Trauer um Hitproduzent Frank Farian
Mit Boney M. wurde der gelernte Koch weltberühmt, mit Milli Vanilli produzierte er einen der größten Pop-Skandale
Der deutsche Popmusik-Produzent und Ex-Schlagersänger Frank Farian ist tot. Er sei im Alter von 82 Jahren zu Hause in Miami gestorben, teilte die Agentur Allendorf Media gestern unter Berufung auf seine Familie mit. Farian stammte gebürtig aus Kirn im Hunsrück, kam aber mit 14 Jahren ins Saarland, nach Saarbrücken-Altenkessel. Nach einer Kochlehre machte er seine ersten musikalischen Gehversuche in der saarländischen Szene. Parallel arbeitete er als Koch im Ettelbrücker Hotel Central. Nach eigener Aussage in einem „Spiegel“-Interview soll Farian hier seinen musikalischen Erweckungsmoment gehabt haben. „Ich war Koch in Luxemburg, als eines Tages ein Festzelt direkt vor dem Hotel stand, in dem ich arbeitete. Gefeiert wurde zu Ehren von US-General Patton, der einst die Gegend von den Nazis befreit hatte. Da sah ich zum ersten Mal im Leben eine echte amerikanische Rock‘n‘-Roll-Band. Ihr Sound blies mich fast aus dem Zelt! Da gab es eine Explosion in meinem Kopf. Ich ging ins Hotel, packte meine Sachen, warf den Koffer aus dem Fenster, unten wartete meine Freundin und fing ihn auf. An der Rezeption sagte ich, dass ich noch ein Bier trinken gehe – und kam nie wieder.“
Aus Ettelbrück in die Musikwelt?
Ob sich das ganz so zugetragen hat, ist nicht belegt, immerhin soll Farian von 1958 bis 1966 im Hotel Central gekocht haben, bevor er Profimusiker wurde – ein bisschen spät für „die erste Rock-‘n‘Roll-Band“. Denn bereits ab 1961 war Franz Reuther, wie er bürgerlich hieß, im Saarland als „Frank Farian und die Schatten“aufgetreten, hatte 1963 seine erste Platte selbst produziert.
Ob der „Ettelbrücker Kofferwurf“tatsächlich stattgefunden hat, ist nebensächlich: Farian fand seine Berufung zuerst als Schlagersänger. Sein erfolgreichster Song, den er selber sang, war „Rocky“, für den er 1976 den Silbernen Löwen von Radio Luxemburg erhielt.
Ab Mitte der 1970er-Jahre betätigte Farian sich auch zunehmend als Produzent – und sollte hier seine größten Erfolge feiern. 1974 wollte er den von ihm komponierten und eingespielten Song „Baby Do You Wanna Bump“nicht unter eigenem Namen herausbringen und erfand das Pseudonym Boney M. Die Single kam heraus, bevor es eine Band gab – die suchte er sich erst, als die Platte Erfolg hatte.
Ab Februar 1976 hatte Boney M. eine feste Besetzung, die allerdings musikalisch nur zum Teil bestehen konnte. Farian half im Studio massiv nach, entweder mit Gastmusikern oder selbst am Mikrofon. Dem Erfolg von Boney M. in Zeiten des aufkommenden Disco-Sounds tat das keinen Abbruch, „Daddy Cool“bedeute 1976 den Durchbruch für Farian und sein Projekt. „Rivers of Babylon“(1978) toppte das Debüt noch und kommt auf weltweit mittlerweile 20 Millionen verkaufte Exemplare.
Dass Farian im Studio das sang, wozu Boney-M-Frontmann Bobby Farrell auf der Bühne nur die Lippen bewegte, war ein offenes Geheimnis. Dieses Rezept wollte Farian Ende der 1980er-Jahre mit Milli Vanilli wiederholen: Auch hier konnten die beiden Mitglieder Fabrice
Morvan und Rob Pilatus nicht zufriedenstellend singen, das übernahmen im Studio andere. Mit Songs wie „Girl, you know it‘s true“oder „Baby, don‘t forget my number“stellte sich der Erfolg auch schnell ein, das zweite Milli-Vanilli-Album wurde 1990 mit dem Grammy ausgezeichnet.
Der größte Skandal der Popmusikgeschichte
Doch kurz darauf war die Scharade aufgeflogen: Bei einem Auftritt in Connecticut blieb das Playback hängen, alle Zuschauer konnten sehen, was da alles vom Band gekommen war. Im November 1990 gab Farian bei einer Pressekonferenz bekannt, dass Morvan und Pilatus nie selbst gesungen hatten, sondern mehr als fünf Studiosänger, inklusive ihm selbst, im Spiel gewesen waren. Der Skandal war gewaltig: Die Plattenfirma kündigte den Vertrag, der Grammy wurde aberkannt, Albumkäufer in den USA bekamen Entschädigungen zugesprochen.
Farian versuchte, mit The Real Milli Vanilli, der „echten Band“hinter den beiden Tänzern, zu retten, was zu retten war, konnte aber an den Erfolg seiner Playback-Projekte nicht anknüpfen. Am härtesten traf die Enthüllung jedoch Morvan und Pilatus: Auch sie versuchten als Rob & Fab ein Comeback, scheiterten aber. Pilatus wurde schwer alkohol- und drogenabhängig und geriet in den USA immer wieder mit dem Gesetz in Konflikt. Während einer Entziehungskur in Deutschland, wo er mit Morvan und Farian an einem Comeback arbeiten wollte, starb Rob Pilatus 1998 im Alter von 33 Jahren an einer Überdosis.
Um Farian wurde es stiller, er blieb aber aktiv im Musikgeschäft, war zum Beispiel am deutsch-amerikanischen Eurodance-Projekt La Bouche beteiligt, und brachte 2006 das Boney-M-Musical „Daddy Cool“in London auf die Bühne. Zudem betrieb er mehrere Tonstudios. Insgesamt verzeichnen die SingleCharts für ihn allein in Deutschland elf
Spitzenplätze und 30 Platzierungen in den Top 10, Produktionen von Frank Farian sollen sich weltweit über 800 Millionen mal verkauft haben. Im Dezember 2023 lief der Film „Girl you know it‘s true“von Simon Verhoeven mit Matthias Schweighöfer als Farian in den Kinos an, der die Milli-Vanilli-Story nacherzählt.
: Ab Mitte der 1970erJahre betätigte Farian sich auch zunehmend als Produzent – und sollte hier seine größten Erfolge feiern.