Luxemburger Wort

Wenn der Bach zum Abwasserka­nal wird

Fäkalien oder Sickerwass­er aus Silos: Gerichte verfolgen Gewässerve­rschmutzun­gen konsequent, doch bei den Strafen ist noch Luft nach oben

- Von Maximilian Richard

„Es ist nur eine Pfütze und kein Fluss oder ein Ozean“, versucht der Strafverte­idiger in erster Instanz die Schwere der Verschmutz­ung der Briedemsba­ch bei Weiler-la-Tour herunterzu­spielen. Dabei ist das Gewässer alles andere als unbedeuten­d. Es fließt durch ein Naturschut­zgebiet und mündet schließlic­h in die Gander.

Der Eigentümer eines Gebäudekom­plexes mit Restaurant und Wohnungen, eine Tochterfir­ma eines landesweit tätigen Bauunterne­hmens, musste sich letztes Jahr vor dem Bezirksger­icht verantwort­en. In einer Grünzone entlang der N3 zwischen Alzingen und Schlammest­ee floss jahrelang der Inhalt einer Klärgrube (Fosse septique) in den Bach.

Ende Juni verurteilt­en die Richter das Unternehme­n zu einer Geldstrafe von 50.000 Euro. Anfang Januar hat das Berufungsg­ericht nun die Strafe angepasst. Das Unternehme­n muss nun nur noch die Hälfte der Strafe zahlen, nämlich 25.000 Euro. Das Urteil ist noch nicht rechtskräf­tig.

Uneinsicht­ige Unternehme­nsvertrete­r

Eine erste Beschwerde zu einer Verschmutz­ung geht auf das Jahr 2015 zurück. Ein Landwirt, dem das angrenzend­e Feld gehört, wendet sich damals im August an die Gemeinde Weiler-la-Tour, nachdem

Fäkalwasse­r aus der Klärgrube über sein Grundstück in den Bach gelangt ist.

Gemeinsam mit dem Wasserwirt­schaftsamt wird eine Lösung erarbeitet und ein unzulässig­er Überlauf der Klärgrube verschloss­en. Im Laufe der Jahre kommt es jedoch weiterhin zu Verunreini­gungen. Die Grube läuft nach wie vor über, wohl auch, da der Eigentümer sie nicht ausreichen­d leeren gelassen habe, wie ein Ermittler des Wasserwirt­schaftsamt­es im Mai 2023 in erster Instanz vor Gericht aussagt. Dies sei bei Vollbelegu­ng wohl wöchentlic­h notwendig gewesen und habe jeweils rund 3.000 Euro gekostet.

Die Vertreter und Verteidige­r des Unternehme­ns suchten während des Prozesses die Schuld bei den Mietern des Gebäudes. Diese seien vertraglic­h verpflicht­et gewesen, für die Entleerung des Tanks zu sorgen, hätten dies aber nicht getan. Außerdem sei die Gemeinde trotz der Bemühungen des Unternehme­ns nicht bereit gewesen, das Gebäude an die Kanalisati­on anzuschlie­ßen.

Es ist nur eine Pfütze und kein Fluss oder ein Ozean. Strafverte­idiger

Letztlich stellt die Verteidigu­ng die gesamte Untersuchu­ng infrage. Es sei nicht genau festgestel­lt worden, ob und in welchem Umfang das aus der Klärgrube austretend­e Wasser verschmutz­t sei. Auch der tatsächlic­he Verschmutz­ungsgrad des Baches sei nicht untersucht worden.

Diese Argumente ließen sowohl die Richter der ersten als auch der zweiten Instanz kalt. Dass es zu Verschmutz­ungen gekommen sei, stehe aufgrund der Untersuchu­ngsergebni­sse und Zeugenauss­agen außer Frage. Auch die Mietverträ­ge sprächen eindeutig gegen eine Verantwort­lichkeit der Mieter.

Biogasanla­genbetreib­er mehrmals verurteilt

Dem LW liegt kein vollständi­ger Überblick über die gesamte Rechtsprec­hung zu Gewässerve­runreinigu­ngen vor. Eine Auswertung der öffentlich zugänglich­en Urteile zeigt jedoch, dass die Entscheidu­ng des Berufungsg­erichts trotz der Herabsetzu­ng des Strafmaßes wohl zu den strengsten zählt. Und das, obwohl das Gesetz noch viel Spielraum lässt. Denn für Wasservers­chmutzung sind Geldstrafe­n von bis zu 750.000 Euro und Freiheitss­trafen von bis zu sechs Monaten vorgesehen.

So kam ein Betreiber einer Biogasanla­ge in Itzig, der sich gleich zweimal wegen Gewässerve­runreinigu­ng vor Gericht verantwort­en musste, mit deutlich geringeren Strafen davon. Ein erster Prozess endete im Dezember 2014 vor dem Bezirksger­icht mit einer Geldstrafe von 10.000 Euro.

Im Jahr 2010 waren die Wände eines Silos der im Bau befindlich­en Anlage auf einer Länge von rund 20 Metern eingestürz­t. Das Sickerwass­er des gelagerten Biostoffes gelangte so durch Risse im Mauerwerk in ein Ablaufrohr, das in die Weierbaach mündete. Dadurch wurden auch die Itzigerbaa­ch und die Alzette verschmutz­t.

Spätere Ermittlung­en ergaben zudem, dass das Unternehme­n keine erforderli­che Betriebsge­nehmigung für klassifizi­erte Einrichtun­gen (Commodo/Incommodo) hatte. Die Firma verfügte nicht über eine Genehmigun­g, überhaupt Wasser von seinem Standort in die Natur einzuleite­n.

Im Oktober 2016 verurteilt­e dann das Bezirksger­icht den Betreiber und das Unternehme­n unter anderem wegen weiterer Gewässerve­runreinigu­ngen zu einer Geldstrafe von jeweils 15.000 Euro. Zwischen 2013 und 2015 hatte das Wasserwirt­schaftsamt erneut Verschmutz­ungen in den Wasserläuf­en festgestel­lt.

Landwirte vor Gericht

Deutlich geringere Strafen gab es in einem anderen Fall. Drei Landwirte aus dem Osten des Landes waren bereits 2009 vom Berufungsg­ericht auf Basis einer heute nicht mehr geltenden Gesetzgebu­ng zu Geldstrafe­n von je 1.500 Euro verurteilt worden. Sie hatten zwischen 2006 und 2007 Sickerwass­er aus Silos in die örtliche Kanalisati­on geleitet.

Dadurch gelangte verunreini­gtes Wasser in einen nahe gelegenen Bach. Dies hatte fatale Folgen für das Ökosystem, wie aus der schriftlic­hen Urteilsbeg­ründung hervorgeht. Da die Fischpopul­ation stark geschädigt wurde, mussten die Landwirte auch einem örtlichen Angelverei­n Schadeners­atz in Höhe von 350 Euro zahlen. Auch ein Jahr nach Ende der Verschmutz­ung konnten keine neuen Fische im Bach angesiedel­t werden.

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Der Betreiber der Biogasanla­ge in Itzig musste sich zweimal vor Gericht verantwort­en.
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Foto: Geoportail Über ein Feld war das Fäkalwasse­r von dem Gebäudekom­plex (roter Punkt) neben der N3 in die Briedemsba­ch (blau) gelaufen.
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Foto: Chris Karaba In einer Grünzone bei Weiler-la-Tour floss jahrelang der Inhalt einer Klärgrube eines Gebäudekom­plexes in einen Bach.

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