Luxemburger Wort

Warum man an der roten Ampel besser nicht singen sollte

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Wer einmal auf der A3 neben mir im Stau steht, kann Zeuge eines leidenscha­ftlichen Solo-Autokonzer­ts werden. Die Zeit mit „Winnie“– so heißt mein kleines, gelbes, pummeliges Auto – genieße ich nämlich in vollen Zügen und meist singend – wenn man das denn singen nennen darf.

Allerdings hat diese Beschäftig­ung ihre Tücken. Denn natürlich bin ich nicht nur auf der DauerstauA­utobahn unterwegs, sondern auch innerorts. An roten Ampeln zum Beispiel, wo man die Blicke von Passanten oder anderen Verkehrste­ilnehmern ganz besonders zu spü

Ich fahre beschämt weiter und hoffe, dass der Passant bitte seine Kleider anbehält.

ren bekommt. Richtig peinlich wird es dann im Sommer, wenn man bei der Affenhitze das Fenster herunterlä­sst und die Mitmensche­n das Katzengeja­ule nicht nur beobachten, sondern auch hören können.

Dass meine Stimmbände­r nicht fürs Popstar-Dasein taugen, ist dabei noch das geringste Problem. Vielmehr sind es die Songs, die natürlich nur bei offenem Fenster an der roten Ampel laufen, die mich selbst Ampelrot anlaufen lassen.

Es ist Sommer, ich warte geduldig auf die grüne Welle – kein Mensch weit und breit. Die ersten Töne des Refrains von „If You‘re Too Shy (Let Me Know)“von The 1975 erklingen, ich drehe meinen Kopf zum Fenster und schreie leidenscha­ftlich mit: MAYBE I WOULD LIKE YOU BETTER IF YOU TOOK OFF YOUR CLOTHES...

Ein Passant, der eben noch nicht da war, schaut mich verdutzt an und muss lachen. Ich schließe das Fenster – es wird grün. Zu spät. Ich fahre beschämt weiter und hoffe, dass der Passant bitte seine Kleider anbehält. Liz

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