfache Bettelei bestätigt. Auch wenn politische Verantwortliche sagen, es sei durch ein Versehen gestrichen worden – die einfache Bet
telei ist seit 2008 schlicht nicht mehr strafbar. Auch darauf als Gesetzesgrundlage kann sich Minister Gloden nicht berufen.
Es gibt im Strafgesetz keine Definition der Bandenbettelei. Es gibt eine Definition der organisierten Kriminalität und man könnte diesen Straftatbestand – als einzigen möglichen – heranziehen. Aber die Frage, ob eine Hierarchie gegeben ist und diese nachzuweisen, erfordert eine großangelegte Untersuchung, die europaweit durchgeführt werden müsste.
Es gibt im Strafgesetz keine Definition der Bandenbettelei.