In Griechenland tobt ein blutiger Bandenkrieg
Es geht um geschmuggelte Zigaretten, gepanschtes Benzin und Schutzgelderpressung. Der Skandal bringt die konservative Regierung in Zugzwang
Als Vangelis Zambounis in der Nacht zum 14. Januar im Athener Stadtteil Neos Kosmos seinen gepanzerten BMW X5 bestieg und die schwere Fahrertür hinter sich schloss, glaubte er sich in Sicherheit. Bilder einer Überwachungskamera zeigen, was dann auf der Ilias Iliou-Straße, einer viel befahrenen Verkehrsachse, passierte.
Ein Lexus-SUV stoppt vor dem schwarzen BMW. Ein Mann springt aus der Beifahrertür und läuft mit schnellen Schritten auf den BMW zu. Er hält ein automatisches Kalaschnikow-Gewehr im Anschlag. Auf der Höhe der Fahrertür beginnt er aus nächster Nähe zu schießen. Zwei Magazine entleert der Angreifer. Unter dem Dauerfeuer aus der Kalaschnikow zerbröselt das Panzerglas. Dann öffnet der Attentäter die Fahrertür und versetzt seinem vermutlich bereits leblosen Opfer aus einer Pistole einen letzten Schuss in den Kopf.
Die Angreifer, vermutlich drei Männer, konnten unerkannt entkommen. Die
Polizei vermutet, dass es sich um professionelle Auftragskiller aus dem osteuropäischen Ausland handelt. Ihr Fluchtfahrzeug fanden die Fahnder einige Stunden später ausgebrannt im Athener Stadtteil Dafni.
Das Opfer ist kein Unbekannter
Das Opfer Vangelis Zambounis ist für die Polizei kein Unbekannter. 2018 hatte er einen Mordanschlag knapp überlebt. Der 44-Jährige galt als eine der mächtigsten Figuren der griechischen Unterwelt und wichtiger Akteur im millionenschweren Geschäft mit Tabak- und Treibstoffschmuggel sowie Schutzgelderpressungen. Die Ermittler prüfen jetzt mögliche Verbindungen des Mordes an Zambounis zur Ermordung seines früheren Hauptkonkurrenten Vasilis Roubetis im vergangenen Juni.
Eine andere Spur, der die Polizei folgt, ist Zambounis‘ Rolle in einem Bandenkrieg, der seit etwa zwei Jahren in der griechischen Unterwelt tobt. Gangs ethnischer Griechen aus der Ukraine und anderen Ländern der ehemaligen Sowjetunion machen offenbar der griechischen Mafia die Geschäfte streitig. Dabei geht es unter anderem um die Kontrolle über Hunderte Tankstellen, an denen gepanschte und unverzollte Treibstoffe verkauft werden.
Vergangene Woche meldete die Polizei die Festnahme von drei Männern, die in zwei Unterweltmorde aus den Jahren 2022 und 2023 verwickelt sein sollen. Seit 2017 gab es in Griechenland zwei Dutzend solcher „Hinrichtungen“. Schon lange wird über mögliche Verbindungen der Mafia-Banden zum Polizeiapparat spekuliert. Das könnte erklären, warum viele der Morde unaufgeklärt sind.
Bewährungsprobe für neuen Bürgerschutzminister
Der Kampf gegen die Mafiabanden wird damit zur Bewährungsprobe für den neuen Bürgerschutzminister Michalis Chrysochoidis. Erst am 3. Januar hatte Regierungschef Kyriakos Mitsotakis ihn in das
Gangs ethnischer Griechen aus der Ukraine und anderen Ländern der ehemaligen Sowjetunion machen offenbar der griechischen Mafia die Geschäfte streitig.
Amt berufen. Er kennt das Ministerium und die Materie. Chrysochoidis, der 2019 von der sozialdemokratischen Pasok zur konservativen Nea Dimokratia wechselte, war bereits zwischen 1999 und 2021 mit Unterbrechungen fast zehn Jahre lang als Bürgerschutzminister für die Polizei zuständig.
Der Jurist kennt den Sicherheitsapparat wie kein zweiter Politiker. Zu seinen großen Erfolgen gehört die Zerschlagung der Terrororganisation „17. November“im Jahr 2002. Der 68-jährige Chrysochoidis gilt als absolut integer und furchtlos. Er kennt das Risiko. Am 24. Juni 2010 brachte der Postbote ein Paket in das Ministerbüro. Es war an Chrosochoidis persönlich adressiert. Das Paket enthielt eine Bombe. Sein Adjutant Giorgos Vasilakis öffnete es und wurde bei der Explosion tödlich verletzt.