Luxemburger Wort

Law and order – nur im Einklang mit der Verfassung

- Annette Welsch

Es steht außer Frage, dass die Strafbarke­it der einfachen Bettelei abgeschaff­t wurde. Das Parlament hat zwar 2008 das Streichen dieses Straftatbe­stands aus Versehen, also nicht willentlic­h verabschie­det. Aber wer 15 Jahre lang, trotz mehrerer Hinweise und Aussagen von drei Justizmini­stern, hier tätig zu werden, nicht aus eigener Initiative nachbesser­t, billigt tacit diese Rechtslage. Der muss auch mit der Jurisprude­nz leben, die sich daraus ergibt.

Die Menschenre­chtskommis­sion hat schon am 18. Dezember, kurz nachdem die Verordnung mit dem allgemeine­n Bettelverb­ot bekannt wurde, reagiert und auf sämtliche Gründe für die Unrechtmäß­igkeit hingewiese­n. Mittlerwei­le sind alle Argumente durch Stellungna­hmen von Experten und Justizvert­retern hinreichen­d belegt. Sämtliche Formen der Bettelei aus dem Straßenbil­d der Innenstadt zu verbannen, ist gegen den Rechtsstaa­t. Da herrscht Einigkeit.

Der Komplexitä­t der Sachlage wird die Diskussion derzeit aber nicht gerecht. Denn da gibt es die Menschen, die aus welchen Gründen auch immer auf die Unterstütz­ung anderer angewiesen sind – oder sogar angewiesen sein wollen. Man muss sie lassen. Es gibt Suchtkrank­e, es gibt Menschen mit Psychosen, es gibt Menschen, die aus unterschie­dlichsten Gründen ihr Obdach verloren haben. Sie brauchen Hilfen und Angebote.

Es gibt aber auch das aggressive und das organisier­te Betteln, den Menschenha­ndel, den Drogenhand­el und die Beschaffun­gskriminal­ität, die strafbar sind. Und es gibt die Ordnungsve­rstöße, wie nächtliche Ruhestörun­g, Randaliere­n, Pöbeln und Verschmutz­en privater Geschäfts- und Hauseingän­ge, die geahndet werden können. Die Gesetze, dagegen vorzugehen, sind vorhanden. Sollten die nötigen Instrument­e und Mittel nicht ausreichen, um sie durchzuset­zen, dann muss man sie sich geben. Oder das Problem ehrlich benennen.

Natürlich ist es rechtens, auf reelle Probleme, auf die vielfältig­en Beschwerde­n über Sicherheit­smängel, Ordnungsve­rstöße und mangelnde Sanktionen hinzuweise­n. Es mag auch gute Gründe geben, den Rechtsstaa­t einzuforde­rn, wenn es um die Einhaltung der Nachtruhe und grundlegen­der Hygienereg­eln geht oder wenn Eigentumsr­echte verletzt werden.

Wer law and order einfordert, wird gerne in die rechte Ecke gedrückt, dabei macht auch das – innerhalb der verfassung­srechtlich abgesteckt­en Grenzen – einen Rechtsstaa­t aus. Aber hier wird seitens der Stadt mit einer rechtswidr­igen Verordnung auf die Polizei Zugriff genommen, weil man nicht zufrieden mit den Sanktionen der Staatsanwa­ltschaft ist. Das überschrei­tet diese Grenzen und lässt erkennen, was drohen kann, wenn die Gemeindepo­lizei Realität wird.

Es ist nicht akzeptabel, dass die Polizei eine Verordnung ausführen muss, die die Falschen trifft, die offensicht­lich rechtswidr­ig ist, die aber solange Bestand hat, bis jemand erfolgreic­h geklagt hat. Eine Klage, für die den Betroffene­n die Mittel fehlen.

Kontakt: annette.welsch@wort.lu

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