„So schnell wird man mich nicht los“
Die Zahl der Beschwerden von Bürgern gegen kommunale und staatliche Behörden nimmt stetig zu. Manche Problemfelder ärgern Claudia Monti als Ombudsman besonders
Vor 20 Jahren erhielt Luxemburg mit Marc Fischbach seinen ersten Ombudsman. Seitdem war die Instanz unzählige Male bei Konflikten zwischen Bürgern und Verwaltung gefragt. Seit April 2017 ist Claudia Monti als Bürgerbeauftragte im Amt und nimmt die Beschwerden von Privatpersonen entgegen, die sich von staatlichen oder kommunalen Behörden ungerecht behandelt fühlen. In etwas mehr als einem Jahr endet ihr Mandat. Was sie in den vergangenen Jahren besonders beschäftigt hat, erläutert sie im Gespräch mit dem „Luxemburger Wort“. Gleichzeitig gibt sie Einblick in die Ombudsberichte 2022 und 2023, die noch nicht vorgestellt wurden.
Claudia Monti, warum wurde der Bericht 2022 noch nicht veröffentlicht?
Um den Kommunal- und Nationalwahlen aus dem Weg zu gehen, wollte ich ihn später vorstellen. Ich möchte ja über verschiedene Gemeinden und Verwaltungen sprechen, die wiederum Minister betreffen, und wollte vermeiden, dass dies zu einem politischen Thema im Wahlkampf wird. Die Vorstellung war für Dezember geplant, aber dann musste ich mich einer Operation unterziehen. Das war nicht vorhersehbar. Der Jahresbericht 2022 wird voraussichtlich im März vorgelegt, der von 2023 im Juni. Es wäre auch eine Option gewesen, beide zusammen vorzustellen. Wichtige Themen wären dann aber sicherlich zu kurz gekommen.
Was können Sie über die Zahlen verraten?
Die Zahl der Beschwerden nimmt stetig zu. Wir haben jedes Jahr 200 bis 300 Dossiers mehr. Das muss man aber etwas relativieren. Die Bevölkerung wächst, unsere Anlaufstelle ist bekannter geworden, und es kommen auch immer mehr Grenzgänger zu uns. Außerdem werden die Bürger mit ihren Anliegen oft direkt zu uns geschickt. Wenn die Verwaltung einen Ablehnungsbescheid verschickt, weist sie im Rahmen der PANC (procédure administrative non contentieuse) auf den Ombudsman als alternative „voie de recours“hin. Wer also gegen eine Entscheidung vorgehen will, kann sich an uns wenden. Da ist Luxemburg im Vergleich zu anderen Ländern ein bisschen Vorreiter, keiner meiner europäischen Kollegen hat aktuell diesen Vorteil. Zu bemerken ist allerdings, dass die Verfahrensfristen bis dato nicht unterbrochen werden, wenn man unsere Dienste beansprucht.
Helfen kann der Ombudsman aber nicht in jedem Fall?
Wenn ich sage, dass wir jedes Jahr mehr Fälle haben, heißt das nicht, dass sie alle begründet sind oder in unsere Zuständigkeit fallen. Manche Bürger kommen zum Beispiel wegen eines Nachbarschaftsstreits zu uns. Wir können aber nur im Rahmen unseres Gesetzes handeln. Auch wenn die Entscheidung einer Verwaltung endgültig und richtig ist, können wir nichts tun. Sind Gesetze nicht eingehalten worden, haben wir dagegen eine Handhabe.
Zu Beginn Ihrer Amtszeit war die Flüchtlingsproblematik ein Schwerpunkt. Auch die zunehmende Digitalisierung der öffentlichen Dienste hat Sie beschäftigt. Welche Bereiche fordern Sie im Moment?
Die Flüchtlingsfrage ist nach wie vor ein Problem. Es kommen immer mehr Flüchtlinge ins Land, und wir haben nicht erst seit gestern Probleme, sie unterzubringen. Zuletzt hat die Wohnungsproblematik an Bedeutung gewonnen. Wir können den Menschen aber nicht helfen, eine Wohnung zu finden. Der Sozialbereich fordert uns ebenfalls. Da geht es dann oft um die Sozialhilfe, das Kindergeld, den Mietzuschuss, Revis oder auch die Renten. Es gibt darüber hinaus viele Probleme im Zusammenhang mit der ADEM. Auch die Anerkennung von Diplomen oder Berufsausbildungen ist ein Problem, das immer wieder auftaucht.
Gibt es einen Problembereich, der Ihnen besonders am Herzen liegt?
