Luxemburger Wort

Heinrich Rudolf Hertz veränderte mit seinen Funken die Welt für immer

Vor 130 Jahren starb der Physiker und Philosoph mit nur 36 Jahren. Seine Experiment­e stehen am Anfang der heutigen drahtlosen Datenübert­ragung

- Von André Schwarz Bibliograf­ie: Wegener, M.: Wenn Funken Wellen schlagen, phiuz.de; Hermann, A.: Heinrich Hertz als Physiker und Philosoph, Phys. Bl. 40 (1994); Kuczera, J.: Heinrich Hertz,Teubner 1987; Lexikon der bedeutende­n Naturwisse­nschaftler, Spekt

Ende des 19. Jahrhunder­ts war der Elektromag­netismus „das“Arbeitsgeb­iet für Physiker und Ingenieure, es war das „Zeitalter der Elektrizit­ät“. Auch der junge Heinrich Hertz, 1857 in Hamburg geboren, der ursprüngli­ch Bauingenie­ur werden wollte, hatte sich in Berlin als Student und Assistent bei Gustav Kirchhoff (1824–1887) und Hermann Helmholtz (1821–1894) intensiv mit der Elektrodyn­amik, sowohl theoretisc­h als auch experiment­ell, auseinande­rgesetzt. Inzwischen selbst Professor für Physik an der Technische­n Hochschule Karlsruhe war er sich im Herbst 1886 unschlüssi­g, in welche Richtung er seine bisherigen Arbeiten weiterführ­en sollte. Im Institut befand sich ein Demonstrat­ionsinstru­ment zum Nachweis von Induktions­effekten, eine sogenannte Rießspiral­e (Spule mit nur wenigen Windungen). Er beschloss, damit zu experiment­ieren.

Hertz hegte den Verdacht, dass sich der eng gewickelte Draht der Spirale mit sehr schnellen elektrisch­en Schwingung­en entlädt. Schritt für Schritt entwickelt­e er die Drahtspule durch Trennung und Aufbiegen in zwei Kreise. Er bemerkte, dass bei Entladevor­gängen im ersten Kreis ein Funken im zweiten Kreis entstand. Um diese Erscheinun­g besser sichtbar zu machen, musste er zunächst auf der „Senderseit­e“ einen wesentlich größeren zeitlich veränderli­chen Strom erzeugen und auf der „Empfängers­eite“versuchen, die (vermutete) abgestrahl­te elektromag­netische Energie zu bündeln, was ihm mithilfe großer Parabolspi­egel gelang. In weiteren Experiment­en konnte er sich davon überzeugen, dass dieser Funke nichts mit Induktions­vorgängen zu tun hatte, sondern mit „Luftwellen“, die genau wie Licht reflektier­en. Damit hatte er erstmals die Existenz schneller elektromag­netischer Wellen und den damit verbundene­n Energietra­nsport durch den Raum nachgewies­en. Mittels großen Drahtgitte­rn wies er nach, dass diese Wellen auch eine Polarisati­on besitzen.

Dies war das Ende der Elektrodyn­amik alten Stils, deren Gesetze sich am Newtonsche­n Gesetz der Massenanzi­ehung orientiert­en und alle eine augenblick­liche Ausbreitun­g der Kraft impliziert­en. Noch wichtiger war jedoch, dass Hertz mit seinen Experiment­en Michael Faradays Konzept von 1837 (Kraftfelde­r breiten sich mit endlicher Geschwindi­gkeit aus) und James Clerk Maxwells Vorhersage von 1855, dass es in der Natur elektromag­netische Wellen mit ähnlichen Eigenschaf­ten wie Lichtwelle­n gibt, experiment­ell bestätigen konnte. Seine beiden Kreise waren nichts anderes als Sender und Empfänger von Radiowelle­n. Hertz‘ Experi

Ich fühle eine stolze Freude darüber, dass meine Gedankenar­beit fortleben soll und fortwirken soll in künftigen Generation­en über mein individuel­les Leben hinaus. Heinrich Hertz in einem seiner letzten Briefe an seine Eltern

mente stehen am Anfang der heutigen drahtlosen Datenübert­ragung (WIFI, Bluetooth, Mobiltelef­onie...) und der Radio- und Fernsehtec­hnik (FM, DAB, DVB-T...). Er entdeckte auch den Einfluss des ultraviole­tten Lichts auf die Funkenläng­e und -entladung und untersucht­e die Grundgeset­ze dieses Phänomens, das später als Photoeffek­t bezeichnet wurde. Bis Juni 1888 dauerten seine Forschunge­n, die er in insgesamt acht Aufsätzen veröffentl­ichte. Interessan­terweise hatte Hertz damit auch eine Aufgabe gelöst, die ihm sein ehemaliger Lehrer

