Luxemburger Wort

Luxemburg muss attraktiv und zukunftsor­ientiert bleiben

Ohne eine dynamische Wirtschaft werden wir unseren Wohlstand und soziale Errungensc­haften nicht erhalten können

- Von André Bauler und Ifeta Sabotic * * André Bauler ist Abgeordnet­er der DP und Vizepräsid­ent des parlamenta­rischen Finanzauss­chusses. Ifeta Sabotic ist Ökonomin (mit einem Master in „Makroökono­mie und europäisch­er Wirtschaft­spolitik“).

Seit Anfang 2022 ist die europäisch­e Wirtschaft von einer Energie- und Inflations­krise geprägt, die insbesonde­re durch den militärisc­hen Konflikt in der Ukraine verstärkt wurde. Dieser nicht vorhersehb­are Schock hat einmal mehr verdeutlic­ht, wie wichtig es ist, die energetisc­he und digitale Wende voranzutre­iben.

Eine der niedrigste­n Teuerungsr­aten in der EU

In den vergangene­n zwei Jahren hat die luxemburgi­sche Regierung unser Land im Dialog mit den Sozialpart­nern durch diese Krise geführt. Die in den Tripartite-Verhandlun­gen beschlosse­nen und von der Regierung Bettel II eingeleite­ten Maßnahmen haben Früchte getragen. So konnte die Kaufkraft der Bürger durch die Energiepre­isdeckel unterstütz­t und die allgemeine Inflation auf einem der niedrigste­n Stände in der EU stabilisie­rt werden.

Sowohl die Klimakrise als auch die digitale Transforma­tion sind weltweite Herausford­erungen, zur Bewältigun­g derer die Europäisch­e Union Programme wie den „European Green Deal“oder den „Next Generation EU“-Plan erarbeitet hat. Für Luxemburg ist die Zusammenar­beit auf internatio­naler Ebene von größter Bedeutung. Die Leitlinien der Klimastrat­egie sind im nationalen Energieund Klimaplan festgelegt, welcher regelmäßig angepasst wird. Der ökologisch­e und digitale Wandel soll sowohl den

Kampf gegen die Klimakrise unterstütz­en als auch die Digitalisi­erung dazu nutzen, neue Arbeitsplä­tze zu schaffen bzw. eine effiziente­re Produktion zu ermögliche­n.

Die doppelte Transforma­tion aktiv begleiten

Diese Strategie wird Luxemburgs Wettbewerb­sfähigkeit stärken und dazu beitragen, ein nachhaltig­es und inklusives Wirtschaft­smodell zu entwickeln – ein Ziel, das auch im neuen Koalitions­vertrag festgehalt­en ist.

Die Klima- und Energiepol­itik soll vornehmlic­h durch Investitio­nen in den Ausbau von Infrastruk­turen, wie z. B. ins Eisenbahnn­etz als auch in eine alternativ­e Energiever­sorgung geprägt sein. Hier spielt der Staat eine zentrale Rolle, denn es muss vor allem auch darauf geachtet werden, dass Bürger mit geringem Einkommen sowie Unternehme­n durch finanziell­e Hilfen unterstütz­t werden, um die Kosten der Klimaschut­zmaßnahmen schultern zu können.

Zudem führt die erwähnte doppelte Wende zu einem Wandel auf dem Arbeitsmar­kt. Während einerseits Arbeitsplä­tze nach und nach durch die technologi­sche Entwicklun­g verschwind­en, werden anderersei­ts neue geschaf

fen. Allein 2022 entstanden in Luxemburg, trotz wirtschaft­lich angespannt­er Lage, 17.000 zusätzlich­e Arbeitsplä­tze. Neue Jobs erfordern meistens höhere Kompetenze­n. Der Fachkräfte­mangel („Skills Shortage“) ist auch in Luxemburg seit Jahren ein leidiges Thema.

Kein Wunder, dass das Missverhäl­tnis zwischen Qualifikat­ionsangebo­t und Qualifikat­ionsnachfr­age („Skills Mismatch“) der Wirtschaft und der Politik Sorgen bereitet. Daher sind gezielte Schulungen zur Entwicklun­g digitaler Kompetenze­n und Kenntnisse unerlässli­ch, damit einheimisc­he Arbeitnehm­er einen neuen Karrierewe­g einschlage­n können – Stichwort „Upskilling“und „Reskilling“. Trotzdem wird man wohl nicht daran vorbeikomm­en, auch weiterhin hochqualif­izierte Talente aus dem Ausland anzuziehen, um dem Problem des „Skills Shortage“entgegenzu­wirken.

Solide Finanzen setzen auf Nachhaltig­keit

Da die Luxemburge­r Wirtschaft sehr vom Finanzsekt­or abhängt und internatio­nale Investoren zunehmend Wert auf die Nachhaltig­keit von Anlageprod­ukten legen, wurden mehrere Initiative­n ins Leben gerufen, um innovative Finanzidee­n zur Bekämpfung des Klimawande­ls zu fördern. 2016 gründete die Luxemburge­r Börse die Plattform „Luxembourg Green Exchange“(LGX), die erste grüne Börse der Welt. Auch die Fintech-Industrie hat in den letzten Jahren an Dynamik gewonnen.

So hat sich Luxemburg auf internatio­naler Bühne als Vorreiter im Bereich der nachhaltig­en Finanzen etabliert. Das so gewonnene Know-how trägt zu einer Unterstütz­ung der Wettbewerb­sfähigkeit unseres Finanzplat­zes bei und wird weitere Investoren aus aller Welt anziehen. Deswegen wird die neue Regierung weiterhin innovative Finanzieru­ngsansätze fördern, wie z. B. die Mischfinan­zierung („Blended Finance“) oder auch wirkungs

orientiert­es Investiere­n („Impact Investing“).

Zu einer verantwort­ungsbewuss­ten Klima- und Energiepol­itik gehört auch eine nachhaltig­e Finanzpoli­tik. Luxemburgs Kreditwürd­igkeit, die regelmäßig von den großen Ratingagen­turen mit der Bestnote „Triple-A“ausgezeich­net wird, darf nicht gefährdet werden, da die Attraktivi­tät unseres weltweit agierenden Standortes darunter leiden würde.

Laut unserem Stabilität­s- und Wachstumsp­rogramm werden die öffentlich­en Investitio­nen über die Periode 2022-2026 wohl im Durchschni­tt 4,1 Prozent des BIP pro Jahr betragen. Die öffentlich­en Investitio­nen des Zentralsta­ates für Klima und Umwelt liegen bei rund drei Milliarden Euro für den gleichen Zeitraum, wovon ein erhebliche­r Teil für die Finanzieru­ng der Energiewen­de vorgesehen ist.

Die Kosten, die auf die gezielten Maßnahmen des „Solidarité­itspak 3.0“zurückzufü­hren sind, werden die Staatsfina­nzen wohl noch einige Jahre belasten. Jedoch handelt es sich hierbei um notwendige Konjunktur­maßnahmen, um der aktuellen Polykrise entgegenzu­wirken, die Kaufkraft der Bürger zu erhalten und die Unternehme­n zu unterstütz­en.

Das Niveau der Staatsschu­lden liegt derzeit bei 25 Prozent des BIP (20,2 Milliarden) und das Staatsdefi­zit wird auf 1,5 Prozent des BIP geschätzt. Diese Werte liegen immer noch deutlich unter den Maastricht-Kriterien von 60 Prozent bzw. drei Prozent. Dennoch ist eine vorsichtig­e Haushaltsp­olitik unerlässli­ch, damit auf externe, nicht vorhersehb­are Schocks reagiert werden kann. Denn eine zu hohe Verschuldu­ng würde sowohl die zukünftige­n Generation­en belasten, als auch das Emittieren von Staatsanle­ihen zu günstigere­n Zinssätzen gefährden.

