Gelegenheit macht Garagendiebe
Luxemburg erlebt eine beispiellose Diebstahlserie. Und die ist das Werk einer überschaubaren Tätergruppe mit jedoch hohem Schadenspotenzial
460 Diebstähle aus Gemeinschaftsgaragen und Kellern registrierte die Polizei im vergangenen Jahr allein zwischen Januar und Oktober. Das klingt nach gut organisierten, internationalen Banden. Doch das ist ein Trugschluss.
Tatsächlich ist diese Form der Kriminalität im Großherzogtum gut dokumentiert – und spezialisierte Banden, so die Ermittler, seien in den vergangenen Jahren in Luxemburg in diesem Kontext nicht in Erscheinung getreten. In den Nachbarländern sieht das oft anders aus. Deshalb beobachte man auch die dortigen Entwicklungen, heißt es aus der zuständigen Abteilung der Kriminalpolizei.
Und die zeichnet ein ganz klares Bild: „Die überwiegende Zahl der Keller- und Garageneinbrüche in Luxemburg fällt eindeutig in den Bereich der lokalen Beschaffungskriminalität“, erklärt Polizeipressesprecherin Catherine Weber dem „Luxemburger Wort“auf Anfrage. Und konkret? „Zu den Täterkreisen gehören häufig Personen ohne festen Wohnsitz und/oder Drogenabhängige sowie illegale Wirtschaftsmigranten.“
Die hohe Zahl der Taten ist nicht gleichzusetzen mit einer hohen Zahl von Tätern. „Häufig sind es dieselben Täter, die in kurzer Zeit mehrere Kellereinbrüche begehen und beispielsweise in einem Mehrfamilienhaus in einem Tatablauf in mehrere Keller eindringen“, so die Erkenntnisse der Kriminalpolizei.
Das spiegelt sich auch in der Praxis der Ermittler wider. „Wenn ein einziger Kellereinbrecher gefasst wird, geht die Zahl der gemeldeten Taten von einem Tag auf den anderen stark zurück“, sagt Catherine Weber. Und diese Gleichung funktioniert in beide Richtungen. „Wenn die Person nach der Verbüßung ihrer Strafe wieder auf freiem Fuß ist, können die Zahlen entsprechend wieder ansteigen.“
An den Tatorten wird deutlich, wie dilettantisch und unorganisiert die Täter vorgehen. Es wird viel gemurkst und improvisiert, so dass die Beute manchmal in keinem Verhältnis zum angerichteten Schaden steht. Beim Modus Operandi gilt offenbar oft das Motto „Gelegenheit macht Diebe“, meint Catherine Weber. „Es wird dort gestohlen und eingebrochen, wo der Zugang leicht ist oder sich eine Gelegenheit bietet. Wenn es sich lohnt, wird schon mal eine Holztür eingetreten oder mit einem Schraubenzieher aufgehebelt“, so die Polizeisprecherin. Besonders häufig sind Keller und Garagen von Mehrfamilienhäusern betroffen, also Orte, an denen nicht unbedingt Sicherheitstüren eingebaut sind.
Die Antwort auf die Frage nach dem Verbleib des Diebesgutes scheint nur teilweise einfach zu sein. Geld oder gestohlene Waren wie Lebensmittel und Tabak werden nach Angaben der Polizei von den Tätern selbst verbraucht. Andere Gegenstände werden meist gegen Drogen getauscht oder, je nach Fall, verkauft. Gestohlen wird also, wovon sich der Täter Geld oder Drogen verspricht.
Viele Opfer von Kellereinbrüchen treibt die Frage um, was mit ihrem hochwertigen Rennrad oder E-Bike nach dem Diebstahl passiert – und wo sie es möglicherweise wiederfinden. Denn Fahrradversicherungen sind teuer, und nur selten erstatten die Versicherer den tatsächlichen Neuwert.
Im Jahr 2022 wurden laut Tätigkeitsbericht der Polizei 1.004 Fahrräder gestohlen. Dies ist ein Vielfaches dessen, was auf dem luxemburgischen Gebrauchtmarkt angeboten wird. Daraus lässt sich schließen, dass ein nicht unerheblicher Teil der gestohlenen Fahrräder den Weg ins Ausland findet, auch wenn es sich bei den Dieben nicht um organisierte Gruppen handelt.
„Tatsächlich kann es vorkommen, dass ein Dealer oder eine andere Person aus dem Drogenmilieu, die den Wert eines Fahrrads kennt, dieses entwendet und dann ins Ausland verkauft oder das Diebesgut ins Ausland bringt und dort gewinnbringend verkauft“, sagt Catherine Weber. „Das passiert dann auf einer zweiten oder dritten Ebene, nicht mehr durch den ursprünglichen Dieb.“Die Antwort auf die Frage nach der Hehlerei bleibt also eher undurchsichtig.
„Es kommt aber auch vor, dass ein Dealer das Fahrrad zeitweise selbst benutzt und es dann entsorgt oder zu Geld macht“, betont sie. Dass Intensivkonsumenten unter den Drogenabhängigen oft hochwertiges Diebesgut gegen Kokain und Heroin im Wert von 20 oder 50 Euro eintauschen, ist kein Geheimnis. Die Polizei sagt es zwar nicht, aber dort, wo sich Dealer und Konsumenten treffen, könnte es sich lohnen, nach einem verschwundenen Zweirad Ausschau zu halten. Gleiches gilt für regional begrenzte, aber dennoch recht unübersichtliche Verkaufsplattformen wie Reddit oder den Marketplace von Facebook. Die Wiederbeschaffung sollte dann aber in jedem Fall durch die Polizei erfolgen.
Einige Orte sind deutlich stärker gefährdet
Die Sicherheitsbehörden geben während des laufenden Jahres nur ungern statistische Angaben zu den Delikten bekannt und verweisen auf die jeweils im Frühling stattfindende Pressekonferenz, in der sie vollständige und verlässliche Zahlen bekannt geben. Sprecherin Catherine Weber gibt dennoch Einblick in die provisorischen Zahlen: „Von Januar bis Oktober vergangenen Jahres wurden rund 460 Kellereinbrüche gemeldet – nicht Einbruchsversuche, sondern vollendete Taten.“
Und dabei zeigt sich ein sehr deutliches Ungleichgewicht zwischen den ein
Wenn ein einziger Kellereinbrecher gefasst wird, geht die Zahl der gemeldeten Taten von einem Tag auf den anderen stark zurück. Catherine Weber, Polizeipressesprecherin
zelnen Landesteilen. „Von den 460 Taten wurden 320 in der Polizeiregion Capitale gemeldet, also in der Hauptstadt und in Hesperingen“, erklärt sie. „Weitere 120 gab es in der Polizeiregion Sud-Ouest.“Fast 70 Prozent der Fälle fallen demnach in den Zuständigkeitsbereich der Polizei der Hauptstadt, 26 Prozent in den der ehemaligen Bezirke Esch und Capellen.
Und folglich ereigneten sich nur knapp fünf Prozent der Keller- und Garageneinbrüche in der Polizeiregion CentreEst, die die ehemaligen Bezirks Grevenmacher und Mersch umfasst, sowie im Norden. Ein Jahr zuvor waren es noch deutlich weniger. Von Januar bis Oktober 2022 wurden in der Region Capitale 220 und in der Region Sud-Ouest 70 entsprechende Taten registriert.
Hauptstadt: 303 Tage – 890 versuchte und vollendete Einbrüche
Hinzu kommen Einbruchsversuche: Im gleichen Zeitraum 2023 sind es 430 gescheiterte Versuche für die Region Capitale und rund 80 für Sud-Ouest.
„Bei der Interpretation dieser Zahlen ist allerdings zu berücksichtigen, dass es sich nicht jeweils um Einzeltaten in verschiedenen Gebäuden handelt, sondern dass bei einem Einbruch an einem Ort oft in mehrere Keller eingebrochen oder es versucht wird“, betont die Polizeisprecherin.
Einbrüche in Garagen und Keller seien schon seit einiger Zeit ein größeres Phänomen. „Deshalb haben wir bereits mehrfach auf diese Entwicklung hingewiesen und versucht, die Bürger zu sensibilisieren“, betont Catherine Weber. So wurde erst im November im Sinne der Einbruchs- und Diebstahlprävention ein entsprechender Flyer an nicht weniger als 17.000 Haushalte verteilt – dies neben gezielten Einsätzen, Patrouillen, Ermittlungen und weiteren Maßnahmen.