Law and order – nur im Einklang mit der Verfassung
Es steht außer Frage, dass die Strafbarkeit der einfachen Bettelei abgeschafft wurde. Das Parlament hat zwar 2008 das Streichen dieses Straftatbestands aus Versehen, also nicht willentlich verabschiedet. Aber wer 15 Jahre lang, trotz mehrerer Hinweise und Aussagen von drei Justizministern, hier tätig zu werden, nicht aus eigener Initiative nachbessert, billigt tacit diese Rechtslage. Der muss auch mit der Jurisprudenz leben, die sich daraus ergibt.
Die Menschenrechtskommission hat schon am 18. Dezember, kurz nachdem die Verordnung mit dem allgemeinen Bettelverbot bekannt wurde, reagiert und auf sämtliche Gründe für die Unrechtmäßigkeit hingewiesen. Mittlerweile sind alle Argumente durch Stellungnahmen von Experten und Justizvertretern hinreichend belegt. Sämtliche Formen der Bettelei aus dem Straßenbild der Innenstadt zu verbannen, ist gegen den Rechtsstaat. Da herrscht Einigkeit.
Der Komplexität der Sachlage wird die Diskussion derzeit aber nicht gerecht. Denn da gibt es die Menschen, die aus welchen Gründen auch immer auf die Unterstützung anderer angewiesen sind – oder sogar angewiesen sein wollen. Man muss sie lassen. Es gibt Suchtkranke, es gibt Menschen mit Psychosen, es gibt Menschen, die aus unterschiedlichsten Gründen ihr Obdach verloren haben. Sie brauchen Hilfen und Angebote.
Es gibt aber auch das aggressive und das organisierte Betteln, den Menschenhandel, den Drogenhandel und die Beschaffungskriminalität, die strafbar sind. Und es gibt die Ordnungsverstöße, wie nächtliche Ruhestörung, Randalieren, Pöbeln und Verschmutzen privater Geschäfts- und Hauseingänge, die geahndet werden können. Die Gesetze, dagegen vorzugehen, sind vorhanden. Sollten die nötigen Instrumente und Mittel nicht ausreichen, um sie durchzusetzen, dann muss man sie sich geben. Oder das Problem ehrlich benennen.
Natürlich ist es rechtens, auf reelle Probleme, auf die vielfältigen Beschwerden über Sicherheitsmängel, Ordnungsverstöße und mangelnde Sanktionen hinzuweisen. Es mag auch gute Gründe geben, den Rechtsstaat einzufordern, wenn es um die Einhaltung der Nachtruhe und grundlegender Hygieneregeln geht oder wenn Eigentumsrechte verletzt werden.
Wer law and order einfordert, wird gerne in die rechte Ecke gedrückt, dabei macht auch das – innerhalb der verfassungsrechtlich abgesteckten Grenzen – einen Rechtsstaat aus. Aber hier wird seitens der Stadt mit einer rechtswidrigen Verordnung auf die Polizei Zugriff genommen, weil man nicht zufrieden mit den Sanktionen der Staatsanwaltschaft ist. Das überschreitet diese Grenzen und lässt erkennen, was drohen kann, wenn die Gemeindepolizei Realität wird.
Es ist nicht akzeptabel, dass die Polizei eine Verordnung ausführen muss, die die Falschen trifft, die offensichtlich rechtswidrig ist, die aber solange Bestand hat, bis jemand erfolgreich geklagt hat. Eine Klage, für die den Betroffenen die Mittel fehlen.
Kontakt: annette.welsch@wort.lu