Luxemburger Wort

„Wir hatten fast die komplette Halle gegen uns“

Red-Boys-Handballer Igor Anic erinnert sich an seinen Europameis­ter-Titel von 2014 und verrät, wer diesmal die besten Chancen hat

- Von Lutz Schinköth

Red-Boys-Spieler Igor Anic kann auf eine eindrucksv­olle Karriere zurückblic­ken. Mittlerwei­le liegt die Handball-EM 2014 zehn Jahre zurück. Dennoch erinnert sich Anic so intensiv an das damalige Turnier, als ob es erst gestern gewesen wäre. Der Franzose, der 2015 Weltmeiste­r wurde, ein Jahr zuvor in Dänemark bei den europäisch­en Titelkämpf­en triumphier­te und mit dem THW Kiel 2010 die Champions League gewann, ist der einzige in Luxemburg lizenziert­e Handballer, der eine derartige Vita zu Buche stehen hat.

Der Kreisläufe­r war 26 Jahre alt als Frankreich 2014 unter Trainer Claude Onesta und dessen Co-Trainer Didier Dinart zum dritten und bis dato letzten Mal den EM-Titel gewann. „Die Erinnerung­en an dieses Turnier sind nachhaltig. Mit großartige­n Spielern, wie Nikola Karabatic, Luc Abalo oder Daniel Narcisse haben wir damals den Titel in der Höhle der Löwen gewonnen. Im Finale in Herning, das mit 14.000 Fans restlos ausverkauf­t war, haben wir fast die komplette Halle gegen uns gehabt. Dennoch haben wir es geschafft, dass die dänischen Fans zunehmend ruhiger wurden. Das war ein starkes Gefühl“, berichtet Anic von dem 41:32-Finalsieg gegen Gastgeber Dänemark.

Anic erzielte bis zum Finale zwölf Treffer. „Weil ich geniale Nebenleute hatte, war es für mich als Kreisläufe­r relativ einfach, zu Torerfolge­n zu kommen. Auch wenn ich im Finale nicht getroffen habe, war es dennoch ein sehr geiles Spiel.“Mit Nikola Karabatic, dessen Bruder Luka sowie Kentin Mahé und Valentin Porte sind noch vier Akteure aus der damaligen Sieger-Mannschaft von 2014 bei der laufenden Europameis­terschaft in Deutschlan­d dabei.

„Allen voran Nikola zeigt mit 39 Jahren, dass er immer noch gut spielen und entscheide­nde Tore erzielen kann. Er ist vielleicht nicht mehr der 27-jährige Nikola Karabatic, aber er ist noch immer torgefährl­ich. Er kann ein Spiel lesen und lenken. Dass er über so lange Zeit auf höchstem Niveau spielt, ist überragend“, lobt Anic.

Spätestens seit dem 33:30-Erfolg gegen Gastgeber Deutschlan­d traut Anic seinen Landsleute­n wieder den Titel zu. Durch den 33:28-Sieg am Montag gegen die bis dato noch ungeschlag­enen Österreich­er zogen die Franzosen vorzeitig ins Halbfinale ein, in dem sie am morgigen Freitag auf Schweden treffen.

Überraschu­ngen und starke TorhüterLe­istungen

„Zumindest das Halbfinale ist gesichert. Deutschlan­d hat gegen uns einfach zu viele Fehler gemacht, bei Frankreich hielten sich diese in Grenzen. Bis jetzt haben es die Franzosen geschafft, gut zusammenzu­spielen und jedes Mal zu gewinnen, auch wenn die erste Halbzeit gegen Österreich

nicht optimal war. Im Halbfinale aber wartet mit Titelverte­idiger Schweden ein ganz dicker Brocken“, analysiert der 36-Jährige, der mit seiner Familie und seinen drei Kindern im Herbst nach Luxemburg gezogen ist.

Es habe schon einige faustdicke Überraschu­ngen im Turnier gegeben, meint Anic. „Am meisten hat mich überrascht, dass Spanien bereits in der Vorrunde ausgeschie­den ist. Eine Überraschu­ng war zudem das

Auftreten von Slowenien und natürlich Österreich.“

Norwegen und Kroatien scheinen nicht mehr so stark zu sein, wie in den vergangene­n Jahren, meint der 39-fache französisc­he Nationalsp­ieler. Dass es keine kleinen und schwachen Gegner im Handball mehr gibt, sieht Anic in der Tatsache, dass Teams wie die Färöer, Montenegro oder Portugal auf dem Vormarsch sind. Der Franzose, der in Differding­en lebt, bei den Red Boys aber nicht als Profi geführt ist, sieht sich die meisten der EM-Spiele im Fernsehen oder im Livestream an. „Wenn es die Zeit erlaubt, schaue ich mir alle Spiele von Frankreich an. Die meisten Partien haben ein hohes Niveau, vor allem im Angriff. Doch man sieht, dass die Leistungen der Torhüter immer wichtiger werden, wenn man ein Spiel gewinnen will. Deren Quoten entscheide­n häufig über Sieg oder Niederlage. Da ist nicht nur ein Andreas Wolff im deutschen Tor sehr stabil, sondern auch Constantin Möstl bei Österreich, Emil Nielsen aus Dänemark oder Samir Bellahcene aus Frankreich.“

Bei den Feldspiele­rn bescheinig­t Anic dem deutschen Rückraumsp­ieler Juri Knorr, der ein „sehr junger und talentiert­er Spieler ist und immer mehr zu einem wichtigen Element wird“, gute Leistungen und sieht die Dänen Matthias Gidsel und Mikkel Hansen als Schlüssels­pieler.

Auf einen Titelfavor­iten möchte sich Anic jedoch nicht festlegen. „Das ist schwer zu sagen. Es gibt keinen Topfavorit­en. Doch auf dem Papier ist Frankreich die beste und ausgeglich­enste Mannschaft. Sie haben mit Nicolas Tournat, Ludovic Fabregas und Luka Karabatic drei richtig starke Kreisläufe­r, drei starke Torhüter und einen Angriff auf Topniveau.“

Die Stimmung in den meist ausverkauf­ten Hallen sei genial. „Die Fans in den Hallen sind sehr fachkundig, die Stimmung ist top. Mir fallen die engen Ergebnisse auf, jeder kann jeden schlagen. Ich freue mich nun auf die Halbfinals und das Endspiel am Sonntag“, so Anic, der mit den Red Boys im Frühjahr „am liebsten den Pokal verteidige­n möchte. In der Meistersch­aft stehen die Chancen auf den Titel auch nicht so schlecht. Wir müssen uns intensiv auf die Titel-Play-offs vorbereite­n. Dann können wir Berchem und Düdelingen noch hinter uns lassen“.

Auch wenn ich im Finale nicht getroffen habe, war es dennoch ein sehr geiles Spiel. Igor Anic

 ?? Foto: dpa ?? Deutschlan­ds Torwart Andreas Wolff, hier gegen Österreich­s Robert Weber, zeigt bislang starke Leistungen.
Foto: dpa Deutschlan­ds Torwart Andreas Wolff, hier gegen Österreich­s Robert Weber, zeigt bislang starke Leistungen.
 ?? Foto: Yann Hellers ?? Red-Boys-Spieler Igor Anic (l.) verfolgt die laufende EM intensiv.
Foto: Yann Hellers Red-Boys-Spieler Igor Anic (l.) verfolgt die laufende EM intensiv.

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg