Heinrich Rudolf Hertz veränderte mit seinen Funken die Welt für immer
Vor 130 Jahren starb der Physiker und Philosoph mit nur 36 Jahren. Seine Experimente stehen am Anfang der heutigen drahtlosen Datenübertragung
Ende des 19. Jahrhunderts war der Elektromagnetismus „das“Arbeitsgebiet für Physiker und Ingenieure, es war das „Zeitalter der Elektrizität“. Auch der junge Heinrich Hertz, 1857 in Hamburg geboren, der ursprünglich Bauingenieur werden wollte, hatte sich in Berlin als Student und Assistent bei Gustav Kirchhoff (1824–1887) und Hermann Helmholtz (1821–1894) intensiv mit der Elektrodynamik, sowohl theoretisch als auch experimentell, auseinandergesetzt. Inzwischen selbst Professor für Physik an der Technischen Hochschule Karlsruhe war er sich im Herbst 1886 unschlüssig, in welche Richtung er seine bisherigen Arbeiten weiterführen sollte. Im Institut befand sich ein Demonstrationsinstrument zum Nachweis von Induktionseffekten, eine sogenannte Rießspirale (Spule mit nur wenigen Windungen). Er beschloss, damit zu experimentieren.
Hertz hegte den Verdacht, dass sich der eng gewickelte Draht der Spirale mit sehr schnellen elektrischen Schwingungen entlädt. Schritt für Schritt entwickelte er die Drahtspule durch Trennung und Aufbiegen in zwei Kreise. Er bemerkte, dass bei Entladevorgängen im ersten Kreis ein Funken im zweiten Kreis entstand. Um diese Erscheinung besser sichtbar zu machen, musste er zunächst auf der „Senderseite“ einen wesentlich größeren zeitlich veränderlichen Strom erzeugen und auf der „Empfängerseite“versuchen, die (vermutete) abgestrahlte elektromagnetische Energie zu bündeln, was ihm mithilfe großer Parabolspiegel gelang. In weiteren Experimenten konnte er sich davon überzeugen, dass dieser Funke nichts mit Induktionsvorgängen zu tun hatte, sondern mit „Luftwellen“, die genau wie Licht reflektieren. Damit hatte er erstmals die Existenz schneller elektromagnetischer Wellen und den damit verbundenen Energietransport durch den Raum nachgewiesen. Mittels großen Drahtgittern wies er nach, dass diese Wellen auch eine Polarisation besitzen.
Dies war das Ende der Elektrodynamik alten Stils, deren Gesetze sich am Newtonschen Gesetz der Massenanziehung orientierten und alle eine augenblickliche Ausbreitung der Kraft implizierten. Noch wichtiger war jedoch, dass Hertz mit seinen Experimenten Michael Faradays Konzept von 1837 (Kraftfelder breiten sich mit endlicher Geschwindigkeit aus) und James Clerk Maxwells Vorhersage von 1855, dass es in der Natur elektromagnetische Wellen mit ähnlichen Eigenschaften wie Lichtwellen gibt, experimentell bestätigen konnte. Seine beiden Kreise waren nichts anderes als Sender und Empfänger von Radiowellen. Hertz‘ Experi
Ich fühle eine stolze Freude darüber, dass meine Gedankenarbeit fortleben soll und fortwirken soll in künftigen Generationen über mein individuelles Leben hinaus. Heinrich Hertz in einem seiner letzten Briefe an seine Eltern
mente stehen am Anfang der heutigen drahtlosen Datenübertragung (WIFI, Bluetooth, Mobiltelefonie...) und der Radio- und Fernsehtechnik (FM, DAB, DVB-T...). Er entdeckte auch den Einfluss des ultravioletten Lichts auf die Funkenlänge und -entladung und untersuchte die Grundgesetze dieses Phänomens, das später als Photoeffekt bezeichnet wurde. Bis Juni 1888 dauerten seine Forschungen, die er in insgesamt acht Aufsätzen veröffentlichte. Interessanterweise hatte Hertz damit auch eine Aufgabe gelöst, die ihm sein ehemaliger Lehrer
Heinrich Hertz war nicht nur ein großer Physiker, er war ein großer Schriftsteller, und seine Werke lesen sich wie die eines ,,Klassikers der Naturwissenschaft“. Max von Laue, Physiker und Nobelpreisträger, 1879-1960
Hermann Helmholtz, dem er seine Experimentierkultur verdankte, bereits 1879 gestellt hatte, die er aber damals wegen fehlender Mittel nicht lösen konnte.
Die Karlsruher Jahre waren seine fruchtbarsten Schaffensjahre. Seine Frau Elisabeth, die er 1886 in Karlsruhe geheiratet hatte, nahm er oft mit ins Labor, denn er wollte sie an seinem Vorstoß in wissenschaftliches Neuland teilhaben lassen. Ihre Anwesenheit, Unterstützung und Verlässlichkeit, ihr Verständnis und Vertrauen förderten die Harmonie und beflügelten seine Kräfte bei der experimentellen und theoretischen Arbeit. Seinen Eltern, denen er zeitlebens eng verbunden blieb, schrieb er über diese Zeit: „Hier fängt eigentlich erst das Vergnügen des Forschens an, wo man mit der Natur sozusagen allein ist und nicht mehr über menschliche Meinungen, Ansichten und Ansprüche disputiert“. Seine Forschungen wurden international unter anderem mit der renommierten Rumford-Medaille der Royal Society in London gewürdigt.
