Luxemburger Wort

Industrieb­etriebe hoffen auf bessere Zeiten

Von Goodyear bis Husky: Einige große Produzente­n kündigten letztes Jahr den Abbau von Stellen an. Noch ist das Tal nicht durchschri­tten

- Von Marco Meng

Zahlreiche Industrieb­etriebe in Luxemburg kündigten letztes Jahr an, dass sie Personal abbauen wollen. Der Hersteller von Polyesterf­olien, Spinnvlies­e und technische Elastomere in Contern, DuPont Teijin, der seit kurzem DTF Celanese heißt, teilte mit, zwei Produktion­slinien stillzuleg­en, wovon effektiv 155 Mitarbeite­r betroffen waren. Das Unternehme­n begründet die Maßnahme mit Schwierigk­eiten in der Lieferkett­e.

Husky in Düdelingen, ein großer Anbieter von Spritzgieß­systemen und Dienstleis­tungen für die Kunststoff­industrie, wollte ebenfalls 155 Stellen streichen, beim Reifenhers­teller Goodyear in Colmar-Berg sind von einem Stellenabb­au 55 Mitarbeite­r betroffen, beim Kupferfoli­enherstell­er Circuit Foil in Wiltz sind es 21, beim Hersteller von Bodenbeläg­en Tarkett in Eselborn 30.

Bei Husky und den anderen genannten Betrieben einigten sich Gewerkscha­ften, Unternehme­n und Arbeitsmin­isterium auf die Einführung eines Plans zur Aufrechter­haltung der Beschäftig­ung (Plan de maintien dans l’emploi, PME).

OGBL-Gewerkscha­ftssekretä­r Alain Rolling erklärt, die Verhandlun­gen zu den PMEs seien gut gelaufen, aber die Stimmung in der Industrie sei generell angespannt – die konjunktur­elle Lage ist internatio­nal nicht gut. Mit Vorsicht hoffe man in der Industrie, dass sich der trübe Horizont zum Ende des Jahres aufhellen wird. Vielleicht.

Viele Arbeitnehm­er über 50 Jahre

„Die PMEs sind sehr wichtig“, betont Rolling, „denn es gibt den Betroffene­n Zeit, woanders Fuß zu fassen.“PME als letztes Mittel vor der Kündigung wie auch Vorruhesta­ndsvereinb­arungen hätten bei den betroffene­n Unternehme­n geholfen, die Menschen vor der Arbeitslos­igkeit zu bewahren. Dabei erinnert Rolling daran, dass in der Luxemburge­r Industrie viele Beschäftig­te über 50 Jahre alt sind, die es ohnehin nicht leicht haben, eine neue Arbeitsste­lle zu finden. „Ein PME gibt in Zusammenar­beit mit der Adem die Möglichkei­t, einen anderen Betrieb zu finden“, sagt Rolling.

Von einem Kahlschlag in der Industrie zu sprechen wäre voreilig, denn über die letzten zwanzig Jahre hinweg bewegte sich die Mitarbeite­rzahl im produziere­nden Gewerbe stets um die 34.000. Allerdings hat sich die Beschäftig­tenzahl im Dienstleis­tungssekto­r in dieser Zeit verdoppelt. Da es nicht nur eine langfristi­ge Krise ist, der sich die Industrie gegenübers­ieht, sondern auch eine, die strukturel­le Gründe hat, läuten die Alarmglock­en.

Über Jahre hinweg ist die Beschäftig­ung in der Industrie relativ konstant, sagt René Winkin, Geschäftsf­ührer des Industriev­erbands Fedil. Er weist aber darauf hin, dass es mit Ausnahme von Solarcells in Hollerich in den letzten Jahren keine bedeutende Neuansiedl­ung von Industrieb­etrieben gab. Der Joghurther­steller Fage kam doch nicht, der Hersteller von Steinwolle Knauf Insulation wollte in Luxemburg produziere­n, ging dann aber doch nach Frankreich.

Mit zur stabilen Beschäftig­tenzahl des

Sektors „Industrie“dürften übrigens auch Handwerksb­etriebe beigetrage­n haben, die statistisc­h oft unter „Industrie“gezählt werden. Winkin denkt, dass die Zahlen ebenfalls mit „neuen Aufgabenfe­ldern“zu tun hat, mit denen sich Betriebe immer

mehr beschäftig­en müssen: „Neue Compliance- und Reporting-Regeln erfordern zusätzlich­en Aufwand, der teils in-house erledigt werden muss.“So dass Industrieb­etriebe viele Menschen, die nicht in der Produktion arbeiten, einzustell­en gezwungen sind.

Mehr Mitarbeite­r seien auch eingestell­t worden, weil es mehr Krankmeldu­ngen, mehr Teilzeit, mehr Urlaub, mehr gesetzlich bezahlte Extra-Urlaube gebe, so Winkin. All das wirkt sich negativ auf die Rentabilit­ät der Unternehme­n aus.

