ArcelorMittal plant Modernisierung der Stahlwerke in Belval und Differdingen
In Differdingen dürfen sich die Anwohner über Verbesserungsmaßnahmen freuen, in Belval soll ein effizienterer Elektroofen installiert werden
Trotz kontinuierlicher Bemühungen und guter Fortschritte in den Stahlbetrieben von ArcelorMittal stagniert die Unfallstatistik seit 2019. „Wir haben eindeutig die Absicht, Fortschritte zu machen, um unser Ziel von null Unfällen zu erreichen“, sagte Henri Reding, seit April letzten Jahres Luxemburg-Chef von ArcelorMittal. Er hatte am Mittwoch ins Werk Belval geladen, um ein Resümee zum vergangenen Jahr und Ausblicke auf die Zukunft zu geben.
Die Statistik zeigt, dass der Stahlkonzern letztes Jahr 0,71 Unfälle pro einer Million geleisteter Arbeitsstunden verzeichnete. Reding sprach den Unfall im kasachischen Kohlebergwerk Kostenko an, der 46 Mitarbeitern das Leben kostete. Nicht zuletzt deswegen lässt der Konzern derzeit eine unabhängige Prüfung der gesamten Sicherheitspraktiken erstellen. Da sich ArcelorMittal harter Kritik wegen des Vorfalls ausgesetzt sah, weist Reding darauf hin, dass Familien finanziell unterstützt wer
Stahl ist ein wichtiger Wegbereiter für die Dekarbonisierung anderer Sektoren und ein zentraler Werkstoff für die Energiewende. Henri Reding, Chef ArcelorMittal Luxembourg
den (zehn Jahresgehälter) und auch psychologische Hilfe bekommen. Das Eigentum an ArcelorMittal Temirtau mit 33.000 Mitarbeitern und einer Produktionskapazität von 4,2 Millionen Tonnen wird der kasachische Staat übernehmen.
Teurer Weg in die Dekarbonisierung
Daneben beschäftigt den Stahlkonzern wie alle Industrieunternehmen derzeit vor allem eines: das „Ärgernis Dekarbonisierung“, wie Reding es bezeichnete. Angefangen habe ArcelorMittal damit, den Energieverbrauch zu senken, weswegen das Werk Belval auch einen neuen, effizienteren Elektroofen bekommt. Die Vorarbeiten zur Installation laufen, Mitte des Jahres soll dann der neue Lichtbogenofen installiert werden.
„Wir nutzen bereits erneuerbare Elektrizität in den Fabriken und haben uns in Europa zum Ziel gesetzt, bis 2050 auf null CO2-Emissionen zu kommen und bis 2030 die Emissionen um 30 Prozent zu senken“, so Reding.
Es gebe ein breites Spektrum an Technologien, um Stahl kohlendioxidfrei herzustellen, und der Stahlkonzern hat dazu einige Projekte gestartet, etwa mit der Nutzung von Gasinjektion/Rückführung, Bioenergie und sauberen Strom zur Erzeugung von grünem Wasserstoff über Wasserelektrolyse. So wurde auch eine Vorzeigeanlage zur Kohlenstoffabscheidung und -verwertung im belgischen Gent gestartet. Auch wurde mit dem luxemburgischen Institut für Wissenschaft und Technologie (List) die Forschungspartnerschaft mit Schwerpunkt auf kreislauforientierten und dekarbonisierten Stahlproduktion um fünf Jahre verlängert. „Stahl ist ein wichtiger
Wegbereiter für die Dekarbonisierung anderer Sektoren und ein zentraler Werkstoff für die Energiewende“, so Reding, der zugleich darauf hinweist, dass andere, außereuropäische Stahlproduzenten ohne CO2-Abgabe produzieren können. Ein Wettbewerbsnachteil für europäischen Stahl. Ohne Unterstützung der Politik sei es deshalb schwierig, bei den nötigen Investitionen, die die Unternehmen aus Klimaschutzgründen vornehmen müssen, gegenüber anderen wettbewerbsfähig zu bleiben. 20 Prozent des Stahls auf dem europäischen Markt sind importiert.
Zwar hat sich der Stahlkonflikt mit den USA entschärft und die USA wie die EU haben am 19. Dezember 2023 entschieden, die zusätzlichen Zölle auf Stahl- und Aluminiumprodukte zunächst bis zum 31. März 2025 vorläufig weiter auszusetzen. Ungleichgewichte sind damit aber nicht aus der Welt geschafft. Schutzmaßnahmen für Stahlerzeugnisse wurden bis zum 1. Juli
2024 verlängert: Nach Ansicht der europäischen Stahlindustrie besteht weiterhin die Notwendigkeit, sie aufrechtzuerhalten.
Seit Oktober müssen zwar Unternehmen, die Stahl, Zement, Aluminium, Strom, Düngemittel und Wasserstoff in die EU importieren, die CO2-Emissionen melden, die bei der Herstellung dieser Güter entstehen – aber erst 2026 soll dann auch bei ihnen eine CO2-Abgabe fällig sein.
„Unfaire Importpreise nach Europa müssen unterbunden werden“, sagt der Stahlmanager Reding, dem zufolge Europa bei seinen Exporten benachteiligt ist, weil hier die Produzenten Emissionsrechte kaufen müssen.
Dekarbonisierung fängt damit an, dass man den Energieverbrauch senkt, weswegen das Werk Belval auch einen neuen, effizienteren Elektroofen zur Schmelze bekommt. Die Vorarbeiten zur Installation laufen, ab Mitte des Jahres soll dann der neue Ofen installiert werden. Der derzeit
in Betrieb befindliche Elektroofen wurde 2013 installiert.
Im Werk wird eine Reduzierung des Stromverbrauchs um 60 Kilowattstunden pro Tonne angestrebt und eine CO2-Reduktion um 200.000 Tonnen pro Jahr, erklärt Projektleiter Michael Szefer.
Darüber hinaus sollen mit dem Projekt „SteelUp!“, das bis 2025 fertiggestellt sein soll, Rohlinge für Belval, die bislang aus Dabrowa in Polen (1.300 km bis Luxemburg) und von Duisburg (350 km bis Luxemburg) kommen, künftig in Rodingen produziert werden. Das würde eine signifikante Verringerung der verkehrsbedingten Emissionen bedeuten, so Szefer. Auch werden in Belval neue Entstaubungsanlagen installiert. Belval walzte schon 1911 die ersten Stahlspundbohlen. Sie sind dazu bestimmt, Erde oder Wasser zurückzuhalten, um Kaimauern, Dämme, Tiefgaragen, Tunnel, Brücken und Fernstraßen zu bauen.
Auch im Werk Differdingen sind Verbesserungsmaßnahmen geplant, vor allem im Sinne der dort ansässigen Bevölkerung: Ein Projekt sieht vor, verschiedenste Emissionen – auch Lärm – zu reduzieren, wie der Projektleiter dafür, Guilhem Dollé, erklärt. Unter anderem werden deswegen bis Ende des Jahres die Schlackengruben unter einem überdachten Gebäude in größerer Entfernung von der Nachbarschaft verlagert. Zudem soll eine Entstaubungsanlage installiert werden.