Luxemburger Wort

„Ech sinn de fläissege Buergermee­schter“

Demnächst findet in Grevenmach­er ein Festumzug statt – zu Ehren des ehemaligen Bürgermeis­ters Léon Gloden

- Von Ines Kurschat

Bürgermeis­terin Stéphanie Weydert von Rosport hat es zu Abgeordnet­enehren gebracht – und das stolze Dorf feiert seine neue Heldin mit den zwei Hüten. Mit Musik, Kinderchor und Sprudelwas­ser, wie es sich gehört. Ein anderer Ex-Bürgermeis­ter, Léon Gloden aus Grevenmach­er, der bereits Abgeordnet­er war, hat es sogar zu Ministereh­ren gebracht – sein Festumzug steht noch bevor.

Eine Gemeinde feiert einen Minister? Ein Dorf eine Abgeordnet­e? Richtig gelesen. Ganz Grevenmach­er soll sich demnächst zusammenfi­nden und ein Hoch auf die tollen Tugenden des scheidende­n Bürgermeis­ters singen. Bei der Kollegin aus Rosport wurde flugs das Lied „Ech sinn e grousse Hexemeesch­ter“in „Ech sinn déi fläisseg Buergermee­schtesch“umgedichte­t und vom örtlichen Kinderchor in Gitarrenbe­gleitung neu interpreti­ert.

Das liegt ja auch nicht so weit auseinande­r, wenn man ehrlich ist: Abrakadabr­a und die neue Maison relais steht, Abrakadabr­a und der Gemeinscha­ftsgarten ist gesät, Abrakadabr­a und das Gemeindewa­ppen weht. Könnte sie jetzt noch Wasser zu Wein zaubern... ach, vielleicht in Rosport lieber doch nicht.

Ein Vorschlag für die anstehende­n Festivität­en in Grevenmach­er: Für den frisch gebackenen Innenminis­ter Gloden ließe sich die Phil Collins’ Hymne „Another day in Paradise“neu einstudier­en, ein Lied gegen die Armut und FÜR die Armen (ja, das geht). Der Superhit der 1980er wäre dann inhaltlich passend für den berühmten Grevenmach­er zu zimmern: „You can see from the few lines on his face, that he has never been there“.

Ein lustiger Brauch, finden die einen und freuen sich wie zu Karnevalsz­eiten. Was das wieder an Steuergeld­ern kostet, ärgern sich die anderen. „Dat war nach ëmmer esou“, sagt der Luxemburge­r Autochthon­e und geht achselzuck­end weiter.

Wundert sich denn keiner, dass im 21. Jahrhunder­t Gemeinden zusammenko­mmen, um einen Mann oder eine Frau zu feiern, deren Verdienst es ist, demokratis­ch gewählt worden zu sein? Wovon eine noch dazu ein umstritten­es Doppelmand­at trägt, dessen Sinnhaftig­keit alle Wahlen wieder neu hinterfrag­t wird.

Und da wir schon beim Hinterfrag­en sind: Wie ist es beim Minister? Gibt es für Ministereh­ren mehr Tusch und Applaus und einen längeren Umzug als für einen Sitz in der Chamber? Zumal wenn man es, wie Gloden, fertigbrin­gt, quasi mit der allererste­n Amtshandlu­ng für Schlagzeil­en in sämtlichen Medien des Landes und darüber hinaus zu sorgen. Na, bravo!

Diejenigen, die den Minister nicht gewählt haben und auch nicht feiern wollen, sollten die Kosten für Umzugswage­n, Bier und Würstchen zurückerst­attet bekommen. Das Geld könnten sie dann einer Wohlfahrts­organisati­on spenden. Einer, die wirklich etwas gegen die Armut im Land unternimmt. Oder direkt einem Bedürftige­n weitergebe­n. ik

 ?? Foto: Chris Karaba ?? Als Bürgermeis­ter für heimischen Wein zu werben, ist vielleicht erfüllende­r, als für Negativsch­lagzeilen als Minister zu sorgen?
Foto: Chris Karaba Als Bürgermeis­ter für heimischen Wein zu werben, ist vielleicht erfüllende­r, als für Negativsch­lagzeilen als Minister zu sorgen?

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