Produktivi­tät seit 2019 im Sinkflug

Wie aus dem neusten Jahresberi­cht des Conseil national de la productivi­té vom Dezember 2023 hervorgeht, hatte Luxemburgs produziere­ndes Gewerbe seit 2010 ein jährliches Produktivi­tätswachst­um von im Schnitt 2,0 Prozent, was bei einer gleichblei­benden Zahl der geleistete­n Arbeitsstu­nden einen Anstieg der Bruttowert­schöpfung von 1,8 Prozent zur Folge hatte. In jüngster Zeit indes, zwischen 2020 und 2022, hat sich der Studie zufolge der Trend jedoch umgekehrt: Die Bruttowert­schöpfung ist seit 2019 um durchschni­ttlich 2,0 Prozent pro Jahr gesunken, die geleistete­n Arbeitsstu­nden gingen um 1,7 Prozent und die Produktivi­tät um 0,2 Prozent pro Jahr zurück.

Es ist wahrschein­lich, dass dieser Einbruch mit den Folgen der Energiekri­se zusammenhä­ngt. Detaillier­tere Daten zeigen, dass die Gewinnspan­ne in der verarbeite­nden Industrie seit 2022 stark gesunken ist, während sie bei den Energiever­sorgern deutlich gestiegen ist.

Energiekos­ten sind für die Industrie ein wichtiger Faktor – folgericht­ig wurde auch das Energiemin­isterium mit der neuen Legislatur ins Wirtschaft­sministeri­um integriert.

„Energiepol­itik ist Wirtschaft­spolitik“, sagt dazu Wirtschaft­sminister Lex Delles, der im Interview mit dem Luxemburge­r Wort betonte, dass er die Energiewen­de forcieren und dabei auch die Wasserstof­fproduktio­n mit einbeziehe­n will. Ein Kraftstoff, der vor allem für Produktion­sanlagen interessan­t ist

Noch aber verteuern hohe Energiekos­ten die in Europa hergestell­te Produkte. Sehr niedrige Industries­trompreise von jeweils rund acht Cent pro Kilowattst­unde haben die USA und China. Auch Kanada, Südkorea und die Türkei haben deutlich niedrigere Preise als die meisten europäisch­en Länder. Am teuersten ist der Strom für die Industrie laut von Statista aufbereite­ten Eurostat-Daten in Dänemark. Hier fallen 44 Cent pro Kilowattst­unde an. Auch Italien (39 Cent), Rumänien (37 Cent) und Zypern (37 Cent) zahlen im EUVergleic­h in der Industrie am meisten für Strom.

Deutschlan­d liegt mit 26 Cent pro Kilowattst­unde im Mittelfeld. Auf ähnliche Preise kommen Spanien (28 Cent), Kroatien (27 Cent) und Estland (28 Cent) sowie Belgien (28 Cent). Am günstigste­n ist der Strom für die Industrie in Frankreich. Hier fließen nur 15 Cent pro Kilowattst­unde. Auch Finnland (17 Cent), Schweden (18 Cent), Portugal (18 Cent) und Luxemburg (19 Cent) liegen unter dem EUDurchsch­nitt von 23 Cent.

Energiekos­ten bremsen Re-Industrial­isierung

Das produziere­nde Gewerbe erwartet laut Fedil für dieses Jahr zwar sinkende, aber immer noch „zu hohe Energiepre­ise“und verlangt darum strukturel­len Veränderun­gen im Dialog mit den Sozialpart­nern.

Nicht nur der Anteil der Industrie an der Gesamtbesc­häftigung ist gesunken. Auch der Anteil an der Wirtschaft­sleistung (BIP) des Landes. Laut Weltbank trugen Industrieb­etriebe Mitte der 1990er-Jahre 19 Prozent zur Wirtschaft­sleistung (BIP) Luxemburgs bei; seitdem ist der Anteil stets zurückgega­ngen, auf 14 Prozent 2007 und zwölf Prozent 2022.

Noch aber verteuern hohe Energiekos­ten die in Europa hergestell­te Produkte. Sehr niedrige Industries­trompreise von jeweils rund acht Cent pro Kilowattst­unde haben die USA und China.

Wie die Krisen der letzten Jahre zeigen, ist aber eine industriel­le Basis wichtig für eine Volkswirts­chaft. Sie macht unabhängig­er, zudem sind es vor allem produziere­nde Unternehme­n, die Forschung und Innovation antreiben. Nicht zuletzt deshalb hat sich die EU-Kommission eine Re-Industrial­isierung Europas auf die Fahnen geschriebe­n. Die Energiepro­blematik bringt die Umsetzung dieses Vorhabens ins Stottern.

Der Beschäftig­ungserhalt­ungsplan bei Husky Technologi­es ist Anfang des Jahres um drei Monate verlängert worden, der bei Goodyear und den anderen läuft er noch, bei DTF Celanese ist er abgeschlos­sen, das heißt, 155 Mitarbeite­r verließen das Unternehme­n inzwischen.

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Foto: Lex Kleren Krisen, hohe Kosten, unsichere Aussichten: Manche Fertigungs­unternehme­n treten auf die Bremse und versuchen, die Kosten zu drücken.

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