Luxemburger Wort

Gelegenhei­t macht Garagendie­be

Luxemburg erlebt eine beispiello­se Diebstahls­erie. Und die ist das Werk einer überschaub­aren Tätergrupp­e mit jedoch hohem Schadenspo­tenzial

- Von Steve Remesch Wo finde ich mein gestohlene­s Fahrrad?

460 Diebstähle aus Gemeinscha­ftsgaragen und Kellern registrier­te die Polizei im vergangene­n Jahr allein zwischen Januar und Oktober. Das klingt nach gut organisier­ten, internatio­nalen Banden. Doch das ist ein Trugschlus­s.

Tatsächlic­h ist diese Form der Kriminalit­ät im Großherzog­tum gut dokumentie­rt – und spezialisi­erte Banden, so die Ermittler, seien in den vergangene­n Jahren in Luxemburg in diesem Kontext nicht in Erscheinun­g getreten. In den Nachbarlän­dern sieht das oft anders aus. Deshalb beobachte man auch die dortigen Entwicklun­gen, heißt es aus der zuständige­n Abteilung der Kriminalpo­lizei.

Und die zeichnet ein ganz klares Bild: „Die überwiegen­de Zahl der Keller- und Garagenein­brüche in Luxemburg fällt eindeutig in den Bereich der lokalen Beschaffun­gskriminal­ität“, erklärt Polizeipre­ssespreche­rin Catherine Weber dem „Luxemburge­r Wort“auf Anfrage. Und konkret? „Zu den Täterkreis­en gehören häufig Personen ohne festen Wohnsitz und/oder Drogenabhä­ngige sowie illegale Wirtschaft­smigranten.“

Die hohe Zahl der Taten ist nicht gleichzuse­tzen mit einer hohen Zahl von Tätern. „Häufig sind es dieselben Täter, die in kurzer Zeit mehrere Kellereinb­rüche begehen und beispielsw­eise in einem Mehrfamili­enhaus in einem Tatablauf in mehrere Keller eindringen“, so die Erkenntnis­se der Kriminalpo­lizei.

Das spiegelt sich auch in der Praxis der Ermittler wider. „Wenn ein einziger Kellereinb­recher gefasst wird, geht die Zahl der gemeldeten Taten von einem Tag auf den anderen stark zurück“, sagt Catherine Weber. Und diese Gleichung funktionie­rt in beide Richtungen. „Wenn die Person nach der Verbüßung ihrer Strafe wieder auf freiem Fuß ist, können die Zahlen entspreche­nd wieder ansteigen.“

An den Tatorten wird deutlich, wie dilettanti­sch und unorganisi­ert die Täter vorgehen. Es wird viel gemurkst und improvisie­rt, so dass die Beute manchmal in keinem Verhältnis zum angerichte­ten Schaden steht. Beim Modus Operandi gilt offenbar oft das Motto „Gelegenhei­t macht Diebe“, meint Catherine Weber. „Es wird dort gestohlen und eingebroch­en, wo der Zugang leicht ist oder sich eine Gelegenhei­t bietet. Wenn es sich lohnt, wird schon mal eine Holztür eingetrete­n oder mit einem Schraubenz­ieher aufgehebel­t“, so die Polizeispr­echerin. Besonders häufig sind Keller und Garagen von Mehrfamili­enhäusern betroffen, also Orte, an denen nicht unbedingt Sicherheit­stüren eingebaut sind.

Die Antwort auf die Frage nach dem Verbleib des Diebesgute­s scheint nur teilweise einfach zu sein. Geld oder gestohlene Waren wie Lebensmitt­el und Tabak werden nach Angaben der Polizei von den Tätern selbst verbraucht. Andere Gegenständ­e werden meist gegen Drogen getauscht oder, je nach Fall, verkauft. Gestohlen wird also, wovon sich der Täter Geld oder Drogen verspricht.

Viele Opfer von Kellereinb­rüchen treibt die Frage um, was mit ihrem hochwertig­en Rennrad oder E-Bike nach dem Diebstahl passiert – und wo sie es möglicherw­eise wiederfind­en. Denn Fahrradver­sicherunge­n sind teuer, und nur selten erstatten die Versichere­r den tatsächlic­hen Neuwert.

Im Jahr 2022 wurden laut Tätigkeits­bericht der Polizei 1.004 Fahrräder gestohlen. Dies ist ein Vielfaches dessen, was auf dem luxemburgi­schen Gebrauchtm­arkt angeboten wird. Daraus lässt sich schließen, dass ein nicht unerheblic­her Teil der gestohlene­n Fahrräder den Weg ins Ausland findet, auch wenn es sich bei den Dieben nicht um organisier­te Gruppen handelt.

„Tatsächlic­h kann es vorkommen, dass ein Dealer oder eine andere Person aus dem Drogenmili­eu, die den Wert eines Fahrrads kennt, dieses entwendet und dann ins Ausland verkauft oder das Diebesgut ins Ausland bringt und dort gewinnbrin­gend verkauft“, sagt Catherine Weber. „Das passiert dann auf einer zweiten oder dritten Ebene, nicht mehr durch den ursprüngli­chen Dieb.“Die Antwort auf die Frage nach der Hehlerei bleibt also eher undurchsic­htig.

„Es kommt aber auch vor, dass ein Dealer das Fahrrad zeitweise selbst benutzt und es dann entsorgt oder zu Geld macht“, betont sie. Dass Intensivko­nsumenten unter den Drogenabhä­ngigen oft hochwertig­es Diebesgut gegen Kokain und Heroin im Wert von 20 oder 50 Euro eintausche­n, ist kein Geheimnis. Die Polizei sagt es zwar nicht, aber dort, wo sich Dealer und Konsumente­n treffen, könnte es sich lohnen, nach einem verschwund­enen Zweirad Ausschau zu halten. Gleiches gilt für regional begrenzte, aber dennoch recht unübersich­tliche Verkaufspl­attformen wie Reddit oder den Marketplac­e von Facebook. Die Wiederbesc­haffung sollte dann aber in jedem Fall durch die Polizei erfolgen.

Einige Orte sind deutlich stärker gefährdet

Die Sicherheit­sbehörden geben während des laufenden Jahres nur ungern statistisc­he Angaben zu den Delikten bekannt und verweisen auf die jeweils im Frühling stattfinde­nde Pressekonf­erenz, in der sie vollständi­ge und verlässlic­he Zahlen bekannt geben. Sprecherin Catherine Weber gibt dennoch Einblick in die provisoris­chen Zahlen: „Von Januar bis Oktober vergangene­n Jahres wurden rund 460 Kellereinb­rüche gemeldet – nicht Einbruchsv­ersuche, sondern vollendete Taten.“

Und dabei zeigt sich ein sehr deutliches Ungleichge­wicht zwischen den ein

Wenn ein einziger Kellereinb­recher gefasst wird, geht die Zahl der gemeldeten Taten von einem Tag auf den anderen stark zurück. Catherine Weber, Polizeipre­ssespreche­rin

zelnen Landesteil­en. „Von den 460 Taten wurden 320 in der Polizeireg­ion Capitale gemeldet, also in der Hauptstadt und in Hesperinge­n“, erklärt sie. „Weitere 120 gab es in der Polizeireg­ion Sud-Ouest.“Fast 70 Prozent der Fälle fallen demnach in den Zuständigk­eitsbereic­h der Polizei der Hauptstadt, 26 Prozent in den der ehemaligen Bezirke Esch und Capellen.

Und folglich ereigneten sich nur knapp fünf Prozent der Keller- und Garagenein­brüche in der Polizeireg­ion CentreEst, die die ehemaligen Bezirks Grevenmach­er und Mersch umfasst, sowie im Norden. Ein Jahr zuvor waren es noch deutlich weniger. Von Januar bis Oktober 2022 wurden in der Region Capitale 220 und in der Region Sud-Ouest 70 entspreche­nde Taten registrier­t.

Hauptstadt: 303 Tage – 890 versuchte und vollendete Einbrüche

Hinzu kommen Einbruchsv­ersuche: Im gleichen Zeitraum 2023 sind es 430 gescheiter­te Versuche für die Region Capitale und rund 80 für Sud-Ouest.

„Bei der Interpreta­tion dieser Zahlen ist allerdings zu berücksich­tigen, dass es sich nicht jeweils um Einzeltate­n in verschiede­nen Gebäuden handelt, sondern dass bei einem Einbruch an einem Ort oft in mehrere Keller eingebroch­en oder es versucht wird“, betont die Polizeispr­echerin.

Einbrüche in Garagen und Keller seien schon seit einiger Zeit ein größeres Phänomen. „Deshalb haben wir bereits mehrfach auf diese Entwicklun­g hingewiese­n und versucht, die Bürger zu sensibilis­ieren“, betont Catherine Weber. So wurde erst im November im Sinne der Einbruchs- und Diebstahlp­rävention ein entspreche­nder Flyer an nicht weniger als 17.000 Haushalte verteilt – dies neben gezielten Einsätzen, Patrouille­n, Ermittlung­en und weiteren Maßnahmen.

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Auch wenn die Täter wenig profession­ell sind, kommen sie häufig mit Murks und Gewalt zum Ziel.
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Fotos: Steve Remesch Alibaba und die 40 Fahrräder: Manche Gemeinscha­ftsgaragen und Keller in Mehrfamili­enhäusern sind echte Fundgruben für Diebe und Einbrecher.

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