Ein Leben wie ein Scheiterhaufen
Um kaum eine Person in der Luxemburger Geschichte ranken sich mehr Mythen als um sie. Vor 100 Jahren starb Großherzogin Marie Adelheid
Batty Weber nannte sie in seinem Abreißkalender ein „merkwürdiges Fürstenkind“, verglich sie wegen der „epischen und dramatischen Keime“in ihrer kurzen weltlichen Laufbahn mit den großen Heldinnen der Dichtung und Literatur. Großherzogin Marie Adelheid, geboren am 14. Juni 1894 auf Schloss ColmarBerg, ist vor hundert Jahren, am 24. Januar 1924, in ihrem 30. Lebensjahr auf Schloss Hohenburg in Bayern nach einem kurzen, vor allem aber komplizierten und unerfüllten Leben gestorben.
Die politische Bilanz dieser Großherzogin in den sechseinhalb Jahren ihrer Herrschaft war verheerend: sieben Regierungsrücktritte, sechs Staatsminister, mehrere Regierungs- und Staatskrisen. Sie wollte auch etwas zu sagen haben, sie wollte sich in einer unstabilen politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lage nicht auf repräsentative Aufgaben beschränken.
Wegen ihrer tiefen Gläubigkeit und ihrer Nähe zum Klerus löste sie die sogenannte Schulgesetzaffäre aus. Ihre ostentative Deutschfreundlichkeit führte zu einer großen Abneigung der Luxemburger Bevölkerung ihr gegenüber. Und ihre Zugehörigkeit zum deutschen Adel gepaart mit der deutschfreundlichen Politik von Staatsminister Pierre Eyschen trug mit dazu bei, dass Luxemburg im Ersten Weltkrieg als deutscher Einflussbereich betrachtet wurde. Als dann auch noch das oberste Hauptquartier des deutschen Heeres nach Luxemburg verlegt wurde, kam Kaiser Wilhelm II. und sein Gefolge ins Land, und wurde, „entgegen allen Mythen, von Marie Adelheid und ihrer Mutter freundlich-familiär empfangen und mindestens fünfmal bei Hof eingeladen.“
Politische Biografie
Josiane Weber hat in ihrer politischen Biografie über die damalige Großherzogin, die 2019 im Verlag Guy Binsfeld erschienen ist, das dichte Geflecht von teils wahren, teils erfundenen Geschichten entwirrt, um „die bedeutende Funktion, die Marie Adelheid in der Zeit zwischen 1912 und 1919 in der Luxemburger Geschichte spielte, anhand von historischen Quellen aufzuzeigen.“In einem Epilog schreibt die Historikerin und Germanistin auch über den Tod und die letzten Jahre im Leben der entmachteten Großherzogin. Dabei beruft sie sich auf Quellen, Biografien und Bücher, geschrieben von Zeitzeugen, die der Entourage Marie Adelheids damals sehr nahestanden.
Eine davon ist die amerikanische Schriftstellerin Edith O’Shaughnessy (1868–1939), die 1932 in London das Buch „Marie Adelaide Grand Duchess of Luxembourg, Duchess of Nassau“veröffentlicht hat – laut Josiane Weber „die ausführlichste und bis heute für die Darstellung ihrer Persönlichkeit wichtigste Biografie“. Eine weitere Quelle ist das 1926 erschienene Buch „Krone und Passionsblumen. Lebensbild einer katholischen Fürstin“von Konrad Kümmel (1848–1936). Seine Schrift war aber, wie man damals schon in einer Rezension in der „Obermoselzeitung“hervorhob, vor allem darauf fixiert, die Großherzogin als fromme Fürstin darzustellen. Konrad Kümmel war Priester.
Aus vielem ergibt sich am Ende ein Bild darüber, wie Marie Adelheid die letzten Jahre im Exil verbracht hat, und wie sie gestorben ist:
„…gegen Mittag knieten ihre Mutter Maria Anna, ihre Tante Gräfin Bardi, die Schwestern Hilda, Antonia und Sophie und andere Mitglieder des Haushalts um Marie Adelheids Bett. Sie bemerkten eine unerwartete Veränderung in ihrem Gesicht, das weiß und glänzend wurde. Plötzlich zog sie ihre Gliedmaßen enger zusammen, faltete die Hände über der Brust, sah sie alle an und flüsterte: ,Weint nicht um mich. Seid glücklich mit mir.‘ Ihre Augen schlossen sich, dann kamen die Worte – wie für sich allein gesprochen: ,Freude, Freude. O glücklich zu sein.‘ Sie starb nachmittags gegen 13.30 Uhr.“
Nach ihrem Hinscheiden habe man ihr das Brautkleid ihrer Schwester Antonia angezogen, liest man in der Biografie von Josiane Weber: „Eingehüllt in die schweren Falten aus glänzendem Satin gewann sie ihre natürliche Eleganz zurück und nahm eine erhabene und absolute Ausstrahlung an. Von ihrer Sterbekammer aus wurde sie in die große Halle des Schlosses getragen, um dort in einem mit weißen Rosen ausgelegten Zinksarg aufgebahrt zu werden, der in einen einfachen, mit einem großen Kruzifix geschmückten Holzsarg gestellt wurde.
In allem, was sie nach ihrer Abdankung im Januar 1919 angepackt hatte, war sie gescheitert.