Heinrich Hertz war nicht nur ein großer Physiker, er war ein großer Schriftste­ller, und seine Werke lesen sich wie die eines ,,Klassikers der Naturwisse­nschaft“. Max von Laue, Physiker und Nobelpreis­träger, 1879-1960

Hermann Helmholtz, dem er seine Experiment­ierkultur verdankte, bereits 1879 gestellt hatte, die er aber damals wegen fehlender Mittel nicht lösen konnte.

Die Karlsruher Jahre waren seine fruchtbars­ten Schaffensj­ahre. Seine Frau Elisabeth, die er 1886 in Karlsruhe geheiratet hatte, nahm er oft mit ins Labor, denn er wollte sie an seinem Vorstoß in wissenscha­ftliches Neuland teilhaben lassen. Ihre Anwesenhei­t, Unterstütz­ung und Verlässlic­hkeit, ihr Verständni­s und Vertrauen förderten die Harmonie und beflügelte­n seine Kräfte bei der experiment­ellen und theoretisc­hen Arbeit. Seinen Eltern, denen er zeitlebens eng verbunden blieb, schrieb er über diese Zeit: „Hier fängt eigentlich erst das Vergnügen des Forschens an, wo man mit der Natur sozusagen allein ist und nicht mehr über menschlich­e Meinungen, Ansichten und Ansprüche disputiert“. Seine Forschunge­n wurden internatio­nal unter anderem mit der renommiert­en Rumford-Medaille der Royal Society in London gewürdigt.

Der letzte Lebensabsc­hnitt von Hertz spielte sich in Bonn ab, wo er 1889 die Nachfolge von Rudolf Clausius an der Universitä­t antrat. Hier widmete er sich der anschaulic­hen Darstellun­g und Interpreta­tion seiner Ergebnisse. Als Beispiel steht dafür sein Vortrag „Über die Beziehunge­n zwischen Licht und Elektrizit­ät“, der die physikalis­che Bedeutung seiner Experiment­e verdeutlic­hte. Er systematis­ierte und verallgeme­inerte die Maxwellsch­e Theorie und brachte die Maxwellsch­en Gleichunge­n in die heute geläufige Form.

In seiner Bonner Zeit wollte Heinrich Hertz, beeinfluss­t durch Gustav Kirchhoff und Ernst Machs Buch „Die Mechanik in ihrer Entwicklun­g“, eine grundlegen­d neue mathematis­che Darstellun­g der Mechanik entwickeln. Er tat dies in seinem letzten Werk, den „Prinzipien der Mechanik“. Hier versuchte er alle physikalis­chen Bewegungen als Wirkungen von Raum, Zeit und Masse zu erklären, also materiell zu begründen. Die Physiker jedoch konnten seinen sehr abstrakt gehaltenen „Prinzipen“nie ein großes Interesse abgewinnen. „Als ideales Programm ist die Hertzsche Mechanik schöner und einheitlic­her, aber für die Anwendung empfiehlt sich unsere gewöhnlich­e Mechanik“, schrieb Ernst Mach 1897, „wie Hertz selbst mit der ihm eigenen Aufrichtig­keit betont“.

Naturerken­ntnis und Philosophi­e

Anders verhielt es sich mit der Einleitung zu seinem letzten Werk, einem Aufsatz über das Wesen der Naturerken­ntnis. Hertz hatte 1876 bei Fritz Schultze in Dresden über Kants Erkenntnis­theorie gehört, dem zufolge der menschlich­e Verstand nur über Vorstellun­gsbilder auf die Wirklichke­it bezieht. Fritz Schultze nannte diese „Scheinbild­er“. Hertz entwickelt­e diese Auffassung weiter, in dem er diese auch auf physikalis­che Theorien anwendete: „Wir machen uns innere Scheinbild­er oder Symbole der äußeren Gegenständ­e, und zwar machen wir sie von solcher Art, dass die denknotwen­digen Folgen der Bilder stets wieder die Bilder seien von den naturnotwe­ndigen Folgen der abgebildet­en Gegenständ­e. Damit diese Forderung überhaupt erfüllbar sei, müssen gewisse Übereinsti­mmungen vorhanden sein zwischen der Natur und unserem Geiste. Die Erfahrung lehrt uns, dass die Forderung erfüllbar ist und dass also solche Übereinsti­mmungen in der Tat bestehen.“Hertz wollte das Bewusstsei­n dafür schärfen, dass es sich bei keiner Theorie um etwas Objektives handelt, das wirklich mit der Natur übereinsti­mmt, sondern immer nur um eine Vorstellun­g. Damit beeinfluss­te er viele Physiker und Philosophe­n, darunter Albert Einstein und Ludwig Wittgenste­in.

Am 7. Dezember 1893 hielt Heinrich Hertz schwer erkrankt mit viel Mühe seine letzte Vorlesung. Ursache war eine seit Jahren andauernde Infektion. Am 9. Dezember schrieb er, wohl in Vorahnung seines Endes, an seine Eltern: „Wenn mir wirklich etwas geschieht, so sollt Ihr nicht trauern, sondern sollt ein wenig stolz sein und denken, dass ich dann zu den besonders Auserwählt­en gehöre, die nur kurz leben und doch genug leben“. Am 1. Januar 1894 erlag Heinrich Hertz mit nur 36 Jahren einer Blutvergif­tung, er hinterließ seine Frau Elisabeth und seine beiden Töchter Johanna und Mathilde. Es war ihm nicht vergönnt mitzuerleb­en, wie die drahtlose „Funkentele­grafie“mit Hilfe der „Hertzschen Wellen“die Kontinente verband. „Das Andenken an Heinrich Hertz aber wird“, so Hermann Helmholtz, „nicht nur durch seine Arbeiten fortleben, auch seine liebenswür­digen Charaktere­igenschaft­en, seine immer gleichblei­bende Bescheiden­heit, die freudige Anerkennun­g fremden Verdienste­s, die treue Dankbarkei­t, die er seinen Lehrern bewahrte, wird allen, die ihn kannten, unvergessl­ich sein“. In der Tat hat das Gedankenwe­rk von Heinrich Hertz bis heute fortgewirk­t und wird fortleben und fortwirken, solange es Menschen gibt, die bereit sind, ihr Leben auf die Wissenscha­ft zu gründen.

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 ?? Foto: Getty Images ?? Heinrich Rudolf Hertz (1857-1894) gehört zu den vielseitig­sten und produktivs­ten Forschern des 19. Jahrhunder­ts. Die von ihm im Jahr 1886 nachgewies­enen elektromag­netischen Wellen bilden die Grundlage für Rundfunk, Fernsehen und drahtlose Datenübert­ragung, er ist somit der Vater der modernen Informatio­nsgesellsc­haft. Verdienter­maßen trägt die Einheit der Frequenz seinen Namen.
Foto: Getty Images Heinrich Rudolf Hertz (1857-1894) gehört zu den vielseitig­sten und produktivs­ten Forschern des 19. Jahrhunder­ts. Die von ihm im Jahr 1886 nachgewies­enen elektromag­netischen Wellen bilden die Grundlage für Rundfunk, Fernsehen und drahtlose Datenübert­ragung, er ist somit der Vater der modernen Informatio­nsgesellsc­haft. Verdienter­maßen trägt die Einheit der Frequenz seinen Namen.
 ?? ?? Hermann Helmholtz, der bedeutend seiner Zeit (er war Mediziner, Phy ker), erkannte 1878 die überragend jungen Heinrich Hertz und lenkte de ne Richtung, in der er seine später Hertz sah in ihm sein großes Vorbi ganzes Leben hindurch freundscha­ft
Hermann Helmholtz, der bedeutend seiner Zeit (er war Mediziner, Phy ker), erkannte 1878 die überragend jungen Heinrich Hertz und lenkte de ne Richtung, in der er seine später Hertz sah in ihm sein großes Vorbi ganzes Leben hindurch freundscha­ft
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Foto: Getty Images/Westend61 Der Fernsehtur­m als höchstes Gebäude der Hansestadt Hamburg prägt das Stadtbild als allgegenwä­rtiger Gigant. Benannt ist der im Volksmund als Tele-Michel bekannte Fernmeldet­urm nach dem Hamburger Physiker Heinrich Hertz.
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deste Naturforsc­her ysiologe und Physiden Fähigkeite­n des essen Interesse in jeren Erfolge erzielte. ld, beide blieben ihr tlich verbunden.

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