Emanzipation im Badeanzug
Marion Rothhaar inszeniert Lou Kosters und Batty Webers erfolgreiche Operette „An der Schwemm“neu. Eine humoristische Aufführung mit ernsten Inhalten
In Badekleidung auf der Bühne stehende Schauspielerinnen und Schauspieler: Das ist nicht nur für das Publikum ein ungewohnter Anblick. Vielmehr erfordert es von den Darstellenden eine gute Portion Mut und Selbstbewusstsein. Und genau das ist bei dem musikalischen Theaterstück „An der Schwemm“der Fall, das nun rund 100 Jahre nach seiner Uraufführung im Pôle Nord in Luxemburg-Stadt neu adaptiert wird.
Die Operette der Luxemburger Komponistin und Pianistin Lou Koster und ihrem Librettist Batty Weber war 1922 ein riesiger Erfolg, sorgte aber auch für Aufregung. Das damals dem Katholizismus sehr nahestehende „Luxemburger Wort“machte bereits wegen einer vorherigen Aufführung im Pôle Nord auf den drohenden Sittenverfall durch solche Varietés und „Vergnügungsetablissements“aufmerksam. Das geht aus dem mit „Ein Skandal“getitelten Artikel auf der ersten Seite des „Luxemburger Wort“vom 18. Februar 1922 hervor.
Ob die aktuelle Inszenierung von „An der Schwemm“für solche skandalösen Schlagzeilen sorgen wird? Davon ist erst mal eher nicht auszugehen. In der Regie von Marion Rothhaar und unter der musikalischen Leitung von Jonathan Kaell feiert die Operette am Samstag, dem 27. Januar, Premiere im Escher Theater. Ein Stück, das amüsieren soll; und doch gleichzeitig unterschwellige Gesellschaftskritik birgt.
Emanzipation und Selbstakzeptanz
„In der Inszenierung wird der #metoo-Charakter etwas hervorgehoben: Dass es Leute gibt, die zum Beispiel ins Schwimmbad gehen, um Frauen und Männer in Badekleidung zu sehen; oder dass beim Schwimmtraining manchmal zu viele Hände im Spiel sind. Da wir aber kein Problemstück, sondern eine Operette machen, wird das gestreift. Wir nehmen diese Themen humoristisch in unserem Stück auf und stellen sie in den Raum. Da kann dann jeder damit machen, was er möchte. Es ist kein Lehrstück, sondern es soll Spaß machen“, erklärt Marion Rothhaar, während sie in dem Manuskript von „An der Schwemm“blättert.
Für die Operette stehen nicht nur Schauspieler, sondern ein Kammerorchester und ein Chor auf der Bühne des Escher Theaters. Das Stück handelt von der Schwimmerin Lory, deren Figur der Luxemburger Olympia-Schwimmerin Lory Koster nachempfunden ist. Sie und ihre Freundinnen besuchen regelmäßig das Schwimmbad, wo sie von den Soldaten – wie es in den 1920er-Jahren üblich war – das Schwimmen beigebracht bekommen. Und während der Delegierte für den Jungfrauenschutz Zengerlé mit allen Mitteln versucht, Lory zur Frau zu gewinnen, verliebt sich die junge Schwimmerin in den Bademeister Reddy. Sie entscheidet sich gegen den wohlhabenden Zengerlé, trifft eigenständige Entscheidungen und nimmt sich, was sie will.
„Das Thema Emanzipation ist im Text schon drin. In den 1920ern gab es ja die sogenannte Neue Frau – die, emanzipierter und unabhängiger war, als wir es heute bei manchen Frauen sehen. Und die Figur der Lory weiß einfach, was sie will, und dass sie als Frau die Fäden in der Hand hat“, betont die Regisseurin. „Ein starker emanzipatorischer Akt ist aber auch, sich im Badeanzug oder in einer Badehose auf die Bühne zu trauen und zu sagen: Das bin ich. Das ist mein Körper.“
Ein Schwimmbecken für die Bühne
Sind Emanzipation und Selbstakzeptanz also die Kernthemen des Stücks? Laut Marion Rothhaar stehe auch die Sozialkritik im Vordergrund. „Das Schwimmbad ist der Ort, an dem sich die ganze Gesellschaft tummelt: reich und arm, Verbrecher und Lüstlinge und der Bademeister, der gerne zum Sexsymbol stilisiert wird.“Ein Topos, den man auch aus zahlreichen Filmen kennt und auf den die Regisseurin ebenfalls zurückgreift.
Dabei mäandert das Stück zwischen der Gegenwart und der Vergangenheit, fokussiert sich allerdings auf die Geschichte, die sich in den 1920er-Jahren abspielt. Nun wäre es natürlich das absolute Highlight, wenn man „An der Schwemm“tatsächlich in einem Schwimmbad aufführen würde. Tatsächlich gab es diese Idee auch, musste aufgrund der Tonqualität innerhalb eines Schwimmbads allerdings verworfen werden.
Für die richtige Atmosphäre sorgt nun die Bühnenbildnerin und Kostümdesigne
rin Peggy Wurth. „Wasser wird es nicht auf der Bühne geben. Das ist zu gefährlich, zu rutschig. Aber es gibt einen Kunstgriff: Der Orchestergraben wird unser Schwimmbecken“, so Marion Rothhaar. In diesen wird dann sogar eine Rutschbahn führen. Dann heißt es also „Abtauchen in das gesellschaftliche Leben der 1920er-Jahre“und der freiheitsstrebenden Lory.
Ein starker emanzipatorischer Akt ist aber auch, sich im Badeanzug oder in einer Badehose auf die Bühne zu trauen und zu sagen: Das bin ich. Das ist mein Körper. Marion Rothhaar, Regisseurin