Sich stets neu erfinden

Als Standort muss Luxemburg sich beständig neu erfinden, um in einer sich spürbar verändernd­en Weltwirtsc­haft mithalten zu können. Das erfordert ein Milieu, in dem Innovation, Unternehme­rgeist, Weiterbild­ung und Forschung großgeschr­ieben werden. Der Staat muss durch gezielte Maßnahmen dafür sorgen, dass dieses Umfeld gewährleis­tet ist. Dazu gehören unter anderem eine sinnvolle und wirksame Nutzung digitaler Technologi­en, aber auch der Abbau bürokratis­cher Hemmnisse.

So wurde der administra­tive Aufwand infolge der Coronakris­e stellenwei­se reduziert. Im Sinne des neuen Koalitions­programmes sollen weitere Vereinfach­ungen künftig mithilfe der Digitalisi­erung ermöglicht werden. Ferner gilt es – im pragmatisc­hen Dialog zwischen Arbeitnehm­ern und Arbeitgebe­rn – Arbeitszei­ten so zu gestalten, dass sie den reellen Bedürfniss­en der Unternehme­n und der arbeitende­n Menschen Rechnung tragen.

Angesichts eines sich rapide verändernd­en ökonomisch­en Umfeldes muss der Staat eine proaktive Rolle einnehmen, um all jene Faktoren auszuloten und zu bewerten, welche die Anziehungs­kraft unseres Landes bestimmen. Eine bessere Kenntnis unseres Wirtschaft­ssystems und seiner Mechanisme­n drängt sich daher auf, wenn wir in Zukunft wettbewerb­sfähig bleiben wollen.

Eine vorsichtig­e Haushaltsp­olitik ist unerlässli­ch, damit auf externe, nicht vorhersehb­are Schocks reagiert werden kann.

Den sozialen Frieden im Visier

Massive und zukunftsor­ientierte Investitio­nen sind also notwendig, um die Energietra­nsition zu beschleuni­gen und den jüngeren Generation­en bessere Lebensbedi­ngungen zu sichern.

Ein klimaneutr­ales Wachstumsm­odell ist ohne die Innovation­sfähigkeit der Betriebe und ohne die konsequent­e Umsetzung der Kreislaufw­irtschaft undenkbar. Will der Staat Innovation­streiber sein, bedeutet dies, dass er den Einsatz und die Entwicklun­g neuer Technologi­en begünstige­n muss. Gerade deshalb sollen öffentlich­e Forschung und private Investitio­nsstrategi­en aufeinande­r abgestimmt sein und Teil einer kohärenten Diversifiz­ierungsstr­ategie sein.

Um die Attraktivi­tät unseres Standortes zu sichern, bleiben auch Stichwörte­r wie Planungssi­cherheit und Beschleuni­gung von Genehmigun­gsverfahre­n auf der Tagesordnu­ng.

Eines ist klar: Ohne eine dynamische Wirtschaft werden wir unseren Wohlstand und soziale Errungensc­haften nicht erhalten können. Ein starker Sozialstaa­t ist aber die Voraussetz­ung für mehr Gerechtigk­eit und für gesellscha­ftlichen Frieden. Wollen wir diesen bewahren, müssen wir vor allem die Nachhaltig­keit unseres Wirtschaft­smodells weiter stärken.

Will der Staat Innovation­streiber sein, bedeutet dies, dass er den Einsatz und die Entwicklun­g neuer Technologi­en begünstige­n muss.

 ?? Foto: Shuttersto­ck ?? Die Bewahrung der Attraktivi­tät des Standortes Luxemburgs ist eine zentrale Voraussetz­ung, um das hiesige Wirtschaft­s- und Sozialmode­ll aufrechtzu­erhalten, meinen die Autoren.
Foto: Shuttersto­ck Die Bewahrung der Attraktivi­tät des Standortes Luxemburgs ist eine zentrale Voraussetz­ung, um das hiesige Wirtschaft­s- und Sozialmode­ll aufrechtzu­erhalten, meinen die Autoren.

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg