Wenn der Bach zum Abwasserkanal wird
Fäkalien oder Sickerwasser aus Silos: Gerichte verfolgen Gewässerverschmutzungen konsequent, doch bei den Strafen ist noch Luft nach oben
„Es ist nur eine Pfütze und kein Fluss oder ein Ozean“, versucht der Strafverteidiger in erster Instanz die Schwere der Verschmutzung der Briedemsbach bei Weiler-la-Tour herunterzuspielen. Dabei ist das Gewässer alles andere als unbedeutend. Es fließt durch ein Naturschutzgebiet und mündet schließlich in die Gander.
Der Eigentümer eines Gebäudekomplexes mit Restaurant und Wohnungen, eine Tochterfirma eines landesweit tätigen Bauunternehmens, musste sich letztes Jahr vor dem Bezirksgericht verantworten. In einer Grünzone entlang der N3 zwischen Alzingen und Schlammestee floss jahrelang der Inhalt einer Klärgrube (Fosse septique) in den Bach.
Ende Juni verurteilten die Richter das Unternehmen zu einer Geldstrafe von 50.000 Euro. Anfang Januar hat das Berufungsgericht nun die Strafe angepasst. Das Unternehmen muss nun nur noch die Hälfte der Strafe zahlen, nämlich 25.000 Euro. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Uneinsichtige Unternehmensvertreter
Eine erste Beschwerde zu einer Verschmutzung geht auf das Jahr 2015 zurück. Ein Landwirt, dem das angrenzende Feld gehört, wendet sich damals im August an die Gemeinde Weiler-la-Tour, nachdem
Fäkalwasser aus der Klärgrube über sein Grundstück in den Bach gelangt ist.
Gemeinsam mit dem Wasserwirtschaftsamt wird eine Lösung erarbeitet und ein unzulässiger Überlauf der Klärgrube verschlossen. Im Laufe der Jahre kommt es jedoch weiterhin zu Verunreinigungen. Die Grube läuft nach wie vor über, wohl auch, da der Eigentümer sie nicht ausreichend leeren gelassen habe, wie ein Ermittler des Wasserwirtschaftsamtes im Mai 2023 in erster Instanz vor Gericht aussagt. Dies sei bei Vollbelegung wohl wöchentlich notwendig gewesen und habe jeweils rund 3.000 Euro gekostet.
Die Vertreter und Verteidiger des Unternehmens suchten während des Prozesses die Schuld bei den Mietern des Gebäudes. Diese seien vertraglich verpflichtet gewesen, für die Entleerung des Tanks zu sorgen, hätten dies aber nicht getan. Außerdem sei die Gemeinde trotz der Bemühungen des Unternehmens nicht bereit gewesen, das Gebäude an die Kanalisation anzuschließen.
Es ist nur eine Pfütze und kein Fluss oder ein Ozean. Strafverteidiger
Letztlich stellt die Verteidigung die gesamte Untersuchung infrage. Es sei nicht genau festgestellt worden, ob und in welchem Umfang das aus der Klärgrube austretende Wasser verschmutzt sei. Auch der tatsächliche Verschmutzungsgrad des Baches sei nicht untersucht worden.
Diese Argumente ließen sowohl die Richter der ersten als auch der zweiten Instanz kalt. Dass es zu Verschmutzungen gekommen sei, stehe aufgrund der Untersuchungsergebnisse und Zeugenaussagen außer Frage. Auch die Mietverträge sprächen eindeutig gegen eine Verantwortlichkeit der Mieter.
Biogasanlagenbetreiber mehrmals verurteilt
Dem LW liegt kein vollständiger Überblick über die gesamte Rechtsprechung zu Gewässerverunreinigungen vor. Eine Auswertung der öffentlich zugänglichen Urteile zeigt jedoch, dass die Entscheidung des Berufungsgerichts trotz der Herabsetzung des Strafmaßes wohl zu den strengsten zählt. Und das, obwohl das Gesetz noch viel Spielraum lässt. Denn für Wasserverschmutzung sind Geldstrafen von bis zu 750.000 Euro und Freiheitsstrafen von bis zu sechs Monaten vorgesehen.
So kam ein Betreiber einer Biogasanlage in Itzig, der sich gleich zweimal wegen Gewässerverunreinigung vor Gericht verantworten musste, mit deutlich geringeren Strafen davon. Ein erster Prozess endete im Dezember 2014 vor dem Bezirksgericht mit einer Geldstrafe von 10.000 Euro.
Im Jahr 2010 waren die Wände eines Silos der im Bau befindlichen Anlage auf einer Länge von rund 20 Metern eingestürzt. Das Sickerwasser des gelagerten Biostoffes gelangte so durch Risse im Mauerwerk in ein Ablaufrohr, das in die Weierbaach mündete. Dadurch wurden auch die Itzigerbaach und die Alzette verschmutzt.
Spätere Ermittlungen ergaben zudem, dass das Unternehmen keine erforderliche Betriebsgenehmigung für klassifizierte Einrichtungen (Commodo/Incommodo) hatte. Die Firma verfügte nicht über eine Genehmigung, überhaupt Wasser von seinem Standort in die Natur einzuleiten.
Im Oktober 2016 verurteilte dann das Bezirksgericht den Betreiber und das Unternehmen unter anderem wegen weiterer Gewässerverunreinigungen zu einer Geldstrafe von jeweils 15.000 Euro. Zwischen 2013 und 2015 hatte das Wasserwirtschaftsamt erneut Verschmutzungen in den Wasserläufen festgestellt.
Landwirte vor Gericht
Deutlich geringere Strafen gab es in einem anderen Fall. Drei Landwirte aus dem Osten des Landes waren bereits 2009 vom Berufungsgericht auf Basis einer heute nicht mehr geltenden Gesetzgebung zu Geldstrafen von je 1.500 Euro verurteilt worden. Sie hatten zwischen 2006 und 2007 Sickerwasser aus Silos in die örtliche Kanalisation geleitet.
Dadurch gelangte verunreinigtes Wasser in einen nahe gelegenen Bach. Dies hatte fatale Folgen für das Ökosystem, wie aus der schriftlichen Urteilsbegründung hervorgeht. Da die Fischpopulation stark geschädigt wurde, mussten die Landwirte auch einem örtlichen Angelverein Schadenersatz in Höhe von 350 Euro zahlen. Auch ein Jahr nach Ende der Verschmutzung konnten keine neuen Fische im Bach angesiedelt werden.