Luxemburg muss attraktiv und zukunftsorientiert bleiben
Ohne eine dynamische Wirtschaft werden wir unseren Wohlstand und soziale Errungenschaften nicht erhalten können
Seit Anfang 2022 ist die europäische Wirtschaft von einer Energie- und Inflationskrise geprägt, die insbesondere durch den militärischen Konflikt in der Ukraine verstärkt wurde. Dieser nicht vorhersehbare Schock hat einmal mehr verdeutlicht, wie wichtig es ist, die energetische und digitale Wende voranzutreiben.
Eine der niedrigsten Teuerungsraten in der EU
In den vergangenen zwei Jahren hat die luxemburgische Regierung unser Land im Dialog mit den Sozialpartnern durch diese Krise geführt. Die in den Tripartite-Verhandlungen beschlossenen und von der Regierung Bettel II eingeleiteten Maßnahmen haben Früchte getragen. So konnte die Kaufkraft der Bürger durch die Energiepreisdeckel unterstützt und die allgemeine Inflation auf einem der niedrigsten Stände in der EU stabilisiert werden.
Sowohl die Klimakrise als auch die digitale Transformation sind weltweite Herausforderungen, zur Bewältigung derer die Europäische Union Programme wie den „European Green Deal“oder den „Next Generation EU“-Plan erarbeitet hat. Für Luxemburg ist die Zusammenarbeit auf internationaler Ebene von größter Bedeutung. Die Leitlinien der Klimastrategie sind im nationalen Energieund Klimaplan festgelegt, welcher regelmäßig angepasst wird. Der ökologische und digitale Wandel soll sowohl den
Kampf gegen die Klimakrise unterstützen als auch die Digitalisierung dazu nutzen, neue Arbeitsplätze zu schaffen bzw. eine effizientere Produktion zu ermöglichen.
Die doppelte Transformation aktiv begleiten
Diese Strategie wird Luxemburgs Wettbewerbsfähigkeit stärken und dazu beitragen, ein nachhaltiges und inklusives Wirtschaftsmodell zu entwickeln – ein Ziel, das auch im neuen Koalitionsvertrag festgehalten ist.
Die Klima- und Energiepolitik soll vornehmlich durch Investitionen in den Ausbau von Infrastrukturen, wie z. B. ins Eisenbahnnetz als auch in eine alternative Energieversorgung geprägt sein. Hier spielt der Staat eine zentrale Rolle, denn es muss vor allem auch darauf geachtet werden, dass Bürger mit geringem Einkommen sowie Unternehmen durch finanzielle Hilfen unterstützt werden, um die Kosten der Klimaschutzmaßnahmen schultern zu können.
Zudem führt die erwähnte doppelte Wende zu einem Wandel auf dem Arbeitsmarkt. Während einerseits Arbeitsplätze nach und nach durch die technologische Entwicklung verschwinden, werden andererseits neue geschaf
fen. Allein 2022 entstanden in Luxemburg, trotz wirtschaftlich angespannter Lage, 17.000 zusätzliche Arbeitsplätze. Neue Jobs erfordern meistens höhere Kompetenzen. Der Fachkräftemangel („Skills Shortage“) ist auch in Luxemburg seit Jahren ein leidiges Thema.
Kein Wunder, dass das Missverhältnis zwischen Qualifikationsangebot und Qualifikationsnachfrage („Skills Mismatch“) der Wirtschaft und der Politik Sorgen bereitet. Daher sind gezielte Schulungen zur Entwicklung digitaler Kompetenzen und Kenntnisse unerlässlich, damit einheimische Arbeitnehmer einen neuen Karriereweg einschlagen können – Stichwort „Upskilling“und „Reskilling“. Trotzdem wird man wohl nicht daran vorbeikommen, auch weiterhin hochqualifizierte Talente aus dem Ausland anzuziehen, um dem Problem des „Skills Shortage“entgegenzuwirken.
Solide Finanzen setzen auf Nachhaltigkeit
Da die Luxemburger Wirtschaft sehr vom Finanzsektor abhängt und internationale Investoren zunehmend Wert auf die Nachhaltigkeit von Anlageprodukten legen, wurden mehrere Initiativen ins Leben gerufen, um innovative Finanzideen zur Bekämpfung des Klimawandels zu fördern. 2016 gründete die Luxemburger Börse die Plattform „Luxembourg Green Exchange“(LGX), die erste grüne Börse der Welt. Auch die Fintech-Industrie hat in den letzten Jahren an Dynamik gewonnen.
So hat sich Luxemburg auf internationaler Bühne als Vorreiter im Bereich der nachhaltigen Finanzen etabliert. Das so gewonnene Know-how trägt zu einer Unterstützung der Wettbewerbsfähigkeit unseres Finanzplatzes bei und wird weitere Investoren aus aller Welt anziehen. Deswegen wird die neue Regierung weiterhin innovative Finanzierungsansätze fördern, wie z. B. die Mischfinanzierung („Blended Finance“) oder auch wirkungs
orientiertes Investieren („Impact Investing“).