Der letzte Lebensabschnitt von Hertz spielte sich in Bonn ab, wo er 1889 die Nachfolge von Rudolf Clausius an der Universität antrat. Hier widmete er sich der anschaulichen Darstellung und Interpretation seiner Ergebnisse. Als Beispiel steht dafür sein Vortrag „Über die Beziehungen zwischen Licht und Elektrizität“, der die physikalische Bedeutung seiner Experimente verdeutlichte. Er systematisierte und verallgemeinerte die Maxwellsche Theorie und brachte die Maxwellschen Gleichungen in die heute geläufige Form.
In seiner Bonner Zeit wollte Heinrich Hertz, beeinflusst durch Gustav Kirchhoff und Ernst Machs Buch „Die Mechanik in ihrer Entwicklung“, eine grundlegend neue mathematische Darstellung der Mechanik entwickeln. Er tat dies in seinem letzten Werk, den „Prinzipien der Mechanik“. Hier versuchte er alle physikalischen Bewegungen als Wirkungen von Raum, Zeit und Masse zu erklären, also materiell zu begründen. Die Physiker jedoch konnten seinen sehr abstrakt gehaltenen „Prinzipen“nie ein großes Interesse abgewinnen. „Als ideales Programm ist die Hertzsche Mechanik schöner und einheitlicher, aber für die Anwendung empfiehlt sich unsere gewöhnliche Mechanik“, schrieb Ernst Mach 1897, „wie Hertz selbst mit der ihm eigenen Aufrichtigkeit betont“.
Naturerkenntnis und Philosophie
Anders verhielt es sich mit der Einleitung zu seinem letzten Werk, einem Aufsatz über das Wesen der Naturerkenntnis. Hertz hatte 1876 bei Fritz Schultze in Dresden über Kants Erkenntnistheorie gehört, dem zufolge der menschliche Verstand nur über Vorstellungsbilder auf die Wirklichkeit bezieht. Fritz Schultze nannte diese „Scheinbilder“. Hertz entwickelte diese Auffassung weiter, in dem er diese auch auf physikalische Theorien anwendete: „Wir machen uns innere Scheinbilder oder Symbole der äußeren Gegenstände, und zwar machen wir sie von solcher Art, dass die denknotwendigen Folgen der Bilder stets wieder die Bilder seien von den naturnotwendigen Folgen der abgebildeten Gegenstände. Damit diese Forderung überhaupt erfüllbar sei, müssen gewisse Übereinstimmungen vorhanden sein zwischen der Natur und unserem Geiste. Die Erfahrung lehrt uns, dass die Forderung erfüllbar ist und dass also solche Übereinstimmungen in der Tat bestehen.“Hertz wollte das Bewusstsein dafür schärfen, dass es sich bei keiner Theorie um etwas Objektives handelt, das wirklich mit der Natur übereinstimmt, sondern immer nur um eine Vorstellung. Damit beeinflusste er viele Physiker und Philosophen, darunter Albert Einstein und Ludwig Wittgenstein.
Am 7. Dezember 1893 hielt Heinrich Hertz schwer erkrankt mit viel Mühe seine letzte Vorlesung. Ursache war eine seit Jahren andauernde Infektion. Am 9. Dezember schrieb er, wohl in Vorahnung seines Endes, an seine Eltern: „Wenn mir wirklich etwas geschieht, so sollt Ihr nicht trauern, sondern sollt ein wenig stolz sein und denken, dass ich dann zu den besonders Auserwählten gehöre, die nur kurz leben und doch genug leben“. Am 1. Januar 1894 erlag Heinrich Hertz mit nur 36 Jahren einer Blutvergiftung, er hinterließ seine Frau Elisabeth und seine beiden Töchter Johanna und Mathilde. Es war ihm nicht vergönnt mitzuerleben, wie die drahtlose „Funkentelegrafie“mit Hilfe der „Hertzschen Wellen“die Kontinente verband. „Das Andenken an Heinrich Hertz aber wird“, so Hermann Helmholtz, „nicht nur durch seine Arbeiten fortleben, auch seine liebenswürdigen Charaktereigenschaften, seine immer gleichbleibende Bescheidenheit, die freudige Anerkennung fremden Verdienstes, die treue Dankbarkeit, die er seinen Lehrern bewahrte, wird allen, die ihn kannten, unvergesslich sein“. In der Tat hat das Gedankenwerk von Heinrich Hertz bis heute fortgewirkt und wird fortleben und fortwirken, solange es Menschen gibt, die bereit sind, ihr Leben auf die Wissenschaft zu gründen.