Wo es noch in puncto Rechtsstaatlichkeit hakt
Zwei von sechs Empfehlungen der EU-Kommission hat Luxemburg umgesetzt
Ist die Luxemburger Rechtsstaatlichkeit in Gefahr? Glaubt man den Folgerungen der vierten Ausgabe des bereits im Juni 2023 erschienenen Berichts der EU-Kommission über Rechtsstaatlichkeit – dann eher nicht. Der Bericht enthält dennoch mehrere Vorschläge für Luxemburg – das in vier ausgewählten Kategorien: Justizreformen, Korruptionsbekämpfung, Freiheit und Pluralismus der Medien sowie institutionelle Gewaltenteilung. Gestern präsentierte der EU-Kommissar für Justiz und Rechtsstaatlichkeit, der Belgier Didier Reynders, den Bericht vor der Chamber. Sein Fazit: Von sechs Empfehlungen seien nur zwei vollständig umgesetzt worden. In vier Punkten herrscht in Sachen Luxemburger Rechtsstaatlichkeit noch Luft nach oben.
Zuerst das Gute: Mit der Verfassungsreform, in dem der nationale Justizrat verankert ist, werde die Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft gestärkt. Luxemburg hat sich zudem die notwendigen Mittel für den Kampf gegen Wirtschafts- und Finanzkriminalität gegeben. So die Erfolge seit dem letzten Bericht. Wo es allerdings noch hakt: In puncto kostenfreie Rechtsberatung sei es zu keinen Fortschritten gekommen, das Transparenzregister der Chamber sei ausbaufähig, Medien vermissen weiterhin ein Informationsfreiheitsgesetz und Außenstehenden würde bei der Gesetzgebung wenig Gehör geschenkt.
Da der Bericht allerdings nicht 2024 erschienen ist, hat die Kommission etwaige Fortschritte der letzten Monate nicht in Betracht gezogen. Denn, wie Chamberpräsident Claude Wiseler gegenüber Reynders eruierte, hat die Chamber unter anderem im August vorigen Jahres noch über den Gesetzestext über die kostenfreie Rechtsberatung abgestimmt. Zudem würde den Bürgern dank der nun vollbrachten Verfassungsreform mehr Mitspracherecht zustehen, jetzt wo sie auf eigenem Wege einen Gesetzestext an die Chamber übermitteln können. Beim Transparenzregister gelte es nun dessen Effizienz zu prüfen. Zusätzlich gedenke die Chamber, so Wiseler, einen Deontologie-Kodex in Bezug auf das Benehmen von Abgeordneten einzuführen.
Frieden als „Orbán“-Flüsterer – Reynders geht Frage aus dem Weg
Die in der Chamber anwesenden Abgeordneten beschäftigte in der Fragerunde mit Reynders jedoch eher ein anderes Land, das oft im negativen Sinn mit Rechtsstaatlichkeit in Verbindung gebracht wird: Ungarn. Vor allem seit die EU-Kommission zehn Milliarden eingefrorene Gelder Anfang Dezember an Ungarn freigegeben hat. Dadurch war sie öffentlich in Verruf geraten, sich vom ungarischen Präsidenten Viktor Orbán erpresst haben zu lassen, um seine Blockadehaltung in Bezug auf die Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine zu lockern.
Der ehemalige Wirtschafts- und Kooperationsminister Franz Fayot (LSAP) ließ sich in dem Kontext die Gelegenheit nicht nehmen, Reynders nach den Aussagen Friedens gegenüber der Nachrichtenplattform „Politico“zu fragen. „Luxemburgs neuer Premier will der Orbán-Flüsterer der EU sein“, titelte das Medium eine Unterhaltung mit Frieden. Darin sagt der Premier, Ungarn sei „mehr pro-europäisch als wir manchmal denken“und er wolle dazu beitragen, Brücken zwischen Brüssel und Budapest zu bilden. Danach befragt, welches Signal Frieden nach den kritisierten Aussagen nach Brüssel sende, ließ Reynders Fayot jedoch abblitzen. Er ging nicht weiter auf die Frage ein.