Zu einer verantwortungsbewussten Klima- und Energiepolitik gehört auch eine nachhaltige Finanzpolitik. Luxemburgs Kreditwürdigkeit, die regelmäßig von den großen Ratingagenturen mit der Bestnote „Triple-A“ausgezeichnet wird, darf nicht gefährdet werden, da die Attraktivität unseres weltweit agierenden Standortes darunter leiden würde.
Laut unserem Stabilitäts- und Wachstumsprogramm werden die öffentlichen Investitionen über die Periode 2022-2026 wohl im Durchschnitt 4,1 Prozent des BIP pro Jahr betragen. Die öffentlichen Investitionen des Zentralstaates für Klima und Umwelt liegen bei rund drei Milliarden Euro für den gleichen Zeitraum, wovon ein erheblicher Teil für die Finanzierung der Energiewende vorgesehen ist.
Die Kosten, die auf die gezielten Maßnahmen des „Solidaritéitspak 3.0“zurückzuführen sind, werden die Staatsfinanzen wohl noch einige Jahre belasten. Jedoch handelt es sich hierbei um notwendige Konjunkturmaßnahmen, um der aktuellen Polykrise entgegenzuwirken, die Kaufkraft der Bürger zu erhalten und die Unternehmen zu unterstützen.
Das Niveau der Staatsschulden liegt derzeit bei 25 Prozent des BIP (20,2 Milliarden) und das Staatsdefizit wird auf 1,5 Prozent des BIP geschätzt. Diese Werte liegen immer noch deutlich unter den Maastricht-Kriterien von 60 Prozent bzw. drei Prozent. Dennoch ist eine vorsichtige Haushaltspolitik unerlässlich, damit auf externe, nicht vorhersehbare Schocks reagiert werden kann. Denn eine zu hohe Verschuldung würde sowohl die zukünftigen Generationen belasten, als auch das Emittieren von Staatsanleihen zu günstigeren Zinssätzen gefährden.
Sich stets neu erfinden
Als Standort muss Luxemburg sich beständig neu erfinden, um in einer sich spürbar verändernden Weltwirtschaft mithalten zu können. Das erfordert ein Milieu, in dem Innovation, Unternehmergeist, Weiterbildung und Forschung großgeschrieben werden. Der Staat muss durch gezielte Maßnahmen dafür sorgen, dass dieses Umfeld gewährleistet ist. Dazu gehören unter anderem eine sinnvolle und wirksame Nutzung digitaler Technologien, aber auch der Abbau bürokratischer Hemmnisse.
So wurde der administrative Aufwand infolge der Coronakrise stellenweise reduziert. Im Sinne des neuen Koalitionsprogrammes sollen weitere Vereinfachungen künftig mithilfe der Digitalisierung ermöglicht werden. Ferner gilt es – im pragmatischen Dialog zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern – Arbeitszeiten so zu gestalten, dass sie den reellen Bedürfnissen der Unternehmen und der arbeitenden Menschen Rechnung tragen.
Angesichts eines sich rapide verändernden ökonomischen Umfeldes muss der Staat eine proaktive Rolle einnehmen, um all jene Faktoren auszuloten und zu bewerten, welche die Anziehungskraft unseres Landes bestimmen. Eine bessere Kenntnis unseres Wirtschaftssystems und seiner Mechanismen drängt sich daher auf, wenn wir in Zukunft wettbewerbsfähig bleiben wollen.
Eine vorsichtige Haushaltspolitik ist unerlässlich, damit auf externe, nicht vorhersehbare Schocks reagiert werden kann.
Den sozialen Frieden im Visier
Massive und zukunftsorientierte Investitionen sind also notwendig, um die Energietransition zu beschleunigen und den jüngeren Generationen bessere Lebensbedingungen zu sichern.
Ein klimaneutrales Wachstumsmodell ist ohne die Innovationsfähigkeit der Betriebe und ohne die konsequente Umsetzung der Kreislaufwirtschaft undenkbar. Will der Staat Innovationstreiber sein, bedeutet dies, dass er den Einsatz und die Entwicklung neuer Technologien begünstigen muss. Gerade deshalb sollen öffentliche Forschung und private Investitionsstrategien aufeinander abgestimmt sein und Teil einer kohärenten Diversifizierungsstrategie sein.
Um die Attraktivität unseres Standortes zu sichern, bleiben auch Stichwörter wie Planungssicherheit und Beschleunigung von Genehmigungsverfahren auf der Tagesordnung.
Eines ist klar: Ohne eine dynamische Wirtschaft werden wir unseren Wohlstand und soziale Errungenschaften nicht erhalten können. Ein starker Sozialstaat ist aber die Voraussetzung für mehr Gerechtigkeit und für gesellschaftlichen Frieden. Wollen wir diesen bewahren, müssen wir vor allem die Nachhaltigkeit unseres Wirtschaftsmodells weiter stärken.
Will der Staat Innovationstreiber sein, bedeutet dies, dass er den Einsatz und die Entwicklung neuer Technologien begünstigen muss.