Es gibt einiges, auf das wir immer wieder hinweisen, und trotzdem werden keine Lösungen gefunden. Da fällt mir beispielsweise die Steuerverwaltung ein. Wenn Steuerzahler Dokumente beziehungsweise ihre Steuererklärung nicht rechtzeitig einreichen, nimmt die Verwaltung eine Steuerveranlagung von Amts wegen vor, was dazu führt, dass Betroffene oftmals mehr bezahlen als sie eigentlich bezahlen müssten. Wurden die gesetzlichen Beschwerdefristen für die Anfechtung dieser Entscheidung versäumt, ist diese Entscheidung rechtskräftig. Unserer Ansicht nach hätte die Verwaltung jedoch die Möglichkeit, in vernünftigem Rahmen, die einzelne Sachlage erneut zu überprüfen, was sie allerdings äußerst selten im Sinne des Steuerzahlers tut. Für mich ist das eine ungerechtfertigte Bereicherung.
Welche allgemeine Bilanz ziehen Sie von Ihrer bisherigen Amtszeit?
Ich bin zufrieden und überhaupt nicht frustriert. Es wird mir sehr leidtun, wenn ich nächstes Jahr aufhören muss. Als Team funktionieren wir sehr gut. Ich habe in den letzten Jahren unglaublich viel gelernt. Vor allem weiß ich jetzt, dass jede Angelegenheit extrem menschliche Aspekte hat, auch wenn es nur um eine Bau- oder Betriebsgenehmigung geht. Plötzlich denkt man ganz anders, weil man erfährt, welche Geschichte dahinter steckt. Es ist manchmal sehr schwierig, den Menschen klarzumachen, dass Gesetze nicht immer etwas mit Menschlichkeit, Moral oder Ethik zu tun haben. Für einen Juristen ist vieles logisch, er sieht das ganz objektiv. Inzwischen bin ich da viel sensibler geworden.
Sind Sie zufrieden, was die Umsetzung Ihrer Empfehlungen anbelangt?
Mehr als die Hälfte ist in den letzten Jahren berücksichtigt worden. Das kann man natürlich noch verbessern. Ich habe alle neu
: Wenn die Entscheidung einer Verwaltung endgültig und richtig ist, können wir nichts tun.
en Minister um einen Termin gebeten, um zu sehen, wie wir zusammenarbeiten können. Für mich und mein Team ist es wichtig, in Arbeitsgruppen eingebunden zu sein, wenn es um neue Gesetze geht. Wir werden auch auf verschiedene Empfehlungen zurückkommen, die noch in der Luft hängen.
Im Juli 2020 sprach sich das Parlament in einer Orientierungsdebatte für eine Erweiterung der Kompetenzen des Ombudsman aus. Hat sich da etwas getan?
Der Ombudsman ist jetzt in der Verfassung verankert. Das ist zu begrüßen, da es der Instanz mehr Gewicht und Sichtbarkeit verleiht. Das Gesetz soll derweil angepasst werden. Man hat mir insbesondere versichert, die Erweiterung der Kompetenzen zu unterstützen, um auch in öffentliche Dienste, die von privaten Akteuren ausgeführt werden, eingreifen zu können. Das ist eines meiner Hauptanliegen.
Genau wie Ihre Vorgängerin haben auch Sie schon bemängelt, dass verschiedene Gemeinden nicht kooperativ sind. Hat sich das gebessert?
Mit zwei, drei Gemeinden habe ich noch Probleme. Manche Gemeindeväter und -mütter sind überzeugt, dass sie alles richtig machen und mögen es nicht, wenn jemand von außen kommt und sagt, dass es so nicht geht. Aber so schnell wird man mich nicht los. Wenn man mir nicht persönlich antwortet, sondern über einen Anwalt, dann werde ich sauer. Ich schreibe an die Gemeinde und will eine Antwort von der Gemeinde. Manchmal sind die Fronten auch wegen einer Vorgeschichte verhärtet. Das kann ich nicht wissen, wenn ich einfach abgewiesen werde. Aber das Verhältnis zu den meisten Gemeinden und Ministerien ist gut, auch wenn wir nicht immer auf einen Nenner kommen. Wir hatten in Luxemburg lange Zeit keine Kultur der Mediation. Das muss man auch bedenken. Aber ich glaube wirklich, dass der Ombudsman inzwischen eine anerkannte Instanz ist.
: Ich habe in den letzten Jahren unglaublich viel gelernt. Vor allem weiß ich jetzt, dass jede Angelegenheit extrem menschliche Aspekte hat.