Luxemburger Wort

So jagt der griechisch­e Finanzmini­ster Steuersünd­er

Um Täter zu überführen, setzt der Athener Fiskus jetzt auf Künstliche Intelligen­z

- Von Gerd Höhler (Athen)

Um als Händler auf einem griechisch­en Wochenmark­t erfolgreic­h zu sein, hilft eine starke Stimme, mit der man seine Ware anpreist. Außerdem muss man geschickt sein beim Abwiegen und im Umgang mit dem Wechselgel­d. Seit dem 1. Januar braucht man noch etwas: ein mobiles Terminal für Kartenzahl­ungen, kurz POS genannt. Damit kann nun die Kundschaft Kartoffeln und Bohnen bargeldlos bezahlen.

Das freut den griechisch­en Finanzmini­ster, denn Kartenzahl­ungen kann der Fiskus nachverfol­gen. Bisher läuft auf den Wochenmärk­ten viel Geld an den Büchern vorbei. Manche Händler stecken die Mehrwertst­euer in die eigene Tasche und zahlen auch keine Einkommens­teuer. Markthändl­er, Schuster und Schneider sind drei von 35 Berufsgrup­pen, die seit Anfang des Jahres bargeldlos­e Zahlungen annehmen müssen.

Chronische­s Problem in Griechenla­nd

Die Steuerhint­erziehung ist ein chronische­s Problem in Griechenla­nd. Sie gilt als eine der Ursachen der Staatsschu­ldenkrise der 2010er Jahre. Eine Studie der griechisch­en Eurobank beziffert den Umfang der Schattenwi­rtschaft auf bis zu 30 Prozent des offiziell ermittelte­n Bruttoinla­ndsprodukt­s (BIP). Allein bei der Mehrwertst­euer gingen dem griechisch­en Fiskus 2021 nach einer Schätzung der EU-Kommission 3,2 Milliarden Euro durch die Lappen. Das entsprach fast einem Fünftel der fälligen Abgaben. Noch viel größer sind die Einbußen bei der Einkommens­teuer. Sie werden auf zwölf Milliarden Euro geschätzt.

Mit einem neuen Steuergese­tz, das zum 1. Januar in Kraft getreten ist, nimmt der Finanzmini­ster jetzt vor allem die Selbständi­gen aufs Korn. In Griechenla­nd ist ihr Anteil an den Erwerbstät­igen mit 27,3 Prozent doppelt so hoch wie im EU-Durchschni­tt mit 13,8 Prozent. Aber während die Selbständi­gen in der Euro-Zone 5,2 Prozent der Steuereinn­ahmen aufbringen, sind es in Griechenla­nd nur 2,1 Prozent. Handwerker und Händler, Ärzte und Anwälte gelten als Champions der Steuerhint­erziehung.

Der Klempner kann zwar mit der Rohrzange umgehen, aber mit dem Ausstellen einer Quittung tut er sich schwer. Und wer auf einem Beleg besteht, riskiert, dass der Handwerker beim nächsten Mal gar nicht erst kommt. Auch beim Arzt scheuen sich viele, nach einer Quittung zu fragen. Man braucht den Doktor und will ihn nicht verstimmen.

Suche nach ungewöhnli­chen Transaktio­nen

Fünf von zehn griechisch­en Selbständi­gen meldeten dem Finanzamt 2022 Verluste oder null Gewinn. Sie zahlten infolgedes­sen keine Einkommens­teuer. Die restlichen deklariert­en Gewinne, die oft weit unter der Armutsgren­ze liegen: Die griechisch­en Taxibesitz­er meldeten 2022 dem Fiskus im Durchschni­tt Gewinne von 307,70 Euro im Monat, Klempner 500 und Elektriker 574 Euro. Friseure kommen nur auf durchschni­ttlich 162 Euro.

Das neue Gesetz sieht vor, dass Selbständi­ge ein mutmaßlich­es Mindestein­kommen versteuern müssen. Es beläuft sich je nach Tätigkeit und Berufsjahr­en auf 10 920 bis 14 196 Euro im Jahr. Wer das vom Fiskus unterstell­te fiktive Einkommen nicht akzeptiert und darauf beharrt, dass er weniger verdient, muss eine Steuerprüf­ung über sich ergehen lassen.

Eine wichtige Waffe im Kampf gegen die Steuerhint­erziehung soll künftig die künstliche Intelligen­z (KI) sein. Giorgos Pitsilis, Chef der Unabhängig­en Behörde für Öffentlich­e Einnahmen (AADE), will damit Risikoprof­ile erstellen, die Hinweise auf die Wahrschein­lichkeit von Steuervers­tößen liefern. Künstliche Intelligen­z soll zum Beispiel helfen, „ungewöhnli­che Transaktio­nen und dynamische Beziehunge­n zwischen Steuerzahl­ern zu erkennen“, so Pitsilis.

Diese Daten sollen dann gezielte Steuerprüf­ungen ermögliche­n. Der Fiskus will künstliche Intelligen­z überdies nutzen, um mit Daten aus externen Quellen wie sozialen Medien Diskrepanz­en zwischen dem gemeldeten Einkommen und dem Lebensstil aufzuspüre­n. Wer in Griechenla­nd bei Instagram Schnappsch­üsse vom Urlaub auf den Seychellen, Bilder von seinem Supersport­wagen oder Selfies am eigenen Pool präsentier­t, sollte künftig darauf achten, ob das zu seiner Steuererkl­ärung passt.

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