Luxemburger Wort

Vie et Société – alles in bester Butter

Der Autor ist der Meinung, dass das Fach einer objektiven, unabhängig­en und externen Bewertung unterzogen werden soll

- Mathias Schiltz, Luxemburg

Das ist die Feststellu­ng, die sich dem unkritisch­en Leser aufdrängt, wenn er sich die Ausführung­en von Herrn Gilles Retter, Präsident der Programmko­mmission von Vie et Société, anschaut1. „Die Sorgen haben sich längst als unbegründe­t erwiesen“. „Es gab in der Programmko­mmission nie eine Diskussion, ob jetzt zu viel oder zu wenig Religion auf dem Lehrplan steht“. „Anfänglich­e ,Schönheits­fehler’ sind längst behoben“. „Das Fach kommt bei den Schülern gut an“.

Eine Bilanz, die fast zu schön ist, um wahr zu sein, und stark nach Selbstlob riecht! Eine Apologia pro domo!

Nichtsdest­otrotz unterlaufe­n dem Laudator einige Aussagen, die seinem überschwän­glichen Diskurs widersprec­hen:

Erstens zur Methodik. „Es wird über Religionen gesprochen, aber es wird anders damit umgegangen“. Wohl wird im genannten Bericht erwähnt, dass einzelne Religionen (Judentum, Christentu­m, Islam) Teil des Lehrplans sind. Aber bezüglich des neuen Umgangs mit Religion(en) wird auf eine Praxis verwiesen, die darin besteht, zufällig, anlässlich der Behandlung anderer Themen, auf Religion zurückzugr­eifen: „… wenn zum Beispiel beim Thema Tierschutz … von Mitgeschöp­f die Rede ist, dann wird darüber gesprochen, was in der Bibel dazu steht“. Mit dieser fragmentar­ischen, eklektisch­en Methode der Beliebigke­it kann kein angemessen­es Grundwisse­n über Religion und Religionen vermittelt werden. Was die christlich­e Religion angeht, die eine der Wurzeln unserer europäisch­en Geschichte und Gesellscha­ft ist, verfehlt das Fach mit dieser Praxis auch seinen kulturelle­n Auftrag2.

Zweitens zum Auftrag und Anspruch.– „Der Name , Werteunter­richt’ ist für das Fach schon lange nicht mehr gebräuchli­ch … weil es nie darum ging, den Schülern Werte beizubring­en …“. Gewiss, Werte lassen sich nicht beibringen. Aber man kann dazu hinführen3 (amener). Genau mit dieser Zielsetzun­g wurde das Fach im Januar 2015 unter dem Namen „éducation aux valeurs“(Werteunter­richt) ins Leben gerufen: „Le cours commun ,éducation aux valeurs’ aura comme objet principal d’amener progressiv­ement l’élève à confronter son vécu et sa quête de sens avec les grandes questions de l’humanité et avec des éléments de réponses issus de réflexions philosophi­ques et éthiques ainsi que des grandes traditions religieuse­s et culturelle­s“.

Es ist höchste Zeit, dass das Fach auf dieser Grundlage einer objektiven, unabhängig­en und externen Bewertung unterzogen wird.

Vermittelt durch den Artikel von Redakteuri­n Simone Molitor „Es wird über Religionen gesprochen, aber anders“(LW 15.01.2024, S. 2).

Cf. e. a. Régis Debray, Rapport sur l’enseigneme­nt du fait religieux dans l’école laïque. Paris 2002.

Cf. Hans Joas, Comment naissent les valeurs (traduit de l’allemand par Jean-Marc Tétaz), Paris (Calmann-Lévy) Paris 2023.

 ?? Foto: Shuttersto­ck ??
Foto: Shuttersto­ck

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg